Verhaltensforschung Schimpansen erinnern sich an Freunde
Laut einer neuen Studie erinnern sich Menschenaffen wie Schimpansen und Bonobos an ehemalige Gruppenmitglieder - selbst wenn sie diese vor Jahrzehnten zuletzt gesehen haben. Auch an die Qualität der Beziehung erinnern sich die Tiere.
Die Johns-Hopkins-Universität im US-amerikanischen Baltimore hat eine Studie veröffentlicht, die zeigt, dass sich Schimpansen und Bonobos an Freunde erinnern, auch wenn sie diese seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen haben. Das passt zu einem wichtigen Trend in der Verhaltensforschung der vergangenen Jahre: die Erforschung von Eigenschaften bei Tieren, die bislang als Domäne des Menschen galten.
Bonobos und Schimpansen besitzen soziales Gedächtnis
Einige Menschenaffenarten erkennen ehemalige Gruppenmitglieder auf Fotos wieder, selbst wenn sie diese seit mehr als 25 Jahren nicht mehr gesehen haben. An der Studie, die das nachweist, waren Bonobos und Schimpansen aus Zoos in Schottland, Belgien und Japan beteiligt.
Das Team um die biologische Anthropologin Laura Lewis präsentierte den Affen Fotos von Artgenossen, die entweder schon verstorben waren oder den Zoo verlassen hatten. Mindestens neun Monate durften die Menschenaffen keinen Kontakt zu ihnen gehabt haben. Zugleich sahen die Tiere Fotos von Affen, die ihnen unbekannt waren.
Mit einem Eye-Tracking-Gerät, das misst, wo die Tiere wie lange hinschauen, dokumentierten die Forscher und Forscherinnen, wie viel Aufmerksamkeit die Affen welchem Foto widmeten. Die Affen betrachteten die Fotos von ihren Bekannten deutlich länger, unabhängig davon, wie viel Zeit seit ihrer letzten Begegnung vergangen war.
Erinnerung an die Qualität einer Beziehung
Das Forscherteam informierte sich außerdem über die Beziehung, die die Menschenaffen zu ihren ehemaligen Gruppenmitgliedern hatten. Nicht ganz überraschend zeigte sich, dass sich die Tiere für die Fotos ihrer Artgenossen stärker interessierten, wenn sie eine positive Beziehung zu ihnen hatten. Generell demonstriert die Studie das langlebigste soziale Gedächtnis, das jemals außerhalb des Menschen dokumentiert wurde.
Ähnliche Studienergebnisse - etwa zur sozialen Kompetenz von Bonobos - wurden in den vergangenen Jahren mehrfach publiziert. Ilka Diester, Neurobiologin der Uni Freiburg, ist von diesen Forschungsergebnissen nicht überrascht. Denn im Gehirn dieser Spezies sind dieselben Strukturen angelegt, die auch beim Menschen für emotionale und kognitive Leistungen verantwortlich sind. Wie der präfrontale Cortex für die Kognition oder das limbische System für Emotionen. So stünden Schimpansen und Bonobos emotional und kognitiv etwa auf einer Stufe mit fünf- bis sechsjährigen Kindern.
Besserer Artenschutz für Menschenaffen nötig
Da das ausgeprägte soziale Gedächtnis sowohl bei Menschen als auch bei Menschenaffen vorliegt, geht die Anthropologin Lewis davon aus, dass schon der gemeinsame Vorfahre von Affe und Mensch vor mehreren Millionen Jahren über diese Sozialkompetenz verfügte. Die Anthropologin vermutet sogar, dass Menschenaffen verlorene Freunde sogar vermissten.
Häufig hätten Laien die Vorstellung, diese Tiere seien von uns Menschen grundverschieden. Jüngste Studienergebnisse legten dagegen nahe, dass Menschenaffen und Menschen sich bei kognitiven Mechanismen sehr ähnlich sind. Eine Erkenntnis, der auch beim Artenschutz der allesamt gefährdeten Menschenaffen mehr Rechnung getragen werden müsse.
Die Idee zu der Studie kam dem Team um Lewis bei einem Zoobesuch. Die Forscher hatten das Gefühl, dass sie von Affen, mit denen sie vor längerer Zeit Versuche gemacht hatten, wiedererkannt wurden. In einem kommenden Forschungsprojekt wollen Lewis und ihr Team der Frage nachgehen, ob sich das langlebige soziale Gedächtnis auch bei anderen Primaten findet.