US-Flugzeughersteller Boeing-Aktien tief im Minus
Der Abriss eines Kabinenteils bei einer Boeing 737 Max 9 löst neue Fragen nach Sicherheit und Qualität der Flugzeuge des US-Herstellers Boeing aus. An der Börse verlieren die Aktien des Konzerns mehr als acht Prozent.
Nach dem dramatischen Zwischenfall bei einer Boeing 737 Max 9 steht der US-amerikanische Flugzeugbauer Boeing auch an der Börse stark unter Druck. An der Wall Street verloren die Papiere des Konzern zum Handelsstart in den USA mehr als acht Prozent und fielen auf den tiefsten Stand seit November.
Damit droht Boeing mehr als 12,5 Milliarden Dollar an Marktwert zu verlieren. Auch die in Frankfurt notierte Boeing-Aktien stürzten heute ab und verloren zwischenzeitlich bis zu neun Prozent.
Grund für den heftigen Kursverlust der Boeing-Aktie ist der Abriss eines Kabinenteils samt Fenster während eines Fluges am Freitag bei einer Boeing 737 Max 9. Die Maschine musste kurz nach dem Start umkehren und landete rund 20 Minuten später in Portland. In der Folge verhängte die US-Aufsichtsbehörde FAA ein vorübergehendes Startverbot für Maschinen dieses Typs, weltweit zogen zahlreiche Airlines die Boeings aus dem Verkehr.
"Sicherheit hat oberste Priorität"
Auch die amerikanische Luftsicherung zog Konsequenzen aus dem Vorfall: Die FFA hatte am Wochenende angekündigt, es werde sofortige Inspektionen der Flugzeuge des Typs 737 Max 9 geben, die jeweils etwa vier bis acht Stunden in Anspruch nähmen. Die Analystin Sheila Kahyaoglu von der US-Investmentbank Jefferies schätzt, dass die Inspektionen für Boeing mit direkten Kosten von 1,7 Millionen Dollar verbunden sein dürften. Erst danach können die Jets, die von US-Fluggesellschaften betrieben werden oder auf amerikanischem Territorium unterwegs sind, wieder in Betrieb gehen. Weltweit geht es um 171 Flugzeuge.
Boeing erklärte nach der Ankündigung der FFA, man unterstütze die Entscheidung, die Flugzeuge für eine Sicherheitsprüfung am Boden zu lassen: "Sicherheit hat für uns oberste Priorität und wir bedauern zutiefst die Auswirkungen, die dieses Ereignis auf unsere Kunden und deren Passagiere hatte."
Fehler häufen sich
Bei Boeing folgt das Unglück auf eine Serie von Entwicklungs- und Produktionsfehlern. Immer wieder gab es bei der "Max" Probleme. So forderte Boeing Fluggesellschaften jüngst dazu auf, das System, das die Seitenruder der Max steuert, auf lose Schrauben zu überprüfen. Anfang 2023 waren bei einigen der Jets außerdem falsch gebohrte Löcher und unsachgemäße Beschläge festgestellt worden.
Und nun also ein herausgefallenes Seitenstück, dass anstelle eines Notausgangs in den Rumpf des Flugzeuges eingebaut worden war. "Diese Art von Ausfall sollte in keinem Flugzeug passieren, aber dass es bei einem drei Monate alten Flugzeug passiert, ist inakzeptabel", sagte Nick Cunningham, Analyst bei Agency Partners, der "Financial Times". "Das verstärkt den Eindruck, dass Boeing verlernt hat, wie man Flugzeuge baut."
Noch schnellere Produktion?
Insbesondere mit Blick auf die verheerenden Konstruktionsfehler, die 2018 und 2019 zu zwei tödlichen Abstürzen und einem weltweiten Startverbot der 737-Max-Reihe führten, könnte der jüngste Vorfall weitreichende Konsequenzen für Boeing haben. Denn nach den Abstürzen überarbeitete Boeing den Typ "Max" und erlangte nach und nach Wiederzulassungen und Vertrauen zurück. Den Hersteller kostete das Desaster Milliarden. Nun steht erneut das Vertrauen in die Qualität der Boeing-Flugzeuge auf dem Spiel.
Kritiker hatten dem Konzern vorgeworfen, bei dem US-Hersteller stehe Quantität über Qualität. Nachdem Boeing monatelang mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen hatte, versuchte Boeing zuletzt, die Produktionsrate zu erhöhen. Nach Informationen der "Financial Times" baut Boeing derzeit 38 Jets pro Monat in einer seiner Fabriken in der Nähe von Seattle. Bis Mitte des Jahrzehnts soll dies auf 50 pro Monat steigen. Der jüngste Vorfall werfe nun Fragen auf, so Branchenbeobachter. "Wie läuft die Qualitätskontrolle, wenn sie versuchen, hochzufahren?", sagte der Analyst der Bank of America, Ron Epstein, der FT.
Seit Jahren in den roten Zahlen
Dabei wäre es für Boeing wichtig, die Produktion hochzufahren. Der Konzern hat sich ehrgeizige finanzielle Ziele gesetzt. So will er es bis 2026 schaffen, jährliche verfügbare liquide Mittel von zehn Milliarden Dollar zu haben.
Da Flugzeughersteller erst bei Lieferung bezahlt werden, ist bei Bestellungen das Produktionstempo ein wichtiger Faktor für den Erfolg des Konzerns. Seit Jahren schreibt Boeing rote Zahlen: Nach vier Verlustjahren in Folge zeichnete sich zuletzt auch für 2023 ein MInus in der Bilanz ab.