Interview mit Energie-Experten "BP wird die Ölkatastrophe überleben"
Die Ölpest im Golf von Mexiko kommt BP teuer zu stehen. Der Konzern hat einem Hilfsfonds in Höhe von 20 Milliarden Dollar zugestimmt. Konzernchef Hayward räumte eine "beispiellose Serie von Fehlern" ein. Derweil kündigte sein Konzern an, den Aktionären vorerst die Dividende zu streichen. tagesschau.de hat mit dem Analysten Norbert Kalliwoda über die finanzielle Situation von BP gesprochen.
tagesschau.de: BP will 20 Milliarden Dollar in einen Hilfsfonds einzahlen - was bedeutet das für einen Großkonzern wie BP?
Norbert Kalliwoda: Das ist in der Tat viel Geld. Man muss allerdings bedenken, dass BP in den letzten zwei Jahren 20 Milliarden Dollar allein an Dividende gezahlt hat. Insofern - 20 Milliarden Dollar schmerzen, aber BP kann das bewältigen. Wenn Sie sich die Zahlen von BP angucken, wird dies deutlich: Wir schätzen, dass BP in diesem Jahr 290 Milliarden Dollar Umsatz macht. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern lag 2009 bei 22,5 Milliarden Dollar, wir gehen für dieses Jahr sogar von 27 Milliarden Dollar aus. Andere Schätzungen sagen sogar 30 Milliarden Dollar Gewinn vor Steuern und Zinsen voraus. In finanzieller Hinsicht kann sich BP eine solche Ölkatastrophe also leisten. Die BP wird ihr Leben fortsetzen.
tagesschau.de: Wo läge die Schmerzgrenze für BP?
Kalliwoda: 40 Milliarden Dollar wäre die Schmerzgrenze, wegen der Refinanzierungskosten. Die würden steigen, weil die Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit von BP schlechter bewerten würden. 40 Milliarden Dollar wären für BP kritisch, aber auch noch nicht so, dass man das Unternehmen zerschlagen müsste. Eine Zerschlagung halte ich für unwahrscheinlich.
tagesschau.de: Warum?
Kalliwoda: BP hat eine erstaunlich gute Lobby. Einige britische Minister haben bekundet, dass BP für die britische und für die amerikanische Wirtschaft außerordentlich wichtig sei. Man wird versuchen, BP nicht untergehen zu lassen.
tagesschau.de: Wie wichtig ist BP für die Weltwirtschaft, auch im Vergleich mit anderen Ölkonzernen?
Kalliwoda: BP hat einen Börsenwert von rund 100 Milliarden Dollar und gehört von den Liefermengen her zu den Top Ten. Die Firma spielt eine gewichtige Rolle, vor allem wegen der Lieferverbindungen zu Großbritannien und den USA.
tagesschau.de: Wird es nach der Katastrophe mit der "Deepwater Horizon" wirtschaftlich bleiben, in der Tiefsee nach Öl zu bohren?
Kalliwoda: Ja. Sie dürfen nicht vergessen: Die Gewinner dieser Katastrophe sind die Dienstleister wie zum Beispiel Schlumberger und Halliburton. Die profitieren von den Notoperationen, die im Moment laufen. Es wird so sein, dass man die Bohrplattformen an anderen Stellen platziert. Ich bin der Meinung, dass man Tiefseebohrungen weiter betreiben wird. Es sei denn, der Ölpreis würde stark fallen. Dann würde man seismisch komplizierte und tief unter dem Meer liegende Reserven nicht mehr anbohren.
tagesschau.de: Wäre das angesichts der offenbar unkalkulierbaren Risiken nicht sowieso ökonomisch sinnvoller?
Kalliwoda: Tiefseebohrungen haben schon ihren Sinn. Die Quellen sind teilweise sehr, sehr groß und nachhaltig. Wenn Testbohrungen ergeben, dass man Millionen oder Milliarden an Fässern fördern kann, wird man weiter unter dem Meer bohren. Nur werden die Auflagen komplizierter. Und die Ausgaben für Sicherheitsmaßnahmen werden steigen.
tagesschau.de: Wird die Ölförderung auf dem Meer also insgesamt teurer? Müssen am Ende die Verbraucher einen höheren Ölpreis zahlen?
Kalliwoda: Ja, das kann man so sagen. Die Förderung auf See macht schon einen Großteil der gesamten Ölproduktion aus. Von der Logik her müsste der Ölpreis also steigen.
tagesschau.de: Warum ist das Image von BP in der Bevölkerung nicht so schlecht wie das von Shell, als der Konzern 1995 die Öllager-Plattform "Brent Spar" versenken wollte?
Kalliwoda: Ich glaube,viele Leute verstehen, dass die Bohrungen in der Tiefe sehr kompliziert sind. Und es herrscht offenbar die Meinung, dass so etwas wie jetzt im Golf von Mexiko schon mal passieren kann. Man muss abwarten, wie BP die gegebenen Reputationsschäden bewältigen kann. Als Beispiel lässt sich Exxon Valdez nennen. Hier hat es viele Jahre gedauert um einen ähnlichen Imageschaden zu bereinigen. Zudem darf man nicht vergessen: Im Fall BP haben die US-Behörden die Bohrung an sich ja zugelassen.
tagesschau.de: Liegt da möglicherweise ein Ansatzpunkt für BP, einen Teil der Verantwortung abzuwälzen?
Kalliwoda: Meine persönliche Meinung ist, dass BP Schuld hat. Im Öl- und Gasgeschäft ist es so, dass der Operateur die Verantwortung trägt. Er muss fortlaufend prüfen, ob bei den Bohroperationen etwas schiefläuft. Ein Unternehmen wie BP rechnet auch damit, dass es in so einem Fall mindestens 20 Milliarden Dollar zahlen muss.
Das Interview führte Klaus Müßigbrodt, tagesschau.de