Trotz Intel-Verzögerung Scholz hält an Chip-Strategie fest
Die Verschiebung des Baus der Intel-Fabrik in Magdeburg ist ein Rückschlag für den Standort Deutschland. Kanzler Scholz will die Chipentwicklung weiter voranbringen, schließt eine Umwidmung der Subventionen aber nicht ganz aus.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich enttäuscht über die Verzögerung beim Bau der Intel-Halbleiterfabrik in Magdeburg gezeigt. "Das ist ein Projekt, das wir gerne schnell realisiert hätten", sagte der Kanzler in der kasachischen Hauptstadt Astana, wo er sich anlässlich des Zentralasien-Gipfels aufhält.
Deutschland halte an dem geplanten Ausbau der Chip-Produktion fest. Es bleibe richtig, "dass wir für unsere Souveränität, für unsere technologische Führungsfähigkeit auch darauf bestehen, dass Halbleiterproduktion in Europa und ganz besonders in Deutschland stattfindet", so Scholz.
Die Entscheidung von Intel, das Projekt in Deutschland zwei Jahre aufzuschieben, beinhalte ja auch die Aussage, daran festhalten zu wollen, fügte Scholz hinzu. Es gebe viele weitere Projekte im Bereich der Mikroelektronik. "Wir haben gerade Grundsteinlegung gesehen für ein Projekt von TSMC in Deutschland." Der taiwanische Halbleiterkonzern baut in Dresden eine Fabrik, in der die Produktion von Chips für die Autoindustrie ab 2027 anlaufen soll.
Teile des Geldes könnten Haushaltslücken schließen
Scholz bremste zugleich Vorschläge von Ampel-Partnern, wofür das für Intel im Bundeshaushalt 2025 vorgesehene Geld verwendet werden soll. "Wir haben Gelder vorgesehen, die auch weiter benötigt werden für unsere Halbleiterprojekte, und jetzt gibt es keinen Anlass, von einem Tag auf den anderen zu sagen, wie wir damit einzeln umgehen." Allerdings schloss er auch nicht aus, vorübergehend einen Teil der geplanten milliardenschweren Staatshilfen zur Schließung von Haushaltslücken zu nutzen.
In den Haushaltsberatungen werde man darauf achten, dass man zugleich die Halbleiterentwicklung in Deutschland voranbringe und dafür Sorge trage, dass man mit den Finanzen auskomme, so Scholz. Nun würden "konstruktive Beratungen" stattfinden, bei denen man in alle Richtungen denken müsse. "Da gibt es nicht nur Schwarz und Weiß", betonte der Kanzler.
Bundesregierung droht Streit über Beihilfen
Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr staatliche Hilfen von 9,9 Milliarden Euro für die Ansiedlung in Aussicht gestellt. Mehrere Ampel-Vertreter hatten sich bereits dazu geäußert, wie frei werdende Gelder genutzt werden könnten. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will die zunächst nicht benötigten Subventionen nutzen, um die Löcher im Haushalt zu stopfen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will genau dies verhindern und die Mittel im Klimafonds KTF halten. Die Intel-Gelder stünden nicht dem Kernhaushalt zur Verfügung, hieß es aus seinem Ministerium.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kritisierte die beiden Minister dafür, eine solche Debatte begonnen zu haben. "Das ist überhaupt kein geeigneter Anlass, jetzt in einen Streit über die Verwendung der nicht benötigten Mittel aus dem Klima- und Transformationsfonds zu verfallen", so der Politiker. "Die Minister Habeck und Lindner sollten nicht den Eindruck erwecken, dass sie das Thema für haushalterisches Fingerhakeln auf dem Rücken von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nutzen", fügte Mützenich hinzu. "Im Gegenteil brauchen wir eine kluge Wirtschaftspolitik, die Investitionsentscheidungen für neue Arbeitsplätze schafft oder die deren Erhalt sichert."
Der kriselnde Chipkonzern Intel hatte den Bau seines 30 Milliarden Euro teuren Werks in Magdeburg auf Eis gelegt. Das Projekt werde voraussichtlich um zwei Jahre verzögert, teilte Firmenchef Pat Gelsinger gestern mit. Ursprünglich war der erste Spatenstich für dieses Jahr angepeilt, der Produktionsbeginn war für 2027 oder 2028 erwartet worden. Dabei sollten etwa 3.000 Arbeitsplätze entstehen. Intel kämpft mit Verlusten und leitete kürzlich ein umfassendes Sparprogramm ein.
Mützenich sagte, die Entscheidung von Intel sei keine gute Nachricht. Die Regierung habe viel dafür getan, dass Intel eine für das Unternehmen und für Deutschland kluge Zukunftsinvestition tätige. "Ich bin enttäuscht, dass wieder einmal Managementfehler dazu führen, dass auf Kosten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zumindest vorerst keine Arbeitsplätze geschaffen werden", sagte der SPD-Fraktionschef. Das Wirtschaftsministerium sieht den Chipkonzern am Zug, seine Krise so schnell wie möglich zu bewältigen. "Jetzt liegt es aber bei Intel, schnell wieder auf einen Pfad zu kommen, der die Investitionen ermöglicht", teilte das Ministerium mit.
Ökonomen wollen Geld für Steuerreform nutzen
Mehrere Volkswirte fordern derweil die Umwidmung der Milliarden für eine Steuerreform. "Makroökonomisch wäre es in der jetzigen Lage richtig, die Mittel für zusätzliche Investitionen oder Investitionsanreize, etwa über Steuergutschriften, zu verwenden", sagte der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, der Nachrichtenagentur Reuters. Ähnlich äußerte sich Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Dem Industriestandort sei viel mehr gedient, wenn sich die Standortfaktoren für alle Unternehmen inklusive kleiner und mittelständischer verbessere.
"Daher sollten die eingesparten Intel-Milliarden nicht für neue industriepolitische Fantasien ausgegeben werden", betonte der Finanzexperte. "Viel besser angelegt wäre das Geld als Grundstock für eine investitionsfreundliche Steuerreform, von der alle Unternehmen profitieren, auch die soliden, die nicht im kurzatmigen Licht der politischen Aufmerksamkeit stehen." Das spreche dafür, das Geld in den allgemeinen Haushalt zu geben - aber nicht um Löcher zu stopfen, sondern um dort eine echte Wachstumspolitik zu finanzieren.