Ein Mann verteilt Brot in Damaskus.

Not nach Assad-Sturz Den Syrern geht das Brot aus

Stand: 12.12.2024 12:42 Uhr

Nach dem Sturz von Syriens Diktator Assad sind die Preise für Waren wie Brot durch die Decke gegangen. Schon vorher lebten 90 Prozent der Menschen in Armut, nun wird die Not noch größer. Auf die Aufständischen kommt viel Arbeit zu.

Von Anna Osius, ARD Kairo, zzt. Damaskus

Sie warten seit Stunden in der Kälte: Syrerinnen und Syrer in der Hauptstadt Damaskus, die an einer Bäckerei Schlange stehen, um subventioniertes Brot zu erhalten. Die Stimmung ist gereizt, viele stehen hier schon zu lange, die Nerven liegen blank.

Ein Mann ist es leid zu warten, er verliert die Nerven. Die anderen versuchen, ihn zu beruhigen: "Bleib ruhig. Wir sind doch nicht das Assad-Regime", sagen sie. Hussein hat nach Stunden des Wartens ein paar Fladenbrote ergattert und klagt: "Unser Leben ist miserabel. Schau, wie wir hier in der Kälte stehen, es ist hoffnungslos."

Eine gestürzte Statue von Hafez al-Assad in Damaskus.

Mit dem Sturz des Assad-Regimes sind in Damaskus Preise für Grundnahrungsmittel wie Brot explodiert.

Brot kostet jetzt ein Vermögen

Seit dem Sturz von Syriens Machthaber Baschar al-Assad ist in Damaskus neben anderen Waren auch Brot unglaublich teuer geworden. "Vorher haben wir 400 syrische Lira gezahlt", berichtet Alaa, die auch auf Brot wartet. "Jetzt zahlen wir 2.000."

Auch wenn das umgerechnet nur wenige Cent sind, für die Syrerinnen und Syrer ist es teilweise ein Vermögen. Alaa hat keine Arbeit - um über die Runden zu kommen, ist sie zur Zwischenhändlerin geworden, gesteht sie.

Damit arbeitet sie quasi auf dem Fladenbrot-Schwarzmarkt: Sie ergattert das Brot günstig und verkauft es dann an Leute, die nicht anstehen möchten, teurer weiter. "Was soll ich machen? Wenn wir nicht arbeiten, haben wir nichts zu essen. Und ich habe keine Arbeit, deshalb verdiene ich mir mit dem Brot etwas dazu."

Ramin Sina, ARD Kairo zzt. Damaskus, mit Eindrücken aus der Hauptstadt

tagesschau, 12.12.2024 17:00 Uhr

Mehr als 90 Prozent leben in Armut

Die humanitäre Lage in Syrien ist äußerst schwierig, mehr als 90 Prozent der Menschen leben in Armut. Seit dem Fall von Diktator Assad sind die Lebensmittelpreise noch einmal kräftig gestiegen.

Viele Grenzübergänge wurden geschlossen, und das habe die Lieferketten unterbrochen, erklärt Jens Laerke, Sprecher des UN-Nothilfebüros OCHA. "Kürzungen beim Brot und anderen Hauptlebensmitteln treiben die Preise in die Höhe. Humanitäre Hilfe wird dringend benötigt, aber Geld ist ein Problem: Der Nothilfeplan für dieses Jahr in Höhe von vier Milliarden Dollar wurde erst zu einem Drittel finanziert."

Es ist einer der Gründe, warum Deutschland jetzt spontane humanitäre Hilfe für Syrien angekündigt hat: Acht Millionen Euro sollen kurzfristig zur Verfügung gestellt werden, damit rasch Hilfe zu den Menschen komme. Doch das Geld werde nicht lange reichen angesichts der großen Not in Syrien, sagen Beobachter. 

"Nach fast 14 Jahren Bürgerkrieg ist der Bedarf riesig. Mehr als 17 Millionen Menschen in Syrien brauchen humanitäre Hilfe. Und durch die jüngsten Ereignisse wurde rund eine weitere Million Menschen vertrieben", sagt Laerke.

Hoffnung für die Zukunft?

Es sind keine guten Aussichten für Syrien - auf die Aufständischen kommt Arbeit zu. Um Syrien wirklich helfen zu können und auch die gegen das Assad-Regime verhängten Sanktionen zu lockern, müssten ein paar Voraussetzungen erfüllt sein, sagt der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen.

"Wenn sich die syrischen Parteien einigen und wir die verschiedenen Gesellschaftsgruppen zusammenbringen, dann kann wirklich etwas ganz Neues entstehen", so Pedersen. "Dann sehen wir auch eine geeinte internationale Gemeinschaft, um die Syrer zu unterstützen."

Das gibt Hoffnung für die Zukunft, doch die Menschen in Damaskus ächzen jetzt schon unter den hohen Preisen. Sogar elegant gekleidete Anwohner aus höheren Schichten mischen sich verschämt unter die anderen in der Schlange.

An die neuen Machthaber in Syrien, die islamistischen Aufständischen, haben Alaa, Hussein und viele Andere nur einen Wunsch: die Wirtschaft in Schwung bringen - damit die Menschen in Syrien Arbeit haben und sich das Brot wieder leisten können.

Sorgen der Minderheiten im multiethnischen Syrien

Ramin Sina, ARD Kairo zzt. Damaskus, tagesschau, 12.12.2024 20:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 12. Dezember 2024 um 12:12 Uhr.