Landwirtschaft Bio in der Krise?
In Zeiten hoher Preise, in denen die Menschen sparen, haben es hochwertige Bio-Produkte am Markt nicht leicht. Dennoch steht die Branche besser da als gedacht.
3000 Hühner laufen auf der Wiese umher, picken mal hier, mal da. Mitten in dem Gewusel stehen gemütlich ein paar Alpakas, Minikamele mit Ursprung Südamerika. Die "Odenwälder Bioinsel" ist ein Ökobetrieb im Neckar-Odenwald-Kreis. Die guten Zeiten allerdings sind getrübt. Rund 1500 Eier pro Tag legen die Hühner hier insgesamt, die eingesammelt, nach Größe sortiert und abgepackt werden müssen. 50 Cent kostet ein Bio-Ei, fast doppelt so viel wie Eier aus Boden- oder Freilandhaltung.
"Der Kunde will wissen, wenn er einen Mehrpreis bezahlt und nicht das billigere Ei kauft, sondern wirklich das Bio-Ei aus der Region, dass das, was ihm versprochen wird, auch wirklich eingehalten wird, und dafür gibt er dann auch mehr Geld aus", sagt Landwirt Tobias Schiffmann. Für seinen Bruder und ihn ist das Geschäft mit den Eiern die Haupteinnahmequelle. Hier halten sich die Verluste im vergangenen Jahr noch im Rahmen. Der Absatz sei um 20 Prozent zurückgegangen.
Mehlprodukte mit Absatzrückgang
Bei anderen Produkten sieht es deutlich schlechter aus. So sei der Umsatz etwa bei Roggen-, Weizen- und Dinkelmehl um fast 40 Prozent zurückgegangen, berichtet Schiffmann. Auch die Bionudeln und -linsen laufen nicht mehr so gut. Diese packen sie hier noch per Hand ab und vertreiben sie über Supermarktketten, Lebensmittelautomaten und das Internet.
"Im Mehlbereich aber auch bei Linsen, Nudeln haben wir einen deutlichen Absatzrückgang, der uns auch geblieben ist und den wir nur kompensieren können, indem wir versuchen, zusätzliche Märkte zu generieren, mehr Märkte, mehr Läden, auch weitere Fahrstrecken noch in Kauf nehmen", so Schiffmann.
Naturkostladen schreibt rote Zahlen
Der Naturkostladen "Kornblume" bei Heidelberg bekommt regelmäßig Ware von der "Odenwälder Bioinsel". Der Inhaber hat im vergangenen Jahr erstmals rote Zahlen geschrieben. "Wir hatten den enormen Umsatzzuwachs in 2021, und in 2020, als Corona angefangen hat, da haben wir Rücklagen bilden können, die jetzt weggeschmolzen sind", sagt Inhaber Kay Eulenbach.
Damals hatten die Restaurants geschlossen, viele Kunden haben regionale Produkte gekauft, selbst gekocht. Im vergangenen Jahr schrumpfte nun der Bio-Markt zum ersten Mal in seiner Geschichte, vor allem Reformhäuser und reine Bio-Märkte bekamen das zu spüren.
Eulenbach fährt deshalb auf Sparflamme, hat eine freigewordene Stelle im Verkauf erst mal nicht neu besetzt. Außerdem will er noch stärker auf regionale Produkte setzen, um sich vom Angebot der Discounter deutlicher abzusetzen.
Krisen lassen Lebensmittelpreise steigen
Ukraine-Krieg, Energiekrise, Inflation: Die Preissteigerungen haben das Kaufverhalten verändert. Konsum- und Handelsexperte Robert Kecskes von der Gesellschaft für Konsumforschung sagt: "GfK-Daten zeigen, dass die Konsumenten daher kreativ werden und nach Strategien suchen, um weiterhin Bio-Produkte zu konsumieren, ohne damit ihre Haushaltsbudgets zu sprengen. Anstatt Bio-Produkte von teuren Herstellermarken zu kaufen oder zu Bio-Supermärkten zu gehen, weichen die Konsumenten auf günstigere Bio-Handelsmarken aus oder kaufen ihre Bio-Produkte beim Discounter ein."
Der Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) verweist darauf, dass Bio-Produkte allerdings besser gegen die Inflation gewappnet seien, und zwar "durch kurze, regionaler ausgerichtete Wertschöpfungsketten und eine ressourcenschützende Kreislaufwirtschaft, die keinen teuren, synthetisch erzeugten Stickstoffdünger oder Pestizide benötigt. Auch die hohe Verbindlichkeit im Bio-Markt durch längerfristige Verträge wirkt inflationsdämpfend", heißt es in einer Mitteilung. So zeige ein Vergleich der Verkaufspreise der Monate September bis November 2021 zum Jahr 2022, dass die Preisaufschläge bei konventionellen Produkten deutlich höher seien als bei Bio.
Mehr Absatzmärkte für Bio-Produkte schaffen
Florian Petrik hat bei Karlsruhe einen Landwirtschaftsbetrieb. Seine Eltern haben ihn schon vor 30 Jahren auf Bio umgestellt, bauen Kartoffeln und Gemüse an. Er kenne inzwischen das Auf und Ab am Markt. Dass der Corona-Boom bei Bioprodukten nicht auf Dauer anhalte, sei ihm klar gewesen. Er verkauft seine Produkte im eigenen Hofladen, beliefert den Naturkostfachhandel und den Einzelhandel. Im eigenen Hofladen habe er viel Stammkundschaft.
"Vergangenen Sommer gab es einen Rückgang, jetzt hat es sich im Hofladen wieder normalisiert", so Petrik. Den Rückgang im Naturkostfachhandel aber merke auch er. "Viele kaufen zwar Bio, aber im Discounter", meint Petrik. Das seien oft EG-Bio-Produkte und keine regionalen Produkte.
Großkantinen als neue Kunden für die Landwirte?
Es sei wichtig, neue Absatzmärkte zu finden, so Petrik. Er macht bei dem Projekt KA.WERT in Karlsruhe mit. Sandra Schmidt hat die Initiative gegründet, die von der Bundregierung gefördert wird. Schmidt will ein Netzwerk schaffen - auf der einen Seite die regionalen Biolandwirte und auf der anderen Seite regionale Gastronomie, kommunale Kantinen und der Einzelhandel. "Wir möchten es schaffen, dass die Gastronomiebetriebe und auch die Großküchen, die Mensen und Kantinen wirklich an signifikante Mengen von Bio-Gemüse und Kartoffeln kommen und das möglichst auch noch direkt von den Erzeugerinnen", so Schmidt.
Gerade in den großen Kantinen würden Bio-Lebensmittel direkt aus der Region noch keine große Rolle spielen. Denn auf dem Weg zu mehr Bio-Gemüse aus der Region gibt es noch viele Hürden. In der Kantine der Universität in Karlsruhe beispielsweise gehen täglich 6500 Essen raus. "In dieser Größenordnung ist es so, dass die Lebensmittel in Bezug auf Gemüse schon geschält angeliefert werden müssen, teilweise schon in gewisse Formen geschnitten, um die Anzahl von Essen zu produzieren", erklärt Claus Konrad vom Studierendenwerk in Karlsruhe. Daher will das neue Bio-Netzwerk nach Großbetrieben suchen, die das Gemüse der Bauern für Kantinen verarbeiten.
Optimistischer Blick in die Zukunft
Über eine solche Lösung würde sich Bio-Landwirt Petrik freuen. Für ihn ist das Netzwerk eine Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, neue Großkunden zu finden. "Wir müssen auf den Markt reagieren", meint er. Trotz des Nachfragerückgangs im vergangenen Jahr, schaut er optimistisch auf das neue Jahr.
Mit Blick in die Zukunft meint Konsum- und Handelsexperte Kecskes: "Bio-Lebensmittel sind im Mainstream angekommen, unter anderem auch durch die Ausweitung des Produktangebots in den letzten Jahren. Mittlerweile besteht der Bio-Markt aus vielen unterschiedlichen Produkten und unterschiedlichen Preisspannen. Wir gehen davon aus, dass der Trading-Down-Effekt anhalten und die Konsumenten auch weiterhin zu günstigen Bio-Alternativprodukten greifen werden. Während klassische Bio-Supermärkte also zu kämpfen haben werden, werden die Discounter ihre Marktanteile im kommenden Jahr weiter ausbauen."