Hohe Inflation Europaweit große Reallohnverluste
Die enorme Teuerung führt in vielen EU-Staaten dazu, dass Beschäftigte spürbar weniger Geld in der Tasche haben. Eine neue Studie zeigt, wie empfindlich die Einbußen durch steigende Preise ausfallen könnten.
Durch die hohe Inflationsrate sind einer Studie zufolge in diesem Jahr in allen EU-Ländern deutliche Reallohnverluste für Beschäftigte wahrscheinlich. Die Untersuchung wurde vom gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung durchgeführt. Danach dürfte die Entwicklung der effektiven Bruttolöhne EU-weit um 2,9 Prozent niedriger sein als die Preissteigerungen. "Ein in den vergangenen Jahrzehnten einmaliger Vorgang", lautet das Fazit der Studie.
Droht eine Lohn-Preis-Spirale?
Auch in Deutschland drohe ein Reallohnverlust in dieser Größenordnung. Die Gefahr einer sogenannten Lohn-Preis-Spirale sehen die Autoren nicht, da es nach wie vor eine Lohnzurückhaltung gebe: "Anzeichen für eine sich überhitzende Lohndynamik, die ihrerseits die Inflation verstärken könnte, gibt es angesichts einer weiterhin verhaltenen Entwicklung der Nominallöhne hingegen nicht."
Laut Daten der EU-Kommission sind die Reallöhne in Deutschland im vergangenen Jahr lediglich um 3,4 Prozent geklettert. Das Lohnplus liegt also deutlich unterhalb der allgemeinen Preissteigerung. Für das laufende Jahr zeichnet sich danach für Deutschland gesamtwirtschaftlich eine ähnliche Entwicklung ab. Und auch das EU-weite Wachstum der Nominallöhne dürfte mit voraussichtlich 3,7 Prozent "moderat bleiben".
Hohe Ausschüttungen an Aktionäre
Gleichzeitig verzeichneten viele Unternehmen hohe Gewinne und schütteten Milliarden an Dividenden aus. Das laufende Jahr könnte damit von einer Umverteilung zulasten der Beschäftigten geprägt sein, wie die Studienautoren Malte Lübker und Thilo Janssen schreiben. Dies führe zu einem höheren Anteil der Unternehmens- und Vermögenseinkommen am Volkseinkommen.
Vor diesem Hintergrund seien hohe Lohnforderungen in Branchen mit guter Gewinnentwicklung durchaus berechtigt und für die Unternehmen auch zu verkraften. Sowohl für Deutschland als auch die Europäische Union ergebe sich ein gesamtwirtschaftliches Potenzial für Lohnsteigerungen von etwa sechs Prozent.
Auch dem Staat komme derzeit eine besondere Verantwortung dafür zu, die sozial- und verteilungspolitischen Auswirkungen der Inflation abzufedern, so die Forscher. Dies könne indirekt den Erwartungsdruck auf die Tarifparteien abmildern.