Gegentrend zur Fast Fashion Gemietete Mode wird immer beliebter
Ob Brautkleid, Luxustasche oder Anzug: Das Mieten von Mode wird immer beliebter, wie eine aktuelle Umfrage ergibt. Für Greenpeace ist das ein Lichtblick im Kampf gegen Fast Fashion.
Derya Yilmaz steht in einem bestickten Brautkleid vor dem Spiegel neben der Umkleidekabine und begutachtet sich. "Das ist ein guter Anfang, das gefällt mir schon mal sehr gut. Oben viel los, unten schlichter", sagt die 30-Jährige.
Ihre Hochzeit findet im Juni statt. Dafür sucht Yilmaz schon jetzt bei Brautmoden Walter in Weiterstadt nach einem sommerlichen Kleid. An den Kleiderstangen in dem Geschäft hängen rund 700 Brautkleider. Yilmaz weiß zumindest schon mal, was sie nicht will: Spaghettiträger seien nicht ihr Ding, sagt sie. Auch Vintage- und Boho-Kleider gefielen ihr nicht. "Aber etwas Tüll und Glitzerbestickung dürfen sein."
Yilmaz will ein Kleid für ihre Hochzeit mieten. "Ich bin ein sehr pragmatischer und auch rationaler Mensch. Natürlich will ich das Brautkleid tragen, aber was passiert danach damit?" Es gehe ihr auch um die Umwelt, sagt Yilmaz. Sie hält es für Verschwendung, wenn das Kleid später nicht mehr getragen werde. "Der sentimentale Wert dahinter ist nicht mehr so vorhanden wie früher."
KPMG-Umfrage: Ein Viertel der Befragten mietet Mode
Nicht nur angehende Bräute wie Yilmaz setzen auf Mode-Sharing. Neben Kleidern leihen immer mehr Menschen Smokings, Luxustaschen oder Trachten und Kostüme für besondere Anlässe aus. Das Ausleihen von Mode sei keine kleine Nische mehr, sagt Stephan Fetsch von der Frankfurter Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Er untersucht seit Jahren die Entwicklungen in der Modebranche in Deutschland.
Eine aktuelle KPMG-Umfrage aus dem Januar ergibt, dass 25 Prozent der Befragten schon einmal Mode gemietet haben. Fetsch spricht von einer "gewaltigen Bewegung" im Vergleich zu den Vorjahren. Leihangebote auf Online-Plattformen oder in Geschäften nutzen danach vorwiegend Menschen bis Mitte 40. "Das heißt: Menschen, die digital gut zu Fuß sind und mit den modernen Konzepten der temporären Nutzung vertraut sind", resümiert Fetsch.
"Das Bewusstsein der Menschen verändert sich"
Fetsch geht davon aus, dass der Trend sich fortsetzt. "Ich glaube, dass die Märkte sich verändern, weil sich das Bewusstsein der Menschen verändert." Das Thema Nachhaltigkeit greife um sich, und die Menschen überlegten genau, ob sie gewisse Artikel wirklich brauchen. Seiner Ansicht nach ist Mieten "hochgradig sinnvoll". Der Secondhand-Markt beflügele den Mietmarkt, auf dem gewerbliche Anbieter bislang noch nicht im größeren Stil agieren.
An dem KPMG-Online-Panel mit dem Titel "Mode-Sharing" beteiligten sich 500 Menschen zwischen 18 und 65 Jahren. Sowohl Frauen als auch Männer mieten Kleidung, da bestehen laut Fetsch keine großen Unterschiede.
Brautkleid für die Hälfte des Originalpreises geliehen
Beim Ausleihen von Brautkleidern überwiegen natürlich die weiblichen Kundinnen. "25 bis 30 Prozent werdende Bräute wollen bei uns diese Dienstleistung in Anspruch nehmen", sagt Fahad Teymouri, der zusammen mit seiner Frau Christina Brautmoden Walter in Weiterstadt betreibt. Die Tendenz sei steigend. Ein wichtiger Aspekt sei dabei, dass das Kleid später nicht im Schrank hängt.
Das Geschäftsmodell der Teymouris: Wer ein Brautkleid ausleiht, bezahlt 50 Prozent des Originalpreises. Bei einem Kleid, das für 3.000 Euro angeboten wird, investiert die Braut also 1.500 Euro. Nachdem sie das Kleid zurückgegeben hat, verkauft das Geschäft es dann an Secondhand-Läden in der Umgebung weiter. "Dann kommt jedes Kleid mindestens zweimal zum Einsatz", so Teymouri. Smokings werden für 149 Euro verliehen, auch sie werden später weiterverkauft.
Mode-Sharing auch Lichtblick für Umweltschützer
Dass das Mieten von Mode salonfähig wird, ist ein Lichtblick für Umweltschützer. Die Modebranche gilt als einer der größten Klimasünder. "Mieten reduziert den Ressourcenverbrauch. Deshalb ist das erstmal positiv zu bewerten", sagt Sibylle Möller von Greenpeace Frankfurt. Sie ist Ansprechpartnerin für die Konsumwende.
Es hängt ihrer Meinung nach aber davon ab, in welchem Umfang Kundinnen und Kunden Kleidung oder andere Produkte mieten. Schlecht für die Klimabilanz sei zum Beispiel das Hin-und-Her-Schicken von Päckchen und Fahrten mit dem Auto zur Post. "Leihen darf nicht zu einem Fast-Fashion-Modell werden", sagt sie. Unter Fast Fashion versteht sie billige, qualitativ minderwertige Mode zur schnellen Befriedigung von Konsumwünschen.
Kundinnen und Kunden kaufen laut Bundesumweltministerium in Deutschland im Schnitt sechzig Kleidungsstücke pro Jahr. Online-Einkäufe verstärken diese Tendenz noch. Jedes fünfte Kleidungsstück wird so gut wie nie getragen.
Ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft
Das Ziel in der Textilbranche muss laut Möller eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft sein. Da ist sie auf einer Linie mit der Politik: Laut dem EU-Parlament verursacht die Textilbranche rund zehn Prozent der globalen CO2-Emissionen, verbraucht Unmengen an Wasser und verschmutzt die Ozeane mit Mikroplastik.
Für die Expertin von Greenpeace gibt es neben Secondhand-Käufen und dem Mieten von Mode noch weitere Alternativen zum Neukauf: "Es gibt auch Kleidertauschbörsen und die Möglichkeit, Kleidung selbst wieder zu reparieren." Das ist dann nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für den eigenen Geldbeutel.
"Sie haben mir von einem Kauf abgeraten"
Bei der werdenden Braut Yilmaz spielt der Preis bei der Idee, sich ein Brautkleid zu leihen, allerdings eine untergeordnete Rolle. "Preislich denkt man, man ist günstiger dran. Das ist nicht unbedingt so. Wenn man sich ein Designerkleid mit einem Preis in Höhe von 6.000 Euro mieten will, bezahlt man trotzdem seine 3.000 Euro", sagt sie.
Viele ihrer Freundinnen seien schon verheiratet, berichtet die 30-Jährige. Bei ihnen befänden sich die Brautkleider nach dem einmaligen Tragen auf dem Speicher, im Schrank oder im Keller. "Sie haben mir von einem Kauf abgeraten."