Erdüberlastungstag Eine Welt ist nicht genug
Seit heute sind alle nachwachsenden Ressourcen für 2023 verbraucht, die Menschen leben ökologisch auf Pump. Am Erdüberlastungstag warnen Experten vor dem anhaltenden Raubbau. Doch es gibt auch positive Entwicklungen.
"Wir leben klar über unsere Verhältnisse." sagt Niklas Höhne, der auf dem Dach eines Gebäudes am Flughafen Köln/Bonn steht. Um ihn herum: Ein Solarfeld bestehend aus mehreren hundert Solarpanelen. "Davon brauchen wir mehr, viel mehr", betont er.
Heute ist Erdüberlastungstag. Der Tag im Jahr, an dem wir als Weltbevölkerung so viele natürliche Ressourcen verbraucht haben, wie maximal innerhalb eines Jahres nachwachsen können. Ab jetzt leben wir sozusagen auf Pump. Denn mit dem Verbrauch, den wir als Menschheit haben, bräuchten wir im Jahr gut 1,75 Welten. Es werden mehr Bäume abgeholzt, als dass sie nachwachsen können, mehr CO2 in die Luft gepumpt, als Meere und Wälder aufnehmen können - fünf Monate vor Ablauf des Jahres. Dabei könnten wir anders.
Eine positive Entwicklung: In ganz Europa wird immer mehr Strom mit Hilfe der Sonne produziert. Zwischen Mai und August 2022 wurden in der EU 99,4 Terawattstunden Solarstrom erzeugt - so viel wie noch nie. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bedeutete das ein Plus von 22 Terawattstunden oder 28 Prozent. Zu diesem Ergebnis kam im vergangenen Sommer eine Analyse der Denkfabrik Ember Climate. Trotzdem fordern Klimawissenschaftler wie Höhne weitere Maßnahmen.
"Solaranlagen auf jedes Dach"
"Wir müssten Solaranlagen eigentlich auf jedes Dach bauen. Da bieten sich eben große Industriehallen wie am Kölner Flughafen an." Denn die Basis für allen Erfolg in Sachen Klimawandelbekämpfung, sagt Höhne, sei der Ausbau der erneuerbaren Energien: "Strom aus Wind und Sonne sind das Rückgrat der Energiewende. Wir müssen drei Mal so schnell Solarenergie ausbauen, wie wir das dieses Jahr tun und wir müssten sogar fünf Mal so schnell die Windenergie ausbauen, wie wir das tun."
Außerdem weist er darauf hin, dass auch jeder kleine Haushalt in Deutschland sein eigenes kleinens Balkonkraftwerk aufbauen kann. "Eine eigene Anlage direkt an den Balkon montiert. Den Stecker in die Steckdose stecken und schon produziert man seinen eigenen Strom." Selbst wenn das nur ein kleiner Part sei.
Weitere Probleme: Verschmutzung und Verschwendung. Denn es treiben Unmengen an Plastikmüll durch unsere Ozeane. Geschätzte 79 Prozent des Plastiks, das seit 1950 produziert wurde, befindet sich auf Mülldeponien oder in unseren Gewässern. Nicht abbaubares Plastik, das sich zu winzigem Mikroplastik zersetzt. Auch beim Thema Abgase passiere zu wenig. Dies alles begünstigt eine Klimaveränderung.
Wo die Hälfte mit dem Rad zur Arbeit fährt
Wie wichtig ein Umdenken ist, zeige auch der bisherige Sommer, meint Helge Gößling, Klimaphysiker am Alfred Wegener Institut in Bremerhaven: "Auch wenn wir in den vergangenen Wochen zum Beispiel mildere Temperaturen in Norddeutschland hatten, können die nicht darüber hinwegtäuschen." Er forscht seit 15 Jahren in Sachen Klimaentwicklung. "Der Juli, das ist jetzt schon klar, das war der heißeste Monat, den wir seit Jahrhunderten, wenn nicht seit Jahrtausenden hatten." Die Hitzewellen in Südeuropa mit Rekordtemperaturen, genauso in den USA haben dies unmissverständlich klar gemacht.
"Die Handlungsverantwortung liegt wirklich bei allen, es sind sowohl Konzerne als auch die Politik als auch die einzelnen Menschen", sagt Gößling. "Alles auf einmal muss passieren." Auch in Sachen Mobilität könne ein Umdenken wichtig sein. Positive Beispiele sind hier Städte wie Kopenhagen oder auch Amsterdam, in denen schon seit langer Zeit eine Restrukturierung des Verkehrs stattfindet. Gut die Hälfte fahren hier mit dem Fahrrad zur Arbeit. Im Stadtzentrum gibt es mehr Fahrräder als Autos.
"Wir sehen international sehr viele gute Beispiele, wo insbesondere der Radverkehr sehr, sehr stark zugenommen hat, indem man das Radfahren attraktiver gemacht hat. Man sieht, mit Mut und Gestaltungswillen kann man die Stadt fahrradfreundlicher machen", sagt Manfred Fischedick, Präsident am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie.
Luftverkehrsplanung umstrukturieren
Aber nicht nur auf dem Boden, im ÖPNV, im Stadt- oder Bahnverkehr auch im Flugverkehr könnten neue Ideen Klimaschutz nach vorne bringen. Insa Thiele-Eich, Klimaforscherin an der Universität Bonn, steht auf der Besucherterrasse des Kölner Flughafens. Sie schaut auf die landenden und startenden Flieger, die viele Menschen in den Urlaub bringen. Sie appelliert für eine Umstrukturierung des Flugplans: "Wir haben in Europa bis zu 30 verschiedene Lufträume. Das sorgt dafür, dass wir gelegentlich ordentliche Umwege fliegen müssen, die eigentlich so nicht nötig sind." Dabei entstünden unnötige Emissionen.
Es gebe bereits Initiativen für einen einheitlichen Luftraum über Europa, etwa das Projekt "Single European Skies". So könnten Emissionen in Höhe von zehn Prozent eingespart werden, rechnet Thiele-Eich vor.
Außerdem könnten meteorologische Daten besser und effizienter in die Flugplanung eingebaut werden. "Schon jetzt ist es so, dass bei der Flugbahn das Wetter eine Rolle spielt, insbesondere beim Wind", erklärt sie. "Wenn wir gegen den Wind fliegen, haben wir einen hohen Widerstand und deshalb auch einen höheren Treibstoffverbrauch. Es ist aber auch so, dass auch hier bis zu zehn Prozent der Emissionen eingespart werden könnten, wenn man noch bessere Wetterbeobachtungsdaten in diese Planungen einfließen lassen würde." Es sind solche Ideen, die einen essentiellen Beitrag leisten könnten. Neben dem Appell an jeden, unnötige Flüge zu überdenken.
Die Lösungen liegen bereit
Genauso im Ernährungsbereich. "Empfohlen werden maximal 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche", erklärt Klimaforscher Manfred Fischedick. "De facto haben wir aber einen durchschnittlichen Verbrauch von 1,2 Kilo pro Woche. Das zeigt, da ist einfach viel Luft nach oben. Denn etwa ein Sechstel der gesamten Treibhausgasmissionen ist zurückzuführen auf die Viehwirtschaft."
Die Lösungen, mit dem Emissionshaushalt zukunftsfähiger und klimaschonender umzugehen, liegen bereit, sie müssten nur umgesetzt werden. Nicht nur um den Erdüberlastungstag im Kalender weiter nach hinten zu schieben, sondern auch um mögliche zukünftige Kosten zu schmälern. "Denn wir sind gut beraten, eher in den Klimaschutz als in die Schadensbewältigung zu investieren", betont Fischedick. "Denn das wird sonst alles noch viel mehr kosten."