Menschen laufen durch den Netzarim-Korridor im Gazastreifen.

Nach Geiselfreilassung Israels Armee zieht sich aus Netzarim-Korridor zurück

Stand: 09.02.2025 15:05 Uhr

Nachdem drei weitere Hamas-Geiseln freigelassen wurden, ziehen sich Israels Truppen aus dem Netzarim-Korridor zurück. Israel erfüllt damit einen weiteren Punkt der Waffenruhe - trotz des Entsetzens über den Zustand der freigelassenen Geiseln.

Israel hat einen weiteren Punkt im Waffenruheabkommen mit der Terrororganisation Hamas erfüllt: Die israelische Armee zog ihre Truppen aus dem Netzarim-Korridor im Gazastreifen ab. Ein Vertreter des von der Hamas geführten Innenministeriums in dem Palästinensergebiet vermeldete einen "vollständigen Rückzug" des israelischen Militärs aus dem Gebiet.

Der Netzarim-Korridor durchzieht den Gazastreifen auf einer Länge von sechs Kilometern und teilt ihn in nördliche und südliche Gebiete. Mit Beginn der Waffenruhe erlaubte die israelische Armee bereits Hunderten Palästinensern, das Gebiet wieder zu durchqueren, um zu ihren oftmals zerstörten Häusern im Norden zu gelangen.

Mit dem Abzug der Truppen können die Binnenflüchtlinge nun in noch größerer Zahl in ihre Heimat zurückkehren. Am Sonntag waren vollgepackte Autos zu beobachten, die den Korridor auf einer Straße Richtung Norden durchquerten. Im Rahmen der Vereinbarung soll Israel die Fahrzeuge unkontrolliert passieren lassen.

Karte Israel, Gazastreifen, Rafah, Philadelphi-Korridor und Netzarim-Korridor

Hamas feiert den Abzug als Sieg

Die islamistische Hamas feierte den Abzug der Truppen aus dem Korridor als "Sieg" des palästinensischen Volkes und Niederlage Israels. Erste Videoaufnahmen aus dem geräumten Gebiet zeigten massive Zerstörungen. 

Das Waffenruheabkommen sieht vor, dass Israel sich aus den bewohnten Gebieten im Gazastreifen und dem Netzarim-Korridor zurückzieht. Außerdem sollen Hunderte palästinensische Gefangene freigelassen werden, wenn die Hamas in der ersten Phase des Deals schrittweise 33 israelische Geiseln freilässt. 18 Geiseln wurden bisher freigelassen, rund 600 Häftlinge sind im Gegenzug auf freiem Fuß.

Entsetzen über Gesundheitszustand der Geiseln

Am Vortag des Abzugs aus dem Korridor waren drei Geiseln - darunter auch der Deutsch-Israeli Ohad Ben Ami - freigekommen. Die Inszenierung der Freilassung und auch der Gesundheitszustand der Geiseln hatte in Israel für Entsetzen und Wut gesorgt.

Aufnahmen von der Geiselübergabe an Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) zeigten, wie die drei schwach wirkenden Israelis zunächst von vermummten und bewaffneten Hamas-Mitgliedern auf eine Bühne in Deir al-Balah im Zentrum des Gazastreifens geführt wurden. Sie mussten sich in dem von der Hamas choreografierten Auftritt bei ihren Geiselnehmern bedanken. 

Israels Außenminister: "Geiseln sehen aus wie Holocaust-Überlebende"

Der Gesundheitszustand aller drei Männer ist Krankenhausangaben zufolge schlecht. Israels Staatspräsident Izchak Herzog sprach von einem "zynischen und grausamen Spektakel". Außenminister Gideon Saar verglich die augenscheinlich schlechte körperliche Verfassung der freigelassenen Geiseln mit Überlebenden der Schoah. "Die israelischen Geiseln sehen aus wie Holocaust-Überlebende", schrieb er auf der Plattform X.

Auch eine Organisation von Opferfamilien sprach von Bildern, "die an die Fotos der Überlebenden der Shoah" erinnerten. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) forderte "alle Parteien, einschließlich der Vermittler" auf, "sich zu verpflichten, dass künftige Übergaben würdevoll und unter Wahrung der Privatsphäre erfolgen".

Gesprächsrunde zu zweiter Phase der Waffenruhe startet

Eine israelische Delegation kam derweil zu weiteren Gesprächen über eine Fortsetzung der Waffenruhe in Katar an. Angehörige der weiter im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln werfen Israels Regierung vor, die nächste Gesprächsrunde nicht entschlossen genug anzugehen. 

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe die Unterhändler angewiesen, vorerst nur über "technische Einzelheiten" zu verhandeln, berichteten israelische Medien unter Berufung auf hohe Regierungsbeamte. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 09. Februar 2025 um 14:00 Uhr.