Der Stern WOH G64

Astronomie Erste Nahaufnahme eines extragalaktischen Sterns

Stand: 27.11.2024 03:56 Uhr

Erstmals präsentieren Astrophysiker die Nahaufnahme eines Sterns außerhalb der Milchstraße. Er ist einer der größten bekannten Sterne und steht kurz vor seinem Tod. Doch er hüllt sich in ein staubiges Geheimnis.

Von Heike Westram, BR

Sterne fotografieren ist ganz einfach, schon mit einem Handy lässt sich ihr Licht festhalten. Aber nur ihr Licht. Die Sterne selbst, die Himmelskörper, sieht man nicht. Nur von einem Stern haben wir viele Aufnahmen: von unserer Sonne. Spezielle Filter oder Aufnahmen in einem bestimmten Spektralbereich zeigen uns ihre Oberfläche in grün, rot, blau oder anderen Fehlfarben, die dunklen Flecken darauf, Protuberanzen und Masseauswürfe.

Erste Aufnahme eines extragalaktischen Sterns

Bislang gibt es nur von rund zwei Dutzend Sternen Aufnahmen, die den Stern selbst zeigen, nicht nur sein Licht. Diese Sterne befinden sich alle innerhalb der Milchstraße, unserer eigenen Galaxie. Jetzt aber präsentiert ein Forschungsteam Nahaufnahmen eines Sterns aus einer anderen Galaxie. Er trägt den Namen WOH G64.

Der Stern WOH G64 in einer künstlerischen Darstellung

WOH G64 hat vermutlich zwanzigmal mehr Masse als unsere Sonne.

Roter Überriese vor seinem Ende

WOH G64 gehört zum Sternensystem der Großen Magellanschen Wolke, einer uns benachbarten Galaxie. 160.000 Lichtjahre ist der Stern von uns entfernt, dennoch ist er ein alter Bekannter: In den 1970er-Jahren wurde WOH G64 entdeckt. Seither zieht er die Aufmerksamkeit der astronomischen Forschung auf sich. Denn WOH G64 ist ein ganz besonderer Stern. Er ist einer der größten bekannten Sterne, vielleicht sogar der größte: ein Roter Überriese oder Hyperriese - eine gigantische, aufgeblähte Sonne am Ende ihres Sternenlebens.

Einer der größten bekannten Sterne - und enorm hell

WOH G64 hat vermutlich zwanzigmal mehr Masse als unsere Sonne, dabei aber einen fast 2.000-mal größeren Durchmesser. Mit seiner Leuchtkraft übertrumpft der Riesenstern die Sonne um das rund 280.000-fache, vermutet das Team um den Astrophysiker Keiichi Ohnaka, der den Stern seit Jahrzehnten erforscht. Diese hohe Leuchtkraft sorgt dafür, dass WOH G64 mit Teleskopen am Sternenhimmel gefunden werden kann, obwohl er so weit entfernt ist. Die Sterne, die Sie am Sternenhimmel sehen können, gehören dagegen alle zu unserer eigenen Galaxie und sind viel näher.

WOH G64 wird noch einmal sehr viel heller werden: Wenn der Stern als Supernova explodiert. Dann ist er vielleicht mit bloßem Auge zu sehen. Allerdings dauert das womöglich noch ein paar Tausend Jahre. Doch Anzeichen des nahenden Sternentods lassen sich an der neuen Aufnahme ablesen.

Dieser Stern lässt die Hüllen nicht fallen

Das neue Bild ist zwar eine Nahaufnahme, aber keine Nacktaufnahme: Streng genommen zeigt es gar nicht den Stern WOH G64, sondern nur die hell leuchtende, eiförmige Hülle aus Staub, die den Stern wie ein Kokon einhüllt und WOH G64 selbst vor unseren Augen verbirgt. Denn der Rote Überriese verliert die ganze Zeit große Mengen Material. Tausende Jahre kann dieses langsame Schwinden dauern, bevor am Ende die Supernova in einer großen Explosion alle äußeren Gashüllen von sich sprengt.

WOH G64 verströmt sich

WOH G64 verliert jährlich Masse in der Größenordnung von einem Zehntausendstel Sonnenmassen. Das ist eine der höchsten Raten, die man bislang beobachtet hat und ist selbst für einen Roten Überriesen extrem. Der Stern ist von einer gigantischen Staubscheibe umgeben, die er mit seinem eigenen Material nährt. Das hatten Ohnaka und sein Team schon 2007 entdeckt, als sie WOH G64 mit dem Very Large Telescope Interferometer (VLTI) der Europäischen Südsternwarte (SEO) in der chilenischen Atacama-Wüste ins Visier nahmen. Die inneren Ränder der Staubscheibe sind als dünner, elliptischer Ring in dem neuen Bild zu sehen.

Ein unbekannter Stern im Spiel?

Durch den Einsatz des neueren Instruments GRAVITY ist die aktuelle Aufnahme wesentlich genauer und zeigt mehr Details als bei der Beobachtung 2007. Zwei Entdeckungen überraschten die Forschenden dabei: Zum einen ist der Staubkokon um den Stern nicht rund, sondern eiförmig. Das könnte darauf hindeuten, dass ein weiterer, bislang noch nicht entdeckter Stern um WOH G64 kreist. Die Form könnte aber auch entstehen, wenn der Stern sein Material bipolar ausströmt, also an seinen beiden Polen.

Der Vorhang zieht sich zu

Zum anderen ist der Stern wesentlich schwächer geworden und zeigt starke Veränderungen im Nahinfrarot-Bereich seines Lichtspektrums. Das könne darauf hindeuten, dass dicht um den Stern eine neue, sehr heiße Staubschicht entstanden sei, heißt es in einer Veröffentlichung des Magazins Astronomy & Astrophysics erschienen ist. Die Forschenden brennen darauf, mehr über die extremen Prozesse zu erfahren, die am Ende eines Sternenlebens auftreten. Doch womöglich wird WOH G64 noch stärker und dichter von Staub umhüllt und entzieht sich damit den neugierigen Blicken Forschender.