Herbert Kickl

Österreich Koalitionsgespräche von FPÖ und ÖVP gescheitert

Stand: 12.02.2025 19:08 Uhr

Mehr als einen Monat hatten FPÖ und ÖVP über die Bildung einer neuen Regierung verhandelt. Nun sind die Gespräche geplatzt. Wie es weitergehen kann, darüber will Bundespräsident Van der Bellen mit den Parteien in den kommenden Tagen beraten.

In Österreich sind die Koalitionsverhandlungen zwischen der in Teilen rechtsextremen FPÖ und der konservativen ÖVP gescheitert. Dies teilte FPÖ-Chef Herbert Kickl nach einem Treffen mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Wien mit. Er habe den Regierungsauftrag zurückgegeben, sagte Kickl.

Obwohl die FPÖ der ÖVP in vielen Punkten entgegengekommen sei, "waren die Verhandlungen zu unserem Bedauern letztlich nicht von Erfolg gekrönt", hieß es in einem Schreiben Kickls an das Staatsoberhaupt.

Die ÖVP machte wiederum die FPÖ für das Scheitern der Regierungsbildung verantwortlich. Dies sei "am Machtrausch und der Kompromisslosigkeit von Herbert Kickl gescheitert", teilte ÖVP-Generalsekretär Alexander Pröll laut der österreichischen Nachrichtenagentur APA mit. Kickl sei in der Rolle des Oppositionspolitikers stecken geblieben und nie in der eines Regierungschefs angekommen.

Anna Tillack, ARD Wien, zu den gescheiterten Regierungsgesprächen in Österreich

tagesschau24, 12.02.2025 15:00 Uhr

Van der Bellen appelliert an Kompromissfähigkeit

Bundespräsident Van der Bellen kündigte in einem Statement an, in den kommenden Tagen Gespräche mit den Parteien zu führen. Das geschehe "so schnell wie möglich, so lange wie nötig". Eine liberale Demokratie lebe vom Kompromiss, so der Appell des 81-Jährigen.

"Der Kompromiss ist in Verruf geraten", sagte das Staatsoberhaupt. Aber ohne dieses "österreichische Erfolgsrezept" werde es nicht gehen. Er forderte die parlamentarischen Parteien auf, sich auf das Staatsganze zu konzentrieren. 

Van der Bellen listete vier Möglichkeiten dafür auf, wie es weitergehen könnte: Der Nationalrat könnte Neuwahlen beschließen, eine Minderheitsregierung könnte gebildet werden, für eine gewisse Zeit eine Expertenregierung einberufen - oder doch noch eine Mehrheitsregierung gefunden werden: auf Basis der Ergebnisse vom Herbst.

Große Unterschiede

Die Koalitionsverhandlungen waren von Anfang an von Unterschieden vor allem in außen- und sicherheitspolitischen Fragen überschattet. Die FPÖ war gegen eine weitere Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland. Zudem ist die FPÖ extrem EU-kritisch, die ÖVP nicht.

Insgesamt war in den rund vierwöchigen Gesprächen aber vor allem klar geworden, dass beide Parteien eine andere Weltsicht haben. Während die ÖVP auf die enge internationale Einbindung der kleinen Alpenrepublik setzt, hatte die FPÖ immer wieder ihren Slogan von der "Festung Österreich" propagiert. ÖVP-Chef Christian Stocker hatte die FPÖ aufgefordert, angesichts der neuen Verantwortung nun von weit rechts in die politische Mitte zu rücken. Die Atmosphäre zwischen FPÖ und ÖVP wurde im Laufe der Verhandlungen immer angespannter.

Streit um Innen- und Finanzministerium

Die Parteien hatten sich zuletzt vor allem über die Verteilung der Ministerien gestritten. Hauptknackpunkt war, dass die FPÖ neben dem Kanzleramt auch auf das Finanz- und Innenministerium pochte. Sie bot eine Ressortverteilung an, wonach die FPÖ sechs und die ÖVP sieben Ministerien bekommen hätte, darunter das Außenministerium.

Die Konservativen waren aber auch am Finanz- und Innenministerium interessiert. Sie schlugen als Entgegenkommen vor, dass die FPÖ ein eigenes Asyl- und Migrationsministerium bekommen könnte. Im Gegenzug solle die ÖVP das Innenressort samt Geheimdienst und auch das Finanzministerium erhalten.

Die FPÖ wies dies zurück. Sie selbst müsse das Finanzministerium übernehmen und die nötige Haushaltskonsolidierung mit dem Kanzler vorantreiben. Dies sei das Gebot der Stunde. Zudem dürfe die ÖVP dieses Ministerium nicht behalten, weil sie für die finanzielle Schieflage des Landes mitverantwortlich sei. Den Vorschlag der Konservativen zum Innenministerium lehnte die FPÖ ebenfalls ab.

Das Scheitern der Gespräche verhindert vorerst, dass erstmals ein Rechtspopulist österreichischer Regierungschef wird. Die potenzielle Koalition war in Teilen der Bevölkerung mit großer Sorge beobachtet worden. Bei Demonstrationen gegen den drohenden Rechtsruck gingen bis zu 30.000 Menschen auf die Straße.

Wie geht es jetzt weiter?

Nach dem Scheitern der Koalitionsgespräche sind Neuwahlen eine mögliche Variante. Die sozialdemokratische SPÖ und die liberalen NEOS hatten allerdings zuletzt massiv für einen zweiten Anlauf von Dreier-Koalitionsgesprächen mit der ÖVP geworben, nachdem Verhandlungen dieser Mitte-Parteien im Januar gescheitert waren.

Erneute Wahlen müsste die FPÖ nicht fürchten. Nach ihrem Sieg bei den Parlamentswahlen im Herbst 2024 mit knapp 29 Prozent könnte die Partei laut Umfragen inzwischen mit etwa 34 Prozent rechnen. ÖVP und SPÖ kämen den Demoskopen zufolge auf jeweils rund 20 Prozent, die NEOS auf rund zehn Prozent, die Grünen auf etwa acht Prozent der Stimmen. Bis zur Bildung einer neuen Regierung bleiben die bisherigen Minister aus ÖVP und Grünen im Amt.

Als Alternative zu Neuwahlen wäre auch die Einsetzung einer Experten- oder Übergangsregierung durch Bundespräsident Van der Bellen denkbar.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 12. Februar 2025 um 15:00 Uhr.