Wirtschaftsfolgen der Katastrophe in Japan G7-Länder schwächen Yen
Die Börsen auf Talfahrt, der Yen im Höhenflug - die japanische Wirtschaft steckt, nicht erst seit dem Erdbeben und der Atomkrise, in massiven Schwierigkeiten. Die G7-Staaten helfen dem Partnerland nun auf ungewöhnliche Weise: Sie schwächen den Yen - mit Absicht.
Von Alex Jakubowski, Hessischer Rundfunk
Ökonomendeutsch kann so nüchtern sein: Die Analysten der Deka-Bank in Frankfurt unterscheiden mittlerweile zwischen "konventionellen" und "unkonventionellen Naturkatastrophen". Das Beben in Japan mit seinen Folgen für das Atomkraftwerk in Fukushima gehört zum noch nie da gewesenen Szenario der "unkonventionellen Katastrophen": eine Naturkatastrophe mit Folgen für die Atomanlage.
Bei der "konventionellen Katastrophe" wirkt sich das Unglück auf ein ganzes Jahr gesehen kaum aus. Schon nach wenigen Wochen greift der Wiederaufbau und die Produktion kommt ins Rollen. Im unkonventionellen Fall aber dauert dieser Prozess länger. "In der zweiten Jahreshälfte wird man erst spüren, dass es wieder voran geht" sagt Ulrich Kater, der Chefvolkswirt der Deka-Bank. Trotzdem: Insgesamt dürften die Folgen vor allem auf Japan begrenzt bleiben. "Nur zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) wird in den betroffenen Regionen erwirtschaftet", so Kater weiter. Andere Analysen gehen sogar von noch weniger Anteil am BIP aus.
Analysten: "Wirtschaftliche Auswirkungen verkraftbar"
Zwar ist Japan die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, das Land hat aber nur einen fünfprozentigen Anteil am Welthandel, stellt die Commerzbank fest. "Die direkten Auswirkungen der Katastrophe in Japan auf den Rest der Welt scheinen verkraftbar", heißt es in der Wochenanalyse der Bank. Trotz der enormen Überschuldung des Landes wird die japanische Regierung den Wiederaufbau voran treiben und damit seine Neuverschuldung ausweiten. "Zwei bis drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sind für die Aufräumarbeiten nötig. Das ist aber finanzierbar", schätzt Kater ein.
Die wirtschaftlichen Verflechtungen Japans mit dem Rest der Welt sind insgesamt überschaubar. Sie gehen vor allem in Richtung China, Korea, Thailand und Singapur. 30 Prozent des Handels führt Japan mit diesen Ländern, so die Experten bei HSBC. Eine Unterbrechung der Lieferketten sehen die Volkswirte daher auch eher im asiatischen Raum. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen dort ein Problem beim Lagerbestand hätten, so Stefan Schilbe, der Chefvolkswirt der Bank.
Kaum Lieferengpässe in Deutschland erwartet
Die ökonomischen Beziehungen zu Deutschland sind im Vergleich dazu verschwindend gering. Nur rund ein Prozent der deutschen Exporte geht nach Japan, knapp drei Prozent der Importe kommen von dort. Kurzfristig erwarten Marktbeobachter bei uns also keine Lieferengpässe oder Versorgungsschwierigkeiten.
Auch wenn die Weltwirtschaft nicht ernsthaft erschüttert wird: In den von Beben und Tsunami betroffenen Regionen ist der Rückgang der Produktion natürlich spürbar. "Fünf Fabriken von uns sind bis Sonntag geschlossen", bestätigt etwa Alexander Heinztel, Pressesprecher von Honda Deutschland in Offenbach. Aus Sicherheitsgründen und um Strom zu sparen stehen die Fließbänder still. "17.000 Autos und rund 2000 Motorräder werden diese Woche weniger gebaut", sagt Heinztel, "ich glaube aber nicht, dass wir in Deutschland Lieferprobleme bekommen werden." Jedenfalls dann nicht, wenn die Betriebe nicht längerfristig geschlossen bleiben.
Yen ist auf dem höchsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg
An den Finanzmärkten sorgt die Katastrophe für Turbulenzen beim Yen. Die japanische Währung erreichte gegenüber dem US-Dollar den höchsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg, obwohl die Wirtschaft des Landes stark getroffen ist.
Der Anstieg auf Rekordniveau im Vergleich zum Dollar hatte nach Analystenmeinung vor allem zwei Ursachen: Zum einen die sogenannte Repatriierung, also das Zurückholen der Währung aus dem Ausland. Die Commerzbank geht davon aus, dass vor allem japanische Versicherungsunternehmen einen erheblichen Teil ihrer auf ausländische Währung lautenden Aktive zurückführen, um genügend Geld zur Deckung der katastrophenbedingten Aufwendungen zu beschaffen. Bei HSBC Trinkaus sieht man zudem in Spekulationen auf den Währungskurs einen Auslöser für den Kurssprung.
Größtes Risiko für die Wirtschaft bleibt Fukushima
Um einen weiteren Anstieg des Yen zu verhindern, haben die Weltmächte jetzt Japan unter die Arme gegriffen. In einer seit einem Jahrzehnt einmaligen konzertierten Aktion beschlossen die übrigen G7-Staaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, USA und Kanada, die japanische Währung in großem Stil zu schwächen, Yen zu verkaufen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Und die Aktion zeigte Wirkung: Der Yen verlor an Wert.
Der erste Schritt zur Normalisierung, zumindest an den Finanzmärkten. Analysten aber schauen kritisch auf die Aufräumarbeiten und das Anlaufen der Produktion in den Krisengebieten. Geht es nach den Berechnungsmodellen der Experten, ist die Katastrophe aus wirtschaftlicher Sicht in absehbarer Zeit überwunden. Noch kritischer aber sehen sie den Zustand des Atomkraftwerks in Fukushima. Denn sollte es zu einer nuklearen Katastrophe kommen, die den Ballungsraum Tokio beträfe, hätten sich alle bisher berechneten Szenarien erledigt.