Nur fünf Prozent Wachstum Ist das chinesische Wirtschaftswunder vorbei?
Chinas Wirtschaft ist im vergangenen Jahr lediglich um fünf Prozent gewachsen. Nimmt man die Jahre der Corona-Pandemie aus, handelt es sich um das schwächste Wirtschaftswachstum seit Jahrzehnten.
Die chinesische Wirtschaft stehe immer noch "vor Schwierigkeiten und Herausforderungen", so Kang Yi, Leiter des Nationalen Statistikbüros. Er gesteht damit ein, dass es besser laufen könnte: "Die Weltwirtschaft schwächelt, und die geopolitischen Konflikte verschärfen sich. Der Handelsprotektionismus verschärft sich. Und auch die Inlandsnachfrage ist unzureichend."
Die Bilanz am Ende des Jahres stimmt trotzdem mit den Zielen der Kommunistischen Partei überein: fünf Prozent Wirtschaftswachstum. Das ist mehr als Analysten im Ausland erwartet haben - und doch nicht überraschend. Denn Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte das Wirtschaftswachstum für 2024 in seiner Neujahrsansprache bereits mit fünf Prozent angekündigt.
Ökonomen bezweifeln das Wachstum
Die Zahlen seien jedoch mit Vorsicht zu betrachten, so Wirtschaftswissenschaftler Xu Chenggang von der Stanford Universität in den USA: "Wenn sie sich ein Ziel gesetzt haben, dann erreichen sie es auch, egal was passiert". Die Realität sei, dass "die Statistiken meist etwas geschönt sind. Einige Wirtschaftswissenschaftler haben das chinesische BIP unabhängig voneinander anhand der offiziellen Daten rekonstruiert. Und sie kamen tatsächlich zu anderen Ergebnissen. Und zwar weniger als fünf Prozent Wirtschaftswachstum", so Xu.
Auch Alicia Garcia Herrero, Chefökonomin für Asia Pacific an der französischen Investment Bank Natixis, geht von einem etwas geringeren tatsächlichen Wachstum aus als die offiziellen Zahlen. Dabei handelt es sich bereits bei diesen offiziellen Zahlen, die Jahre der Corona-Pandemie ausgenommen, um das schwächste Wirtschaftswachstum seit Jahrzehnten.
"Was das Wachstum immer noch solide und nicht lachhaft erscheinen lässt, ist der Export", sagt Garcia Herrero. Der Export rette das Wachstum - "gemeinsam mit Investitionen in die Produktion. Diese zwei Dinge, der Boom, dass China immer mehr produziert, und Exporte in die ganze Welt ankurbelt. Ohne diesen Boom würde das Wirtschaftswachstum vielleicht auf drei Prozent sinken."
Krise im Immobiliensektor hält an
Andere Bereiche der chinesischen Wirtschaft, wie der Immobiliensektor, stecken tief in der Krise. Auch die Inlandsnachfrage bleibt schwach - trotz einer Reihe von Konjunkturmaßnahmen, die Chinas Führung seit Herbst auf den Weg gebracht hat.
Sich auf den Export im Ausland zu verlassen und die Preise dazu niedrig zu halten, das sei Strategie der chinesischen Staats- und Parteiführung, so Garcia Herrero. Und das, obwohl es geopolitische Risiken gibt und Donald Trump mit Zöllen auf chinesische Waren droht. "In Reden von Xi Jinping sehen wir, dass Deflation von der Führung in China nicht als Problem gesehen wird, sondern sogar als eine gute Sache. Denn dadurch kann man wettbewerbsfähiger sein. Die Exporte sind dann billiger", so die Ökonomin.
China-Geschäft für deutsche Firmen schwierig
Unter Ökonomen gilt Deflation - das heißt, dass die Preise immer weiter sinken - als Problem. Denn die Menschen halten sich mit Investitionen zurück in der Hoffnung, dass die Preise noch weiter fallen. Dass die chinesische Regierung das nicht so sehe, sei beängstigend, so Herrero: "Was sie tun müsste, wäre genau das Gegenteil. Sie müsste Inflation schaffen. Die Gehälter der Menschen müssten steigen. Sie müssten Geld haben, um es ausgeben zu können."
Stattdessen halten Menschen in China ihr Geld aktuell eher zusammen. Das Vertrauen der Konsumenten ist schwach. Dies ist auch ein Problem für ausländische Unternehmen, die in China ihre Produkte verkaufen wollen. Die Deutsche Auslandshandelskammer in China betont, die chinesische Staats- und Parteiführung habe noch keine effektive Lösung gefunden, damit die Inlandsnachfrage wieder steigt. Die Stimmung deutscher Unternehmen, die in China Geschäfte machen, ist der Kammer zufolge auf einem historischen Tiefstand. Demnach rechnet nur ein Drittel der Mitgliedsunternehmen damit, dass sich ihre Geschäftsaussichten in China im Jahr 2025 verbessern.