Gestiegene Kosten Viele Airlines wenden sich von China ab
Internationale Fluggesellschaften verlieren zunehmend das Interesse an China und streichen Flüge - trotz steigender Passagierzahlen. Ein Grund dafür sind die Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine.
Trotz steigender Passagierzahlen ziehen sich zahlreiche ausländische Airlines derzeit aus China zurück oder geben Strecken auf. Der Grund ist, dass europäische Fluggesellschaften auf China-Strecken einen Nachteil haben, was Kosten und Flugzeit angeht, denn sie müssen den russischen Luftraum umfliegen.
Mehrere ausländische Fluggesellschaften haben deshalb bereits Routen von und nach China komplett gestrichen oder ausgesetzt. Andere haben frühere Verbindungen nach dem Ende der Covid-Pandemie erst gar nicht wieder aufgenommen.
"Mehr Treibstoff, höhere Kosten"
So hat etwa British Airways angekündigt, ab dem Herbst die Verbindung zwischen London und Peking auszusetzen. Außerdem will die Fluggesellschaft ab Oktober nur noch einmal täglich in die chinesische Sonderverwaltungsregion Hongkong fliegen, statt bisher zwei Mal. Auch Virgin Atlantic fliegt ab Herbst nicht mehr zwischen London und Shanghai.
Die britischen Fluglinien machen wirtschaftliche Gründe geltend, erklärt der Shanghaier Luftfahrtexperte David Yu: "British Airways und Virgin Atlantic haben einen zweieinhalbstündigen Nachteil gegenüber ihren chinesischen Wettbewerbern. Denn sie können nicht mehr durch den russischen Luftraum fliegen, sie müssen einen Umweg machen. Das bedeutet mehr Treibstoff und höhere Kosten."
Lufthansa streicht bislang keine China-Flüge
Trotz dieser Umstände will die Lufthansa derzeit keine China-Verbindungen streichen, wie der Konzern auf ARD-Anfrage mitgeteilt hat. Man habe bei der Zahl der Flüge etwa 70 Prozent der vor-Covid-Kapazitäten erreicht, die Maschinen seien derzeit zu mehr als 90 Prozent voll, so eine Sprecherin.
Doch das China-Geschäft drücke auf die Marge, das machte Lufthansa-Chef Carsten Spohr im Juni deutlich. China sei ganz schwierig zurzeit, weil die chinesischen Carrier so viele Kapazitäten auf den Markt werfen würden, so Spohr im Wirtschaftspresseclub Stuttgart.
Spannungen zwischen USA und China
Aber nicht nur Verbindungen von und nach Europa sind von den Flugstreichungen betroffen. Die australische Qantas fliegt seit Ende Juli nicht mehr nach Shanghai - nicht, weil sie Umwege in Kauf nehmen muss, sondern weil die Flüge zum Teil nur halb voll gewesen waren.
US-Airlines bieten im Vergleich zu vor fünf Jahren nur einen Bruchteil an Flügen nach China an, was unter anderem mit dem derzeit schlechten Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik zu tun hat.
Direktflüge zwischen Indien und China, den beiden bevölkerungsreichsten Ländern der Welt, gibt es aus politischen Gründen gar keine. Hintergrund sind Grenzstreitigkeiten im Himalaja.
Chinas Airlines fliegen über Russland
Die meisten europäischen Fluggesellschaften können seit Russlands Einmarsch in die Ukraine also nicht mehr den russischen Luftraum überfliegen. Während viele demokratisch regierte Staaten Russland mit Sanktionen überzogen haben, hat Chinas Führung die freundschaftlichen Beziehungen mit der Regierung in Moskau in den vergangenen Jahren dagegen deutlich ausgebaut. Chinesische Airlines nutzen nach wie vor die kürzeren Verbindungen über Russland.
Und sie bauen ihr Netzwerk nach Europa aus, so David Yu: "Wenn wir uns die chinesischen Fluggesellschaften ansehen: Sie fliegen immer häufiger und fügen neue Ziele hinzu. Und das hat den Preisdruck für die Konkurrenz aus Europa erhöht. Es gibt sinkende Ticketpreise und gleichzeitig höhere Kosten durch die längeren Flugrouten."
Inlandsflüge boomen
In China fliegen insgesamt immer mehr Menschen. Das Land ist nach den USA der zweitgrößte Luftfahrtmarkt der Welt und steuert gerade auf einen neuen Passagierrekord zu. Das liegt allerdings hauptsächlich an den Inlandsflügen, die zuletzt wieder deutlich zugenommen haben.
In der derzeitigen Urlaubssaison seien vor allem die Strecken zwischen den großen Metropolen gefragt, so Xu Qing von der Behörde für zivile Luftfahrt CAAC in Peking: "Die meisten Passagiere kommen aus der Hauptstadtregion um Peking, aus dem Jangtse-Delta rund um Shanghai, dem Gebiet Guangdong-Hongkong-Macao und der Wirtschaftszone Chengdu-Chongqing. Die fünf beliebtesten Zielstädte sind Peking, Shanghai, Chengdu, Guangzhou und Kunming."
Die chinesische Luftfahrtbehörde hat im ersten Halbjahr dieses Jahres 320 Millionen Inlandspassagiere gezählt. Zehn Prozent mehr als im selben Zeitraum 2019, vor der Pandemie, und damit so viele wie noch nie.
Internationale Passagierzahlen unter Vor-Corona-Niveau
Das chinesische Staatsfernsehen CCTV berichtet zwar auch über steigende Passagierzahlen bei internationalen Flügen im Sommer. Reisen nach Europa lägen im Trend, besonders nach Deutschland und Frankreich. Grund seien die Fußball-EM und die Olympischen Spiele. Allein im Juli hätten Chinesinnen und Chinesen 70 Prozent mehr Tickets nach Paris gekauft als vor einem Jahr.
Die kommunistische Führung in Peking hat es zudem Bürgern zahlreicher Staaten deutlich leichter gemacht hat, ohne Visum nach China zu reisen. Dennoch liegen die internationalen Passagierzahlen noch unter denen vor der Corona-Pandemie. Das liegt Experten zufolge auch daran liegt, dass weniger Geschäftsleute von und nach China unterwegs sind.