Klimawandel und Weinbau Sind historische Rebsorten die Lösung?
Trockenheit, Hitze und Starkregen machen dem Weinbau in Deutschland zu schaffen. Erste Weingüter versuchen es mit unbekannten historischen Rebsorten, die bei veränderten Klimabedingungen Vorteile haben.
Was da am Fuße einer Steillage in der Nähe von Cochem an der Mosel wächst, kennen viele gar nicht: Gelber Kleinberger ist eine historische Rebsorte, die früher einmal an der Mosel heimisch war, dann aber für lange Zeit verschwand. Noch sind die Rebstöcke klein. Das Familienweingut Reitz hat sie erst vor drei Jahren gepflanzt und sich dafür von Riesling-Stöcken getrennt - für das kleine Weingut "ein Stück gelebte Weinbaugeschichte" und ein Weg, dem Klimawandel zu begegnen.
Beitrag zu mehr Artenvielfalt
Gernot Kallweit ist im Weingut zuständig für Vermarktung und Produktinnovation. In Zeiten von Hitze, Trockenheit und Starkregen habe die historische Sorte Vorteile, erklärt er. "Gelber Kleinberger ist anders als Riesling dickschalig, das heißt die Trauben bekommen nicht so leicht Sonnenbrand." Ein weiterer Pluspunkt sei ein vergleichsweise relativ großer Abstand zwischen den einzelnen Weinbeeren, so Kallweit. "So sind die Trauben nach Starkregen besser durchlüftet. Wenn sie dichter beieinander wären, könnte das leichter zu Fäulnis führen."
Die Entscheidung, sich von Riesling-Rebstöcken zu trennen und auf die historische Sorte zu setzen, hat das kleine Weingut von der Mosel durchaus Mut gekostet. Denn neu gepflanzte Reben bringen in den ersten Jahren keinen Ertrag. Allerdings sieht das Familienweingut darin auch einen Beitrag zum Klimaschutz. Mit dem Pflanzen der historischen Sorten trage es zur Artenvielfalt im Weinbau bei.
Gernot Kallweit zieht den Vergleich zu Wäldern und Wiesen: "Je artenreicher ein Milieu, desto stabiler ist es auch gegen Klimaeinflüsse und Schädlinge." Außerdem gehe es auch um Geschmacksvielfalt. So schwärmt der Experte von den Aromen historischer Rebsorten, die ganz anders seien als die der bekannten Sorten.
Trauben mit dicken Schalen platzen nicht so leicht
Vor wenigen Wochen pflanzte das Weingut Reitz nun eine zweite historische Rebsorte. "Als einziges Weingut in Deutschland bauen wir Schwarzblauen Riesling an", sagt Kallweit. Das ist ein Pinot-Rotwein, der über viele Jahrhunderte unter anderem an der Mosel angebaut wurde, ehe er verschwand. Mit Blick auf Klimaeinflüsse habe er ähnliche Vorteile wie Gelber Kleinberger.
"Weil die Trauben dickschalig sind, platzen sie bei Starkregen nicht so schnell auf. Und die dicke Schale schützt auch gegen die Kirschessigfliege, die sich durch die Haut von Trauben bohrt und dort ihre Eier ablegt", so Kallweit. Auch dass Schwarzblauer Riesling deutlich später reif wird als beispielsweise Spätburgunder, sei wegen des Klimawandels nützlich. Denn noch nicht ausgereifte Trauben seien nach Starkregen weniger fäulnisanfällig.
Historische Sorten keine "Wunderwaffen"
Aktuell ist der Anteil der historischen Sorten bundesweit verschwindend gering. Für den ARD-Umweltexperten Werner Eckert könnten sie daher maximal Teil eines Lösungspakets sein: "Sie haben die eine oder andere Eigenschaft, die im Klimawandel nützlich ist. Allerdings gibt es auch von den bekannten und weit verbreiteten Sorten etliche, die genau die gleiche Eigenschaft haben oder die man auf solche Eigenschaften hin optimieren könnte."
Außerdem seien diese historischen Sorten "keine Wunderwaffen", betont Eckert. "Sie sind in der Regel ja auch nicht verschwunden, weil sie mit dem Klima der jüngeren Vergangenheit nicht klargekommen wären, sondern weil sie ertragsschwach oder -unsicher waren, oder weil sie auch schlicht nicht mehr den Geschmackspräferenzen der Verbraucher entsprochen haben."
Zudem werde die Resistenz gegenüber Pilzkrankheiten im Klimawandel tendenziell wichtiger. Und da seien die historischen Sorten nicht besser als die klassischen, meint der Fachmann. "Da bringen nur Neuzüchtungen, in die die Wildreben eingekreuzt sind, Verbesserungen."
Experten plädieren für Neuzüchtungen
Ähnlich argumentiert auch Reinhard Töpfer, Leiter des Julius Kühn-Instituts für Rebenzüchtung am Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen. Dort werden sowohl alte, historische Rebsorten als auch Neuzüchtungen untersucht.
Historische Sorten, genauso wie alle gängigen Sorten, seien anfällig für eingeschleppte Pflanzenkrankheiten, erläutert Töpfer. "Ich würde klar auf Neuzüchtungen setzen, da sie für den Klimawandel Antworten liefern und gleichzeitig pilzresistent sind und auch mit weniger Pflanzenschutzmitteln zurechtkommen." Einige dieser Sorten wiesen sehr gute Eigenschaften auch unter Trockenstress oder Hitze auf, und viele neue Sorten seien dickschalig.
Für Gernot Kallweit sind historische Rebsorten allerdings die bessere Alternative gegenüber Neuzüchtungen: "Da reden wir von mehreren Tausend Jahren Weingeschichte, die sind also auf jeden Fall im Gegensatz zu Neuzüchtungen über lange Zeit klimaerprobt." Im kommenden Jahr plant das Weingut Reitz, eine dritte historische Weinsorte anzupflanzen: den Weißen Traminer. Auch der war bis vor 150 Jahren an der Mosel weit verbreitet.