Angaben von Aktivisten Erstmals seit 2016 wieder Luftangriffe auf Aleppo
Innerhalb weniger Stunden haben Dschihadisten große Teile der syrischen Millionenstadt Aleppo unter ihre Kontrolle gebracht. Um die Offensive zu stoppen, fliegt nun Russland erstmals seit acht Jahren offenbar wieder Luftangriffe.
Zum ersten Mal seit 2016 ist die syrische Großstadt Aleppo von russischen Luftangriffen erschüttert worden. Das meldet die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London. Syriens Verbündeter Russland habe ein Viertel im Westen der Stadt angegriffen, berichten die Aktivisten, deren Angaben nicht unabhängig überprüft werden können.
Bei einem weiteren Luftangriff auf das Zentrum sollen nach Angaben der Beobachtungsstelle mindestens 16 Menschen getötet worden sein. Bei dem mutmaßlichen Angriff russischer Kampfflugzeuge seien außerdem mindestens 20 Personen verletzt worden.
Die Aufständischen unter der Führung der Islamistenorganisation Haiat Tahrir al-Scham (HTS) haben offenbar große Teile Aleppos unter ihre Kontrolle gebracht. Sie kontrollierten dort nun Regierungsgebäude und Gefängnisse, berichtete die Beobachtungsstelle. Zudem seien einige strategisch bedeutsame Orte in den benachbarten Provinzen Idlib und Hama nun unter ihrer Kontrolle. Die Organisation bezieht ihre Informationen von einem Netz aus Informanten vor Ort.
Regierungstruppen haben sich demnach in einen Vorort der Stadt zurückgezogen. Auch der Gouverneur und Polizeipersonal hätten das Stadtzentrum verlassen, hieß es.
Syrische Regierung kündigt Gegenangriff an
Die syrische Regierung von Präsident Baschar al-Assad hat mittlerweile bestätigt, die Kontrolle über große Teile der Millionenstadt Aleppo an Rebellen verloren zu haben. Es sei "terroristischen Organisationen" gelungen, in weite Teile der Stadt einzudringen, hieß es in einer von der Staatsagentur Sana verbreiteten Mitteilung der syrischen Streitkräfte.
Die Aufständischen hätten es aber bislang nicht geschafft, dort Stellungen einzurichten, weil weiterhin gezielte Schläge gegen sie ausgeführt würden. Regierungstreue Truppen warteten derzeit auf Verstärkung, um einen Gegenschlag auszuführen.
Streitkräfte der Regierung bestätigen Verluste
Nach Darstellung der syrischen Streitkräfte griffen die Rebellen in den vergangenen Tagen entlang einer mehr als 100 Kilometer langen Frontlinie in der Umgebung der Städte Aleppo und Idlib an. Sie seien dabei von "Tausenden ausländischen Terroristen" unterstützt worden, und mit schweren Waffen und einer großen Anzahl von Drohnen vorgerückt, hieß es. Dutzende Soldaten der Regierung seien gefallen.
Aufgrund der großen Zahl der Angreifer und der vielen Fronten habe man entschieden, sich zurückzuziehen und einen Gegenangriff vorzubereiten.
Mehr als 300 Tote
Eine Allianz von Aufständischen hatte in dieser Woche bei einer Offensive im Nordwesten des Landes überraschend große Gebietsgewinne erzielt. Vor dem Eindringen in Aleppo hatten die Rebellen bei den heftigsten Kämpfen seit Jahren bereits Dutzende Orte in der Umgebung von Idlib und westlich von Aleppo unter ihr Kontrolle gebracht.
Bei den Gefechten wurden den Aktivisten zufolge bisher 301 Menschen getötet. Darunter seien auch 28 Zivilisten gewesen.
Russland unterstützt Assad seit 2015
Russland hatte 2015 in den syrischen Bürgerkrieg eingegriffen und trug mit seiner überlegenen Luftwaffe dazu bei, dass Präsident Baschar al-Assad seine wankende Machtstellung wieder festigen konnte. Inzwischen kontrolliert seine Regierung wieder zwei Drittel des Landes. Wegen des Ukraine-Kriegs verringerte Moskau aber ab 2022 seine Truppenpräsenz in Syrien.