Schutz vor Hitze Wie Städte cool bleiben
Der Sommer 2022 in Deutschland war heiß und trocken - und vieles deutet darauf hin, dass Hitzewellen künftig verstärkt auftreten werden. Die Städte sind dafür nicht gerüstet. Doch es gibt Ideen.
Die Klimakrise erhöht die Wahrscheinlichkeit von Wetterextremen. Hitze und Dürreperioden werden auch in Deutschland häufiger werden. Das führt zu enormen Gesundheitsrisiken für viele Menschen. "Hier geht es längst nicht mehr um Lebensqualität, sondern um Mortalität", sagt Christoph Schünemann vom Projekt "HeatResilientCity" (HRC). "Wenn wir nicht handeln, werden die Opfer in den vulnerablen Gruppen der Bevölkerung immer mehr zunehmen."
Handeln - das heißt auch, Städte anders zu planen. Gebäude in deutschen Städten seien nicht für extreme Hitze gebaut, hohe Temperaturen seien in dieser Bausubstanz nur "schwer erträglich", so Schünemann. Hinzu käme der Wärme-Inseleffekt in Großstädten, der die Temperaturen in den Innenstädten potenziert. Als vulnerable oder gefährdete Menschen gelten Ältere ab 65 Jahren, Schwangere, Kleinkinder und Säuglinge, chronisch Kranke, sowie Arme und Pflegebedürftige sowie Menschen mit Behinderung.
Hitze ist lebensgefährlich
Dass es einen Zusammenhang zwischen Todesfällen und Hitze gibt, ist unter Experten unbestritten. In den heißen Sommermonaten dieses Jahres starben in Europa überdurchschnittlich viele Menschen. "Insbesondere in höheren Altersgruppen kommt es infolge hoher Temperaturen regelmäßig zu einem Anstieg der Mortalität", lautet das Kernergebnis einer Forschungsarbeit, an der das Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes, das Robert Koch-Institut und das Umweltbundesamt beteiligt waren. Für die Publikation wurden Daten von 1992 bis 2021 ausgewertet.
Aber wie können sich Städte gegen Hitze wappnen? Die Forschenden der TU Dresden unterscheiden drei Bereiche: Freiraum, Gebäude und Gesundheitsschutz. Stark vereinfacht empfehlen sie: So viele Bäume und Pflanzen wie möglich, so viel Schatten und Lüftung wie möglich sowie gesundheitliche Aufklärung. Dabei stützen sie sich auf Temperaturmessungen in einem Plattenbau in Dresden-Gorbitz, in einem Gründerzeitbau in der Erfurter Oststadt, auf thermische Gebäudesimulationen sowie auf wissenschaftliche Befragungen.
Bäume wie Juwelen behandeln
Zu den wichtigsten Maßnahmen im Freien gehört demnach, so viele Bäume wie möglich zu pflanzen und zu erhalten. Ausgewachsene Bäume sollten nicht mehr gefällt, jede noch so kleine Stelle für neue Bäume genutzt werden. "Wir sollten unsere Bäume wie Juwelen behandeln", sagt Meteorologin Astrid Ziemann vom HRC-Projekt. "Bis ein großer Baum seine Wirksamkeit entfaltet, dauert es oft Jahrzehnte. Die Bäume, die wir haben, sind gut angepasst und eingewurzelt. Ersatzpflanzungen außerhalb der Hotspots helfen nur wenig."
Wichtig sei, große und trockenresiliente Bäume zu pflanzen, sagt Schünemann. Unterirdische Leitungen erwiesen sich jedoch oft als Problem, das habe das Projekt in Erfurt gezeigt. Hier sei es schwierig gewesen, Platz für 50 Bäume zu finden. "Doch es lohnt sich, Flächen für Bäume in der Stadt zu eruieren, ihr Schatten und ihre Kühlung sind essenziell." Die gefühlte Temperatur im Schatten eines Baumes ist etwa zehn Prozent niedriger als direkt in der Sonne. Besonders eignen sich demnach Dreispitzahorn, Resista-Ulmen und die chinesische Birne.
Grün empfehlen die Wissenschaftler auch dort, wo kein Platz für Bäume ist. Also in Parks, Gärten, Verkehrsinseln, auf Baumscheiben und Gehwegstreifen, auf Plätzen, Dächern und Fassaden, an Bachläufen und Teichen. Vor allem Gründächer bieten nach Ansicht von Schünemann großes Potenzial. "Eine intensive Dachbegrünung mit dicker Erdschicht und Büschen kühlt, speichert Wasser und steigert die Aufenthaltsqualität", erklärt der Physiker des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung. Nötig sei dafür eine gute Statik. Dies könne bei Neubauten mitgeplant werden.
"Enorm viele Flächen sind für Parkplätze versiegelt", beklagt Schünemann. Tiefgaragen sowie Rasengittersteine auf Parkplätzen und Anwohnerstraßen seien gute Alternativen. "Am besten wäre eine autofreie Innenstadt."
Sonnenschutz und Nachtlüften
Eine Universalmaßnahme gegen Hitze ist Schatten. "Wir sollten Sonne von Gebäuden fernhalten, wo es nur möglich ist", plädiert Schünemann. Rollos und Markisen seien sehr effizient. Ebenso würden helle Farben auf dem Dach und an der Fassade, die Solarstrahlung besser reflektieren. Schünemann rät außerdem zu Sonnenschutz und Nachtlüften. Oft seien Fenster zugestellt. Gebäude könnten sich jedoch nur abkühlen, wenn ein Austausch mit kalter Luft in der Nacht möglich ist. Gerade deswegen müsse der Wärme-Inseleffekt gering gehalten werden, er sorge für ein Temperaturplus von bis zu zehn Grad in der Nacht.
Besonders heiß sind Dachgeschosse - auch das haben die Ergebnisse gezeigt. "Wohnungen in oberen Etagen haben meist eine mindere Qualität und heizen sich mehr auf. Sie schwitzen dort mehr", sagt Schünemann. "Dachgeschosse sollten möglichst massiv und nicht nur per Trockenbau ausgebaut werden." Hilfreich im Freien seien auch Sonnensegel und der Schattenwurf hoher Gebäude. "Man kann sich an südeuropäischen Städten orientieren. Dort gibt es enge Gassen, wo die Sonne nicht einfällt." Helle Farben schluckten Hitze, Bäume in Hinterhöfen spendeten Schatten.
Entscheidend ist die Gesundheitsfürsorge. "Wenn Multiplikatoren - sprich Pflegedienste, Altenheime, Kitas, Schulen, Vereine oder Wohnungsunternehmen - über Hitze aufklären, kann das sehr große Effekte haben", sagt Marit Gronwald vom Gesundheitsamt Dresden. Ein Hitzehandbuch soll ab 2023 den Kommunen deutschlandweit zur Verfügung gestellt werden.