KPMG-Studie Skeptischer Blick von ausländischen Investoren
Ausländische Investoren bewerten den Standort Deutschland schlechter als bisher. Vor allem die Bürokratie wird in einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG bemängelt. Traditionelle Stärken wurden skeptischer beurteilt.
Internationale Investoren sehen den Standort Deutschland im internationalen Vergleich nur noch im Mittelfeld. Energiewende, Digitalisierung, Aufrüstung und Infrastruktur eröffneten internationalen Unternehmen zwar große Geschäftschancen, aber "alle Standortfaktoren verschlechtern sich mit zunehmender Dynamik", schrieb die Beratungsgesellschaft KPMG in einem Bericht.
Die Wirtschaftsprüfer hatten von September bis Dezember 350 Finanzvorstände deutscher Tochtergesellschaften internationaler Konzerne befragt.
Bürokratie, Energiekosten, Digitalisierung mangelhaft
Als größte Investitionshindernisse wurden überbordende Bürokratie (61 Prozent) und hohe Energiekosten (57 Prozent) genannt, gefolgt von mangelhafter Digitalisierung, Regulierungsvorgaben für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung und fehlender Technologieoffenheit (31 Prozent).
Die besten Bewertungen erhält der Wirtschaftsstandort für die zentrale Lage in Europa (79 Prozent). Auch der Lebensstandard, die öffentliche Sicherheit, die politische Stabilität und die Forschungslandschaft sehen die Befragten als traditionelle Stärken des Standorts, bewerten sie allerdings deutlich skeptischer im Vergleich zu früheren Umfragen.
Überwiegend schlechtere Noten als zuletzt
So zählen nur noch 58 Prozent der Befragten Deutschland zu den fünf stabilsten EU-Ländern (2021: 80 Prozent), 13 Prozent Deutschland jedoch zu den fünf instabilsten EU-Ländern. Und nur noch 43 Prozent sehen die deutsche Forschungslandschaft unter den Top Fünf in der EU (2017: 64 Prozent). Auch für Arbeitsproduktivität (Minus 17 Prozentpunkte), innovationsfreundliches Umfeld (Minus acht Prozentpunkte) und logistische Infrastruktur (Minus 16 Prozentpunkte) gab es schlechtere Noten als 2021.
Bei der Verfügbarkeit von Fachkräften und hoch qualifizierten Arbeitskräften sehen laut KPMG 23 Prozent der Befragten Deutschland unter den fünf besten EU-Standorten, 21 Prozent unter den fünf schlechtesten. Mit dem Renteneintritt der Babyboomer wäre eine Zuwanderung von 500.000 qualifizierten Arbeitskräften pro Jahr nötig, um den Fachkräftemangel auszugleichen. "Aber viele der Zuwanderer fassen im Arbeitsleben nicht Fuß oder verlassen das Land schnell wieder", sagte KPMG-Bereichsvorstand sagt Andreas Glunz. Notwendig wäre eine integrations-, produktivitäts- und bedarfsorientierte Einwanderungspolitik.
"Zu lange von der Substanz gelebt"
Im KPMG-Standort-Index, in den 23 Standortfaktoren einfließen, "rutscht die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt im EU-Vergleich zunehmend ins Mittelfeld ab", heißt es in dem Bericht. Auf einer Skala von Plus bis Minus 10 erreiche Deutschland aktuell noch einen Wert von Plus 1,2. Dies entspricht einer Halbierung gegenüber dem Wert von 2021 (Plus 2,4). 2017 lag der Wert noch bei Plus 3,1.
"Wir haben zu lange von der Substanz gelebt und wichtige Reformen vernachlässigt", erklärt Glunz. Aktuell schätze fast jeder zweite internationale Finanzvorstand andere Länder und Regionen als wachstumsstärker ein und wolle in den kommenden fünf Jahren vorrangig dort investieren.
DIHK: Deutsche Firmen investieren im Ausland - Kosten
Auch die deutsche Industrie investiert immer stärker im Ausland. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) unter rund 1.900 Unternehmen.
35 Prozent der Firmen mit Investitionsplänen im Ausland nannten Kostenersparnisse als ihr Hauptmotiv. "Einen solch hohen Wert gab es zuletzt im Jahr 2008", sagte Ilja Nothnagel, Mitglied der DIHK-Hauptgeschäftsführung. Bei kleineren Unternehmen mit weniger als 200 Beschäftigten sei der Anteil noch etwas höher. "Das ist leider eine Reaktion auf die sich verschlechternden wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen im Land."
Langfristig investieren weniger Unternehmen im Ausland
Deutschland habe strukturelle Probleme, die die Regierung angehen müsse. Aber auch das Auslandsgeschäft brummt vielfach nicht. Die Investitionsbudgets seien überschaubar. Insgesamt wollen der Umfrage zufolge nur 42 Prozent der Firmen im Ausland investieren, etwas mehr als im Vorjahr, aber im langfristigen Vergleich ein eher unterdurchschnittlicher Wert. Bei der Ausweitung bestehender Auslandsinvestitionen ist auch Vorsicht erkennbar. Nur noch 30 Prozent (Vorjahr: 31) planen Aufstockungen der entsprechenden Budgets. Hingegen planten 23 Prozent (Vorjahr: 18) Kürzungen.
Eigentlich seien Auslandsinvestitionen immer auch dem Standort Deutschland zugutegekommen, sagte Nothnagel. "Doch das Blatt ist dabei, sich zu wenden: Immer mehr Betriebe investieren mittlerweile im Ausland, weil für sie der Standort Deutschland zu teuer und kompliziert ist. Die wandern auf Kosten des Standorts Deutschland ab."
Asien gewinnt an Bedeutung
Dabei gewinne der asiatisch-pazifische Raum - ohne China - weiter an Bedeutung. Gleiches gelte für die Türkei und den ost- und südosteuropäischen Raum außerhalb der EU. In Nordamerika und China bleibt das Engagement im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert hoch.
Die Eurozone sei zwar weiter die wichtigste Zielregion für deutsche Unternehmen, verliere aber etwas an Bedeutung. Bei den USA spielt laut DIHK das riesige Subventionsprogramm für mehr Klimaschutz nicht die Hauptrolle, eher der große Markt gepaart mit Planungssicherheit und kauffreudigen Konsumenten.