Interview mit Autoexperte Dudenhöffer "Opel ist mit zu großen Kapazitäten unterwegs "
Wieviele Stellen fallen bei Opel weg? Wie sehen die Pläne der US-Konzernmutter General Motors (GM) aus? tagesschau.de sprach mit dem Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer über die Krise bei Opel. Seiner Meinung nach muss GM in Europa Überkapazitäten von 300.000 Fahrzeugen pro Jahr abbauen. Dudenhöffer, Direktor des Center of Automotive Research (CAR) an der Fachhochschule Gelsenkirchen, sieht zudem ineffiziente Werke in Antwerpen und Bochum bedroht.
tagesschau.de: Dem europäischen Arm von General Motors (GM) steht die härteste Sanierung in seiner 80-jährigen Geschichte bevor. Was ist bei Opel schief gelaufen?
Dudenhöffer: Es sind Management-Fehler gewesen, die sechs, sieben, acht Jahre zurückliegen. Das Produkt ist vernachlässigt worden. Dies hat bei Kunden für Verärgerung gesorgt. Es gab Qualitätsmängel und die Fahrzeuge waren nicht so vielfältig und attraktiv. Und auf diese Schludrigkeit hat der Markt relativ schnell reagiert. Die Kunden haben Opel schnell den Rücken gekehrt. Das Unternehmen verlor Käufer und Marktanteile.
tagesschau.de: Hat GM den Markt in Europa falsch eingeschätzt?
Dudenhöffer: In der Züricher Zentrale hat man sicherlich den Markt und auch Europa nicht richtig wahrgenommen. Es wurde sehr spät erkannt, dass es bei Opel zu große Kapazitäten gibt und man hat das Saab-Problem nicht rechtzeitig erkannt.
tagesschau.de: Wie wird GM jetzt, Ihrer Meinung nach vorgehen?
Dudenhöffer: Es scheint sich abzuzeichnen, dass GM an allen Standorten reduzieren wird. Denn es gibt eine Überkapazität von über 300.000 Fahrzeugen und die muss abgebaut werden. Diese Überkapazität verursacht alleine auf der Kapitalkostenseite mindestens 200 Mio. Euro Kosten pro Jahr. Hinzu kommen hohe Kosten der Verkaufsförderung und Kostennachteile des Standorts Deutschland. Diese drei Kategorien addieren sich pro Jahr schon auf gut 600 Mio. Euro Zusatzbelastungen. Ohne das Zurückdrehen der Überkapazität kann GM in Europa nicht in die schwarzen Zahlen kommen.
tagesschau.de: Welche Möglichkeiten hat Opel, um aus der Krise zu kommen?
Dudenhöffer: Die Kapazitäten müssen abgebaut werden, die heutige gute Produktpolitik muss fortgesetzt werden und bei Saab muss aufgeräumt werden. Die heutigen Opel Produkte wie der Meriva, der Opel Astra, der Astra Caravan oder auch der Vectra sind von hervorragender Qualität. Die Ausrichtung stimmt.
tagesschau.de: Es wird bei Opel über Werksschließungen spekuliert. Welches Werk ist Ihrer Meinung nach gefährdet?
Dudenhöffer: Jedes Werk besitzt Vor- und Nachteile: Zum Beispiel hat Rüsselsheim den großen Nachteil, dass es ein sehr teures Werk in Bezug auf die Lohnkosten ist. Rüsselsheim hat aber den Vorteil, dass vor drei Jahren 750 Mio. Euro in ein nagelneues Werk investiert wurden. Das Saab-Werk in Schweden ist von der Logistik zwar ein bisschen abseits, hat aber den Vorteil, ein attraktiverer Lohnkostenstandort als Rüsselsheim zu sein. Bochum hat als ältestes Werk mit den hohen deutschen Kosten zu kämpfen und hat daher die schlechtesten Karten. Wenn man ein Werk schließen muss, dann das Ineffizienteste.
tagesschau.de: Welche sind das Ihrer Meinung nach?
Dudenhöffer: Bochum hat hier eine schlechte mittelfristige Position. Die Auslastung ist zwar mit dem Astra Caravan und dem Zafira sehr gut, als altes Werk genügt Bochum aber nicht den Anforderungen an beste Logistikabläufe. Das Szenario Schließung ist dabei kein Kurzfrist-Szenario, sondern nur mittelfristig bis längerfristig denkbar.
tagesschau.de: Steht Opel mit seinen Problemen auf dem deutschen Markt alleine da?
Dudenhöffer: Auch bei VW sind Fehler in der Modellpolitik gemacht worden. Bei VW ist das Problem, dass Piech (früher VW-Konzernchef, jetzt Aufsichtsratschef, Anm. d. Red.) zu viele Oberklassemodelle hat bauen lassen, also zu stark in Premium-Segmente abgedriftet ist. Zudem ist der Golf zu teuer geworden. Bei Opel sind die Fehler in der Produktpolitik jetzt ein wenig ausgemerzt worden.
Hinzu kommt aber, dass die Franzosen sehr stark geworden sind: Peugeot ist mit interessanten Modellen auf den Markt gekommen. Renault hat sehr viel in den Sicherheitsaspekt investiert. Ähnliches gilt für Toyota: Diese Hersteller haben bei den klassischen Massenherstellern geräubert und Marktanteile geholt.
Das Interview führte Kristina Görlitzer