Arbeitsrecht in den Kirchen Konfession darf nicht immer Pflicht sein
Die Kirche darf bei der Jobvergabe die Konfession nicht pauschal zur Grundvoraussetzung machen. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Worauf basiert das Urteil und welche Folgen hat es?
Worum geht es?
Vera Egenberger gehört keiner Konfession an. Sie ist sicher, dass sie genau deshalb im Jahr 2012 eine Referentenstelle bei der Diakonie nicht bekommen hat. Das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung hatte befristet eine Position ausgeschrieben, bei der es darum ging, einen Bericht zur Umsetzung der UN-Antirassismus-Konvention zu erstellen. Die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche war in der Ausschreibung als Einstellungskriterium vorausgesetzt.
Als die Sozialpädagogin Egenberger die Stelle nicht bekam, klagte sie auf eine Entschädigung und berief sich dabei auf das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG). Der Fall ging durch die Instanzen bis vor das Bundesarbeitsgericht. Weil hinter dem AGG auch Europarecht steht, hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Der hatte die Position der Klägerin gestärkt. Das Urteil des BAG setzt diese Entscheidung des EuGH nun um.
Die Berlinerin Vera Egenberger bekam mit ihrer Klage gegen die Diakonie Recht.
Was ist der rechtliche Hintergrund?
Die christlichen Kirchen sind in Deutschland nach dem Staat der größte Arbeitgeber. Insgesamt arbeiten für sie fast anderthalb Millionen Menschen. Arbeitsrechtlich haben die Kirchen aber eine Sonderstellung: Ein Selbstbestimmungsrecht, das im Grundgesetz verankert ist und noch auf die Weimarer Reichsverfassung zurückgeht. Das Bundesverfassungsgericht hat das in mehreren Urteilen bestätigt.
So durften die Kirchen bisher etwa frei bestimmen, ob für Anstellungen die Mitgliedschaft in einer Kirche vorausgesetzt wird. Genau das ist der Kernpunkt des aktuellen Verfahrens.
Zwar erlaubt das deutsche Recht im Prinzip eine Ungleichbehandlung wegen der Religion. Allerdings nur, wenn die jeweilige Religion "unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft (…) nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt". Im EU-Recht gibt es eine ähnliche Vorschrift, die sagt, dass die Kirchenmitgliedschaft eine "wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Religionsgemeinschaft" sein müsse.
Für welche Jobs das gelten soll, konnten die Kirchen in Deutschland bisher selbst entscheiden. Das hat der EuGH im April anders gesehen: Gerichte müssten kontrollieren können, ob die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Glaubensgemeinschaft für den konkreten Job wirklich erforderlich ist. Und zwar am Maßstab des EU-Rechts. Es kann also überprüft werden: Ist für die Tätigkeit tatsächlich die Mitgliedschaft in der Kirche erforderlich?
Welche Folgen hat das Urteil?
Die unmittelbare Folge: Die Diakonie muss Egenberger eine Entschädigung von rund 3900 Euro zahlen, weil diese aufgrund ihrer Konfessionslosigkeit benachteiligt wurde. Aber über den Einzelfall hinaus hat die Entscheidung auch weitreichende Konsequenzen: Wenn Kirchen künftig bei der Besetzung von Stellen nur Bewerber berücksichtigen wollen, die auch Mitglied in der Kirche sind, müssen sie das "gerichtsfest" machen. Das bedeutet, sie müssen genau begründen können, warum die Kirchenmitgliedschaft so wichtig ist. Können Sie das nicht, dann müssen sie im Ergebnis wohl für die konkrete Stellenausschreibung auf dieses Kriterium verzichten. Rechtlich ist das ein Paradigmenwechsel.
Natürlich können die Kirchen bei bestimmten Stellen weiterhin von Bewerbern die Mitgliedschaft in der Kirche verlangen. Wenn man etwa an Stellen in der Seelsorge oder der Glaubensverkündung denkt, ist das sicher objektiv nachvollziehbar. Bei anderen Stellen, etwa in der Verwaltung könnte es anders sein. Die Gestaltungsfreiheit der Kirchen wird im Ergebnis durch das Bundesarbeitsgericht eingeschränkt.
Ist das heutige Urteil das letzte Wort?
Die Diakonie will prüfen, ob sie gegen diese Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht vorgeht. Sollte das passieren, dürfte es spannend werden zu sehen, wie Karlsruhe den Fall sieht. Bisher haben die Verfassungsrichter nämlich das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen im Arbeitsrecht immer wieder bestätigt. Das aktuelle Urteil geht in eine andere Richtung. Es könnte also zu einem Konflikt zwischen Bundesverfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof kommen.