Ein Psychotherapeut macht Notizen bei einer Sitzung mit einem Patienten.

Hilfe bei Aufmerksamkeitsstörung Was hilft Erwachsenen mit ADHS?

Stand: 18.12.2024 17:41 Uhr

Medikamente, Psychotherapie, Hirnstimulation: In der Behandlung von ADHS bei Erwachsenen werden viele Methoden eingesetzt. Welche in Studien am besten wirken, haben Psychiater jetzt erstmals ausgewertet.

Von Hellmuth Nordwig, BR

ADHS betrifft nicht nur Kinder. Etwa drei Viertel von ihnen macht die Krankheit auch später zu schaffen: 2,5 Prozent der Erwachsenen weltweit sind von der "Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung" betroffen. Solche Menschen können oft ihren Alltag nicht gut organisieren, haben Schwierigkeiten bei längerer Konzentration oder vergessen oft Termine. Einige von ihnen sind sehr impulsiv oder können nur schlecht mit Enttäuschungen umgehen.

Solche Eigenschaften müssen keine ADHS-Diagnose bedeuten. Aber wenn sie die Lebensqualität oder Beziehungen anhaltend beeinträchtigen, kann ein Termin bei einer Psychiaterin oder einem Psychiater mehr Klarheit bringen.

ADHS-Therapien: Wirksamkeit im Überblick untersucht

Wie die Betroffenen am besten behandelt werden können, dazu gibt es keine aktuellen Empfehlungen. Die entsprechende Leitlinie für Deutschland ist schon älter, sie stammt aus dem Jahr 2017. Dabei ist ADHS ein "Bereich, in dem kontinuierlich sehr viele neue Therapieformen auf den Markt kommen und propagiert werden", wie Marcel Romanos, Psychiater an der Universität Würzburg, gegenüber dem Science Media Center berichtet.

Diese Lücke hat ein internationales Ärzteteam um Edoardo Ostinelli von der Universität Oxford jetzt in der Fachzeitschrift Lancet Psychiatry durch eine sogenannte Metastudie geschlossen. Das bedeutet: Die Fachleute haben systematisch die 113 vorhandenen Therapiestudien gesichtet und zusammengefasst. Insgesamt liegen somit Daten von fast 15.000 Patientinnen und Patienten vor.

Schnelle Hilfe bei ADHS nur mit Medikamenten

Das wichtigste Ergebnis: Eine rasche Besserung der belastenden Symptome ist nur durch die Behandlung mit Medikamenten möglich. Dabei gibt es zwei Optionen: sogenannte Stimulanzien, von denen bei uns Methylphenidat am häufigsten eingesetzt wird. In den USA werden den Betroffenen dagegen eher Amphetamine verschrieben, die ebenfalls stimulierend wirken.

Die andere Möglichkeit ist das Psychopharmakon Atomoxetin. Wegen der häufigeren Nebenwirkungen wie Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Herzrasen oder Blutdruckanstieg akzeptieren Menschen mit ADHS es nicht so gut, wie die Studie ebenfalls zeigte.

… aber Medikamente wirken nur "moderat"

Bei allen Medikamenten wurden sowohl die Betroffenen selbst als auch die behandelnden Ärzte nach der Wirksamkeit befragt. Insgesamt wird sie von beiden Gruppen als höchstens "moderat" beurteilt. Konkret bedeutet das am Beispiel Atomoxetin: Nach 12 Wochen verbessern sich die Kernsymptome um 22 Prozent, nach einem halben Jahr um 32 Prozent. Ähnlich sind die Werte bei Stimulanzien. Im Vergleich dazu verringert ein Placebo die Symptome je nach dem beobachteten Zeitraum um 13 beziehungsweise 20 Prozent. Der Unterschied zum Präparat klingt nicht groß, ist aber statistisch eindeutig auf dessen Wirkung zurückzuführen.

Für die langfristige Wirkung gibt es nicht genügend Untersuchungen, um eine Aussage zu treffen - sie wären aber wichtig, wie die Autoren der Studie schreiben.

Ergänzend ist Psychotherapie bei ADHS wichtig

Auch andere Methoden wie die kognitive Verhaltenstherapie, Entspannungstechniken oder Psychoedukation haben ihren Platz im therapeutischen Spektrum. Zwar konnten die Autoren in ihrer Zusammenfassung von Studien keine schnelle Wirksamkeit dieser Verfahren belegen, und insgesamt gab es in diesem Feld weniger Untersuchungen, die auch von geringerer Qualität waren.

Doch für Romanos von der Universität Würzburg - der an der Metastudie nicht beteiligt war - ist die Psychotherapie dennoch ein wichtiger Baustein: "ADHS ist selten allein." Die Störung bringe einen ganzen Strauß anderer Probleme mit sich, etwa in Beziehungen, am Arbeitsplatz oder in der Kindererziehung. Und diese könnten mit psychotherapeutischen Methoden häufig gut behandelt werden.

Nicht für alle Methoden gibt es gute Daten

Wenige Daten gibt es auch zur sogenannten transkraniellen Hirnstimulation, einer Behandlung bestimmter Bereiche des Gehirns mit Gleichstrom. Hier könnten nur die behandelnden Ärzte eine mäßige Symptomverbesserung beobachten, die Betroffenen selbst aber nicht. Ihnen ist damit also subjektiv kaum geholfen.

Fazit: ADHS betrifft nicht wenige Erwachsene. Und die neue Überblicksstudie zeigt: Psychiaterinnen und Psychiater können ihre Symptome noch am ehesten mit Stimulanzien und dem Medikament Atomoxetin behandeln. Das entspricht auch den Aussagen in der mittlerweile veralteten Leitlinie. Sie wird gerade überarbeitet.

Für die Betroffenen ist vor allem eines wichtig: Sie sollten fachlichen Rat einholen. Vor allem, wenn das Berufsleben oder soziale Kontakte unter ADHS leiden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 18. Dezember 2024 um 08:38 Uhr in der Sendung "Kultur und Wissenschaft"