Ursula von der Leyen mit anderen Teilnehmern eines Krisengipfels in Brüssel.

EU-Krisengipfel "Ein entscheidender Moment für Europa"

Stand: 06.03.2025 16:31 Uhr

Auf dem Krisengipfel zur Verteidigung Europas und der Ukraine haben viele Staats- und Regierungschefs bekräftigt, dringend aufrüsten zu müssen. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen sprach von einem Wendepunkt für die Sicherheit Europas.

Angesichts einer drohenden Abkehr der USA von Europa diskutieren die EU-Staats- und Regierungschefs derzeit in Brüssel auf einem Krisengipfel. Dabei wird über eine Erhöhung europäischer Verteidigungsausgaben sowie über die Unterstützung der Ukraine beraten.

Zahlreiche EU-Staats- und Regierungschefs haben bei dem Treffen ihren Zuspruch für eine Wiederaufrüstung Europas geäußert. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte dafür einen Plan präsentiert und hofft, dass er beim Gipfel die notwendige Zustimmung bekommt. Dafür könnten insgesamt fast 800 Milliarden Euro mobilisiert werden, so die Erwartung der Kommission.

Nico Lange, Militärexperte, zum EU-Sondergipfel zur Ukraine

tagesschau24, 06.03.2025 15:00 Uhr

"Wendepunkt für die Sicherheit Europas"

Von der Leyen sprach von einem Wendepunkt für die Sicherheit Europas. "Dies ist ein entscheidender Moment für Europa", sagte sie am Rande des Gipfels. "Europa sieht sich einer klaren und gegenwärtigen Gefahr gegenüber." Deshalb müsse Europa in der Lage sein, sich selbst zu schützen und sich zu verteidigen.

Sie habe den Staats- und Regierungschefs deshalb einen Wiederaufrüstungsplan vorgelegt, so von der Leyen. Die Kommissionschefin hatte "ein neues EU-Finanzierungsinstrument" vorgeschlagen, um die Mitgliedsländer bei der Aufrüstung zu unterstützen. Es soll Darlehen in Höhe von 150 Milliarden Euro umfassen, die durch den EU-Haushalt abgesichert sind. Sie sprach sich zudem dafür aus, die europäischen Schuldenregeln mittels einer nationalen Ausnahmeklausel zunächst für vier Jahre zu lockern.

Auch Scholz für Lockerung der Schuldenregeln

Bundeskanzler Olaf Scholz will noch weiter gehen. Er sprach sich für "eine langfristige Anpassung des Regelwerks" aus, damit die Länder "Spielräume haben für ihre langfristigen Investitionen in Verteidigung und Sicherheit". Ziel müsse sein, "dass Europa selber in der Lage ist, seine Sicherheit weiter zu stärken", sagte Scholz am Rande des Treffens.

Der deutsche Vorstoß spiegelt auf europäischer Ebene, was die möglichen Koalitionspartner Union und SPD unter CDU-Chef Friedrich Merz auch national anstreben. Sie hatten in den Sondierungsgesprächen vereinbart, Verteidigungsausgaben weitgehend von der Schuldenbremse auszunehmen. Unterstützung bekam Scholz unter anderem von den baltischen Staaten. Länder wie die Niederlande und Schweden sind laut Diplomaten dagegen skeptisch und warnen bei zu laxen Schuldenregeln vor einer neuen Finanzkrise.

Der voraussichtlich nächste Bundeskanzler Friedrich Merz beriet vor dem Gipfel mit Ratspräsident António Costa darüber, wie die EU-Staaten ihre Verteidigungsfähigkeit schnell stärken und die Ukraine weiter angemessen unterstützen können.

Tusk begrüßt Vorschlag zu französischer Nuklear-Abschreckung

Polens Regierungschef Donald Tusk sagte, Russland werde den Rüstungswettlauf "verlieren wie die Sowjetunion vor 40 Jahren". Europa müsse sich dem von Russland initiierten Wettrüsten stellen und es gewinnen, sagte Tusk, dessen Land in diesem Halbjahr den EU-Ratsvorsitz innehat. "Es muss eine unserer Prioritäten sein, alle unsere Kapazitäten in Europa zu koordinieren und tatsächlich eine einzige, gut koordinierte Militärmacht aufzubauen", sagte Tusk.

Tusk begrüßte auch die Erwägungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, die nukleare Abschreckung Frankreichs auf europäische Partner auszuweiten. "Es muss eine unserer Prioritäten sein, alle unsere Kapazitäten in Europa zu koordinieren und tatsächlich eine einzige, gut koordinierte Militärmacht aufzubauen", sagte Tusk.

"Dramatische Zeiten benötigen ehrgeizige Antworten", Tina Hassel, ARD Brüssel, vom EU-Sondergipfel

tagesschau, 06.03.2025 20:00 Uhr

Macron hatte angeboten über die Möglichkeit zu beraten, Frankreichs nukleare Abschreckung einzusetzen, um den Kontinent vor russischen Bedrohungen zu schützen. Die EU unternehme "entscheidende Schritte nach vorn", hatte Macron am Vorabend des Gipfels in einer Fernsehansprache gesagt. "Die Mitgliedstaaten werden in der Lage sein, ihre Militärausgaben zu erhöhen" und es würden "massive gemeinsame Mittel bereitgestellt", um modernste Munition, Panzer, Waffen und Rüstungsgüter in Europa zu kaufen und zu produzieren. "Die Zukunft Europas darf nicht in Washington oder Moskau entschieden werden", sagte Macron.

Auch Selenskyj in Brüssel

Thema des Krisengipfels ist auch die europäische Unterstützung für die Ukraine. Am Rande des Gipfels stellte sich von der Leyen klar hinter die Ukraine. Europa müsse auch die Ukraine in die Lage versetzen, sich selbst zu schützen, sagte sie.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der auch Teilnehmer des Gipfels ist, dankte den europäischen Staaten. "Ich möchte all unseren europäischen Staats- und Regierungschefs danken", sagte er. "Sie haben uns von Beginn des Krieges an stark unterstützt. Während dieser ganzen Zeit und in der letzten Woche sind Sie an unserer Seite geblieben."

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas kritisierte das Einfrieren der US-Militärhilfen für Kiew durch Präsident Donald Trump. Sie nannte dies ein "gefährliches Spiel mit der Zukunft der Ukraine". "Deshalb diskutieren wir auch über eine Verstärkung der Unterstützung für die Ukraine, damit sie den Krieg zu ihren Bedingungen beenden kann", sagte Kallas.

Scholz mahnte mit Blick auf die USA allerdings, im Umgang mit Präsident Trump einen "kühlen und klaren Kopf" zu bewahren. "Wir müssen sicherstellen, dass die Ukraine weiter unterstützt wird", sagte er. Gleichzeitig warnte er erneut vor einem Diktatfrieden in der Ukraine.

Scholz begrüßte auch den Vorstoß aus Frankreich und Großbritannien für eine vorläufige Waffenruhe in der Ukraine, die Angriffe aus der Luft, auf See und auf die Energieinfrastruktur pausieren könnte - und, dass Selenskyj diesen Plan für vorstellbar halte.

Mit Informationen von Kathrin Schmid, ARD Brüssel