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Migration, Wohnen, Sparen Was Österreichs erste Dreierkoalition plant
Nach zähen Verhandlungen haben sich ÖVP, SPÖ und NEOS in Österreich auf eine Koalition geeinigt. Das Dreierbündnis hat sich viel vorgenommen. Eine Hürde steht aber noch aus.
Fünf Monate nach der Wahl und nach drei Verhandlungsrunden in verschiedenen Konstellationen bekommt Österreich wahrscheinlich eine neue Regierung. Zumindest haben sich die konservative ÖVP, die Sozialdemokraten und die liberalen NEOS auf ein gemeinsames Regierungsprogramm geeinigt. Bis dahin war es ein weiter Weg, betont ÖVP-Chef Christian Stocker: "Hinter uns liegen die vielleicht schwierigsten Regierungsverhandlungen in der Geschichte unseres Landes."
Die drei Parteien hatten bereits nach der Wahl miteinander verhandelt - und waren zunächst gescheitert. Die ÖVP wandte sich dann unter einer neuen Parteiführung der in Teilen rechtsextremen FPÖ zu. Auch diese Verhandlungen scheiterten aber. Und so fanden ÖVP, SPÖ und NEOS schließlich doch wieder zueinander. Mit Blick auf die komplizierten Gespräche betonten daher heute alle drei, dass Kompromissfindung eine österreichische Tugend sei.
Härterer Kurs bei Migration vereinbart
Manchen Kapiteln im Programm merkt man die unterschiedlich starken Handschriften der Parteien an. Im Bereich Asyl und Integration etwa die der Konservativen: "Wer dauerhaft bei uns leben will, muss auch unsere Werte verinnerlichen, unsere Sprache erlernen und arbeiten gehen. Deshalb führen wir ein verpflichtendes Integrationsprogramm ab dem ersten Tag ein. Und während dieser Integrationsphase, die drei Jahre betragen wird, wird es auch nur reduzierte Leistungen geben. Und wir werden auch zum Schutz von unmündigen, minderjährigen Mädchen ein verfassungskonformes Kopftuchverbot erarbeiten und umsetzen."
Österreich muss sparen
Das Problem der voraussichtlich neuen Regierung bleibt das Geld. Österreich hat hohe Schulden und muss sparen, um ein EU-Defizitverfahren abzuwenden. Die Parteien haben sich auf einen Doppelhaushalt für dieses und nächstes Jahr geeinigt. Die SPÖ hat dabei durchgesetzt, dass nicht nur bei den Ausgaben gedreht wird, sondern auch bei den Einnahmen, so ihr Chef Andreas Babler.
"Breitere Schultern können größere Lasten tragen. Deswegen freut es mich, dass die SPÖ für diese Regierung mit erreicht hat, dass auch die Banken, die Energiekonzerne, die Immobilienunternehmen und Privatstiftungen einen größeren Beitrag zur Budgetsanierung beitragen werden: durch eine Bankenabgabe, eine Widmungsabgabe in Form einer Immobilieneinkommenssteuer, und die Besteuerung großer Immobiliendeals durch die Grunderwerbssteuer und durch einen Beitrag durch Energieanbieter."
Um die hohe Inflation der vergangenen Jahre wieder einzudämmen, sollen Mieterinnen und Mieter entlastet werden. Vom Staat regulierte Mieten etwa in Altbauten sollen für ein Jahr eingefroren und dann nur mäßig erhöht werden. Am freien Markt soll 2028 die Kopplung der Mieten an die Inflation fallen.
Zustimmung der NEOS-Parteibasis fehlt noch
Um das Vertrauen in den Staat und seine Institutionen zu stärken, soll die Justiz unabhängiger werden, so NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger: "Und daher freue ich mich, dass es gelungen ist, einen Konsens zu finden, dass wir gemeinsam eine Bundesstaatsanwaltschaft als oberste Weisungsspitze im Bereich Justiz einrichten werden."
Meinl-Reisinger warb heute bei ihren Mitgliedern darum, dem Programm zuzustimmen, denn bei den NEOS müssen zwei Drittel der Parteibasis die Koalition absegnen. Die Abstimmung findet am Sonntag statt. Gelingt das nicht, müssten ÖVP und SPÖ wohl alleine regieren. Deren Parteigremien müssen morgen zwar auch noch der Regierung zustimmen. Das gilt aber als wesentlich niedrigere Hürde.