Interview mit ver.di-Vorstandsmitglied Schröder Was erwartet die Telekom-Kunden?
Längere Wartezeiten, weniger Service - darauf müssen sich Telekom-Kunden seit heute einstellen. Der Streik könne jedoch schnell beendet werden, sagt Lothar Schröder vom ver.di-Bundesvorstand im tagesschau.de-Interview. Dafür müsse die Telekom aber einlenken, statt ihre Mitarbeiter weiter einzuschüchtern.
Rund 96,5 Prozent der ver.di-Mitglieder haben für einen Streik bei der Telekom gestimmt. Damit droht dem Konzern der größte Arbeitskampf seit der Privatisierung vor zwölf Jahren. Tagesschau.de sprach mit Lothar Schröder vom ver.di-Bundesvorstand über die möglichen Auswirkungen.
tagesschau.de: Ver.di hat angekündigt, die Telekom-Kunden würden die Auswirkungen des Streiks deutlich spüren. Was haben sie denn zu erwarten?
Lothar Schröder: Längere Wartezeiten, bis ihre Wünsche befriedigt werden. Da wir die Leistungen mit weniger Menschen erbringen, wird alles etwas langsamer gehen, wir können den Kundenservice nicht in der herkömmlichen Qualität anbieten.
Auch G8-Gipfel könnte unter Arbeitskampf leiden
tagesschau.de: Auch der G8-Gipfel in Heiligendamm könnte von dem Streik betroffen sein, heißt es. Müssen die Gipfelteilnehmer mehr Angst vor ver.di als vor möglichen Randalierern haben?
Schröder: Ver.di muss man überhaupt nicht fürchten. Der G8-Gipfel findet in einer Region statt, in der die Telekommunikations-Infrastruktur stark ausgebaut wird. Natürlich würden die Ausbauplanungen darunter leiden, wenn wir diese Regionen mit in den Arbeitskampf einbeziehen. Wenn das Unternehmen allerdings bereit ist, mit uns Notdienstvereinbarungen zu schließen, dann kann man über alles mögliche reden. Aber die Telekom muss dann auch aufhören, die Beschäftigten wegen ihrer Teilnahme am Streik zu bedrohen.
"Wildgewordene Teamleiter vor Ort"
tagesschau.de: Wie stehen Sie zu den Behauptungen der Telekom, der Streik sei rechtswidrig?
Schröder: Die Stimmen, die sagen, der Arbeitskampf sei rechtswidrig, werden jetzt leiser. Dafür hören wir vor Ort von wildgewordenen Teamleitern, die den einzelnen Beschäftigten sagen: "Du musst um Deine Zukunft bangen, wenn Du Dich an einem Streik beteiligst.“ Das Signal der Urabstimmung macht aber deutlich, dass sich die Beschäftigten von diesen Initiativen nicht beeindrucken lassen.
tagesschau.de: Offensichtlich will die Telekom die Lücken, die durch den Streik entstehen, mit Telekom-Beamten und Leiharbeitern besetzen. Könnte das Auswirkungen auf den Streik haben?
Schröder: Das könnte Auswirkungen haben, wenn es funktionieren würde. Aber Beamte dürfen nach deutscher Rechtsprechung nicht als Streikbrecher eingesetzt werden. Diese Rechtsprechung werden wir notfalls einfordern. Auch bei den Leiharbeitnehmern gibt es ein Hemmnis, das der Telekom Schwierigkeiten machen wird: Die großen Leiharbeitsfirmen in Deutschland haben ihren Tarifvertrag unter dem Dach des Deutschen Gewerkschaftsbundes abgeschlossen und sind tariflich gebunden, keinen Streikbrecher-Einsatz zu machen.
Hoffnung auf ein schnelles Streik-Ende
tagesschau.de: Wie lange wird der Streik Ihrer Einschätzung nach dauern?
Schröder: Wir machen den Streik nicht um seiner selbst willen, deshalb hoffe ich, dass wir ihn schnell wieder beenden können und dass das Management zur Einsicht kommt. Es gab Tarifauseinandersetzungen in Deutschland, in denen schon das Ergebnis einer Urabstimmung ausgereicht hat, um Unternehmen von einer falschen Haltung abzubringen. Das kann ich mir durchaus auch bei der Telekom vorstellen. Das Telekom-Management muss nun ein verändertes Angebot auf den Tisch legen.
tagesschau.de: Schneiden sich die Telekom-Mitarbeiter mit dem Streik nicht auch ins eigene Fleisch? Immerhin hat der Konzern in der Festnetzsparte schon 1,5 Millionen Kunden verloren.
Schröder: Dieses Argument bemüht jedes Unternehmen, wenn es darum geht, einen Arbeitskampf abzuwenden. Wir haben dem Telekom-Management gesagt, dass wir ihm die Hand reichen in allen Bereichen, in denen es darum geht, den Kundenservice zu verbessern. Aber nicht beim Griff in die Geldbeutel der Beschäftigten. Schließlich will ein Kunde von zufriedenen und motivierten Mitarbeitern bedient werden und nicht von Menschen, die in ihrer Existenz bedroht sind.
Die Fragen stellte Carolin Ströbele, tagesschau.de