Treffen in Davos Weltwirtschaftsforum so politisch wie lange nicht
Beim Weltwirtschaftsforum in Davos steht besonders die Geopolitik im Fokus - es geht um die Kriege in Nahost und der Ukraine. Finanzprofis sind skeptisch, ob Davos diesmal seinen Ansprüchen gerecht werden kann.
Wenn sich Autokolonnen durch ein kleines Schweizer Bergdorf ziehen und Hotelpreise explodieren, dann ist es wieder so weit: Das Weltwirtschaftsforum in Davos beginnt. Angesichts von Kriegen und weltweiten Unsicherheiten wird das Treffen für Politiker und Wirtschaftsgrößen in diesem Jahr aber auf jeden Fall kein Wohlfühl-Termin.
Die Liste der Herausforderungen sei lang, erklärt Martin Lück, Chefinvestmentstratege von BlackRock: "Das Wachstum der globalen Weltwirtschaft ist gerade einmal in der Größenordnung unterwegs, die wir so an der Rezessionsschwelle bezeichnen würden. Der weltweite Handel ist sogar auf dem Rückzug." Das müsse ein Alarmzeichen sein, vor allem in Europa, das so stark vom Welthandel abhängt.
So viele Teilnehmer wie noch nie
In Davos werden darum besonders viele informellen Gespräche hinter verschlossenen Türen stattfinden. In den nächsten fünf Tagen werden 2.800 Teilnehmer erwartet, so viele wie nie. Gesprochen wird natürlich über den Krieg im Gaza-Streifen und in der Ukraine. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist nach Davos gekommen. Konkrete Lösungen oder gar einen Friedensplan erwarten viele Experten aber nicht.
In Gefahr sehen viele die Globalisierung insgesamt. Weltweit nehmen Krisen zu, in vielen Ländern gibt es demokratiefeindliche Strömungen - und auch die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. In einer Umfrage des Weltwirtschaftsforums zeichnen führende Entscheider ein düsteres Bild: Fast zwei Drittel fürchten sich vor turbulenten, wenn nicht gar stürmischen Zeiten in den kommenden zehn Jahren. Immer wieder genannt werden dabei die Folgen des Klimawandels.
Ein Mindestmaß an Zusammenarbeit?
Wie lassen sich trotzdem Lösungen oder Kooperationen finden? Es gehe um ein Mindestmaß an praktikabler Zusammenarbeit, sagte Saadia Zahidi, eine der Direktorinnen des Weltwirtschaftsforum dem TV-Sender Bloomberg: "Maßnahmen können von nationalen Akteuren oder von Einzelpersonen ergriffen werden." Man müsse nicht unbedingt darauf warten, dass eine Zusammenarbeit in großem Maßstab zustande komme.
Klar ist: Der Anspruch in Davos ist hoch. Es geht darum, Vertrauen wieder herstellen. An den Finanzmärkten sind viele skeptisch. "Das Motto hört sich super an. Vertrauen wieder herzustellen geht aber nicht so einfach", sagt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Deutschland. Die ganz großen Spieler, von denen die größten geopolitischen Risiken ausgehen, seien schließlich gar nicht dabei. "Wir werden nicht Donald Trump sehen und auch keinen Wladimir Putin", so Brzeski.
Strittiges Thema Künstliche Intelligenz
Es gibt aber Themen, bei denen man auf konkretere Lösungen hofft: Zum Beispiel bei Künstlicher Intelligenz (KI). Noch streitet die Weltgemeinschaft über eine mögliche Regulierung und wie man Chancen und Risiken von KI unter einen Hut bekommt. Ein kleiner gemeinsamer Nenner wäre auch hier schon ein Anfang.
Einmal schon hat das Schweizer Bergdorf Davos Weltgeschichte geschrieben. 1992 reichten sich Nelson Mandela und der damalige südafrikanische Präsident Frederik de Klerk ihre Hand. Es war ein Symbol für das Ende der Apartheid. Der "Zauber von Davos", er hat es in diesem Jahr jedenfalls schwerer denn je, unter der geschlossenen Schneedecke hervorzukommen.