Folgen des Klimawandels Das Schweigen der Robben
Wenn das Eis in der Antarktis schmilzt, hat das nicht nur weitreichende Auswirkungen auf das Klima. Von der Menge des Eises wird offenbar auch das Verhalten von Robben in der Region beeinflusst.
Normalerweise sind die Robben im antarktischen Weddellmeer in der Paarungszeit besonders aktiv. In einer Periode von ungefähr Oktober bis Februar kommunizieren die Tiere viel mit Geräuschen. Laut der Meeresbiologin Ilse van Opzeeland vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) ist es einerseits ihr Ziel, Partner zu finden. "Zwischen männlichen Tieren findet aber auch ein Konkurrenzkampf statt in Form von vokaler Aktivität."
Bei dünnerem Eis weniger Robbenlaute
Van Opzeeland erforscht die Unterwasserklänge der Antarktis. Ihre Arbeit ist wichtig, um mehr über das Verhalten und die Verbreitung der Tiere zu erfahren, die dort leben. Denn die sind in der Regel eher unter Wasser zuhause und damit nur schwer zu beobachten. Im Weddellmeer haben die AWI-Forscher deshalb eine ganze Reihe von Unterwassermikrofonen installiert, die die Geräusche aus der Tiefe aufzeichnen.
Für ihre Studie hat van Opzeeland Daten aus acht Jahren ausgewertet und festgestellt, "dass in der Sommerphase 2010/2011, als das Meereis am dünnsten war, die Robben-Vokal-Aktivität wirklich sehr gering war im Vergleich zu den anderen Jahren. Die Tiere sind vom Meereis abhängig, weil sie darauf ihre Jungen großziehen." Und die Daten zeigten ganz klar, dass das Eis diese Rufaktivität in einer ganz sensiblen Phase beeinflusst habe.
Nachwuchsprobleme auch am Nordpol
In der Nordpolregion ist der Mangel an Meereis im Sommer schon lange die Regel. Dort sind Ringelrobben zuhause. Und die haben bereits massive Nachwuchsprobleme, wie van Opzeeland feststellen musste. "Ringelrobben machen ihre eigenen Atemlöcher im Meereis und bauen dann quasi über diese Atemlöcher Hügel aus Schnee. Darin haben sie eine Höhle, in der sie auch die Jungen gebären und großziehen."
Das Problem sei, dass das Eis aufbreche und schmilze, so dass die Jungtiere zu früh ins Wasser gelangen und ertrinken. "In solchen Jahren ist der Fortpflanzungserfolg bei dieser Art sehr stark beeinträchtigt."
Sehr wenig Eis im Sommer
Auch am Südpol ist das Meereis zuletzt stark zurückgegangen, betont Lars Kaleschke vom AWI. "In der Antarktis haben wir bislang noch keinen negativen Trend über die langen Jahre festgestellt, allerdings in den letzten beiden Jahren im Sommer - also etwa im Februar - dort die geringste Ausdehnung insgesamt."
So wenig Eis habe es seit Beginn der Aufzeichnungen in der Antarktis noch nie gegeben. Die Frage sei, ob sich das nun umkehre und man eine Abnahme sehen werde. Das Schweigen der Robben könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich die Situation zuspitzt.
Bestände noch nicht gefährdet
Meeresbiologin van Opzeeland meint, wenn man die Eisbedingungen über einen größeren Raum vergleiche, dann gebe es keine Hinweise darauf, dass es irgendwo anders besser gewesen sei. Wirklich Sorgen macht sie sich um die antarktischen Robben noch nicht. Weder Seeleoparden noch Krabbenfresser-, Weddell- oder Rossrobben gelten als gefährdet. Doch wenn das Meereis auf Dauer verschwindet, könnte sich das auch ganz schnell ändern:
"Es ist ein ganz großes Problem, dass der Trend bei allen vier Robbenarten unklar ist. Die Bestände werden als groß genug und nicht bedroht erachtet. Zählungen finden aber selten statt. Die letzte wurde 2015 durchgeführt." Doch in der Konsequenz könnten solche extremen Jahre den Paarungserfolg beeinflussen. Wenn dies längere Zeit andauere, sei nicht auszuschließen, dass es einen Effekt auf die Robbenbestände habe. Van Opzeeland wird also weiterlauschen, in der Hoffnung, dass die Rufe der Robben nicht für immer verstummen.