Chefvolkswirt begrüßt Regeln zum Hochfrequenzhandel "Es trifft die Auslöser der Finanzkrise"
Vom Hochfrequenzhandel profitieren vor allem Großbanken, kritisiert der Chefvolkswirt der Bremer Landesbank, Folker Hellmeyer, im tagesschau.de-Interview. Es sei höchste Zeit, diese Geschäfte zu beschränken. Bislang würden Großbanken die Sahne an den Aktienmärkten abschöpfen.
tagesschau.de: Könnten Sie kurz erläutern, wie dieser Hochfrequenzhandel funktioniert?
Folker Hellmeyer: Hochfrequenzhandel ist eine Handelsform, die von der internationalen Bankenaristokratie - von den Großbanken - betrieben wird. Dabei werden innerhalb kürzester Zeit, wir reden von Nanosekunden, enorme Volumina gehandelt. Und damit wir die Sahne an den Aktienmärkten durch die Großbanken abgeschöpft. Das ist ein hochkapitalintensives Geschäft, das aber sehr profitabel ist.
tagesschau.de: Wie stehen Sie zu den nun beschlossenen Regulierungen?
Hellmeyer: Diese Beschränkungen sind in meinen Augen vollkommen berechtigt. Fakt ist, dass der Hochfrequenzhandel die Liquiditätslage nicht nachhaltig positiv beeinflusst. Über die letzten Jahre ist festzustellen, dass die Volatilität, also die Beweglichkeit der Aktienmärkte, losgelöst von den volkswirtschaftlichen Rahmendaten und Unternehmensdaten sich erhöht hat. Wir haben zudem Unfälle durch den Hochfrequenzhandel erlebt.
Der nächste Aspekt ist, dass Börsen allen Teilnehmer den gleichen Zugang gewährleisten muss. Bei dieser Art Handel werden aber die internationalen Großbanken bevorzugt. Das muss abgestellt werden.
Und als dritter Aspekt müssen wir die globalen Finanzmärkte entschleunigen, damit der Finanzsektor wieder eine dienende Funktion für die Realwirtschaft übernimmt. Und dafür sind die nun beschlossenen Regulierungen ein gutes Instrument.
"Es profitiert vor allem die Realwirtschaft"
tagesschau.de: Wer profitiert denn nun von einem Tempolimit beim Hochfrequenzhandel?
Hellmeyer: Davon profitiert die Realwirtschaft und die Menschen, die darin beschäftigt sind, weil ihre Unternehmen fairer bewertet werden. Die enormen Schwankungen, die wir aus der Vergangenheit kennen und auch die Unfälle an den Märkten, werden abnehmen. Und damit gibt es hoffentlich auch eine neue Demut bei Großbanken.
tagesschau.de: Und was ist mit dem kleinen Otto-Normal-Anleger mit seinem kleinen Aktiendepot?
Hellmeyer: Wenn die übermäßigen Schwankungen an den Aktienmärkten ein Stück reduziert werden, dann wird auch die Übersichtlichkeit und die Nachhaltigkeit von Bewegungen verstärkt. Das muss das Ziel sein.
tagesschau.de: Im Januar haben sich einige EU-Staaten auf die Einführung einer Finanztransaktionssteuer geeinigt. Nimmt die nicht auch schon Tempo aus dem Aktienhandel?
Hellmeyer: Die Finanztransaktionssteuer hat zwar auch eine entschleunigende Wirkung, ist aber nicht vergleichbar mit der Regulierung des Hochfrequenzhandels. Bei der Finanztransaktionssteuer haben wir einen ganz großen Beipackzettel mit ganz vielen Nebenwirkungen. Dabei werden auch die privaten Kleinanleger finanziell belastet. Beim Hochfrequenzhandel ist das nicht der Fall. Sondern es werden genau die getroffen, die für die Finanzkrise verantwortlich waren, und wir nehmen ihnen ein Stück ihres Handlungsmaterials.
Das Interview führte Katrin Prüfig, tagesschau24.