Merkel auf Mongolei-Reise Arme Menschen, reiches Land
Angela Merkel besucht als erste Bundeskanzlerin die Mongolei. Das Land gehört zu den zehn Ländern mit den reichsten Bodenschätzen. Der Abbau hat gerade erst begonnen. Auch deutsche Firmen wollen dabei sein. Ein Milliarden-Abkommen zur Kohleförderung wurde unterzeichnet.
Von Ruth Kirchner, ARD-Hörfunkstudio Peking
Wenn ausländische Investoren das Wort Mongolei hören, dann bekommen sie leuchtende Augen. Schier unerschöpflich scheinen die Rohstoff-Reserven des dünn besiedelten Landes zwischen China und Russland. "Die Mongolei ist die spannendste Boom-Story in Asien", sagt Christopher Wood, Investmentberater bei CLSA in Hongkong. Aber das Land ist nichts für Angsthasen. Kohle, Kupfer, Gold, seltene Erden – die Mongolei hat alles. Unter Investoren herrscht daher Goldgräberstimmung.
14 Prozent Wirtschaftswachstum
Die Wirtschaft des Landes ist in der ersten Hälfte dieses Jahres um rund 14 Prozent gewachsen. "Das ist für jedes Land der Welt eine ziemlich hohe Zahl", sagt der Mongole Dale Choi, Investment-Stratege bei der Firma Frontier Securities in der Hauptstadt Ulan Bator. "Unsere Wirtschaft boomt – wegen des Bergbaus und den Auswirkungen auf andere Sektoren."
Doch der Abbau der Rohstoffe hat gerade erst begonnen. Und der wirtschaftliche Aufschwung hat bislang nur eine kleine Elite erreicht, die sich neue Autos und Häuser leisten kann. Ein Drittel der Menschen sei weiterhin bitterarm, sagt Jürgen Wellner, der für die Entwicklungshilfe-Organisation World Vision in Ulan Bator arbeitet. "Dem Land winkt eine glorreiche Zukunft, dem ärmsten Drittel der Bevölkerung nicht unbedingt", erklärt Wellner. "Die Wachstumszahlen sind enorm, ob der Wohlstand auch unten ankommt, ist eine Frage, die man eher skeptisch sehen sollte. In den letzten zehn Jahren ist das mongolische Bruttosozialprodukt sehr schnell angewachsen, aber die Armut bleibt dieselbe."
Ehemalige Nomaden leben in Armut
Die Armut ist in Ulan Bator vor allem in den Vororten zu sehen. Außerhalb des Zentrums mit seinen Plattenbauten aus sozialistischen Zeiten gruppieren sich Elendsviertel, in denen die Menschen in Jurten wohnen und von Gelegenheitsjobs leben. Die Hälfte der 2,8 Millionen Mongolen lebt heute in Ulan Bator. Viele sind ehemalige Nomaden, die in die Stadt gezogen sind, weil die Viehhaltung ihnen kein Auskommen mehr sichert – und weil sie den Anschluss an die Moderne suchen.
Doch Arbeitsplätze seien Mangelware, sagt Johannes Rey von der Konrad-Adenauer-Stiftung. "Die Armut kommt daher, dass in den letzten 20 Jahren keine Industrie aufgebaut werden konnte, und dass dieses Land im Grunde genommen nur von den Rohstoff-Erlösen lebt."
Rohstoffe werden meist exportiert
Für Ray ist das ein strukturelles Problem: "Momentan gibt es kein produzierendes Gewerbe, keine Sekundärindustrie. Diese Entwicklung muss parallel laufen, einerseits Rohstoffhandel, aber auf der anderen Seite muss versucht werden, dass man die Rohstoffe nicht nur exportiert, sondern auch selbst im Land verarbeitet." Die Regierung hat ehrgeizige Pläne, was die Entwicklung einer eigenen Industrie angeht. Doch dafür muss zunächst die Infrastruktur verbessert werden. Derzeit sind 90 Prozent der Straßen nicht geteert, das Eisenbahnnetz ist für das große Land völlig unzureichend.
Herausforderung: Von Russland und China abnabeln
All das soll sich in den nächsten Jahren ändern. Die Mongolei hofft, sich dabei auch von den mächtigen Nachbarn Russland und China abnabeln zu können. Ihre Zukunft will das Land auf Wirtschaftskontakten mit den USA, Europa, Japan und Südkorea aufbauen. Doch der Weg von einem isolierten Land der Nomaden zu einer modernen Rohstoff-Nation ist weit. Und wie der Reichtum des Landes unter den Menschen verteilt werden soll, das ist eine politische Frage, die noch lange nicht gelöst ist.