Familien verlassen mit Taschen die griechische Insel Santorini.

Tausende verlassen Santorini "Alle fünf Minuten bebt die Erde"

Stand: 04.02.2025 17:32 Uhr

Mit teils gemischten Gefühlen verlassen die Menschen wegen der Beben die Urlaubsinsel Santorini: Sie wollen sich in Sicherheit bringen, müssen aber auch Verwandte zurücklassen. Forscher blicken mit Sorge auf das Epizentrum.

Von Moritz Pompl, ARD Athen

Sie habe die ganze Nacht und auch tagsüber die Erdbeben gespürt, erzählt eine mexikanische Touristin auf Santorini. Erst tags zuvor ist sie auf die Insel gekommen. "Nachts habe ich die ganze Zeit geweint, weil ich Angst hatte", sagt sie.

So wie ihr geht es vielen auf der beliebten Urlaubsinsel. Inzwischen haben rund 9.000 Menschen Santorini verlassen, teils mit Sonderfähren und Zusatzflügen, die auch heute weiter angeboten werden. Gestern bildeten sich Richtung Inselhafen lange Autoschlangen. Menschen, die ein Ticket bekommen haben, berichten, das sei nicht leicht gewesen.

Jetzt brechen sie teils mit gemischten Gefühlen auf. "Ich muss meine Mutter, meinen Vater und meinen Bruder hier lassen. Hoffen wir, dass alles gut geht", sagt eine Frau schluchzend. Ein Mann fragt: "Wir müssen weg, was sollen wir machen? Hierbleiben?" Ein anderer berichtet: "Alle fünf Minuten bebt die Erde. Und die Kinder, alle weinen."

Notfallpläne sind ausgearbeitet

Ein mulmiges Gefühl haben viele. Panik kommt aber nicht auf, auch dank der strukturierten Vorsichtsmaßnahmen. Der Bürgermeister des Hauptortes Firá auf Santorini, Nikos Zorzos, verweist auf die ausgearbeiteten Notfallpläne: "Wir weisen klar die sicheren Plätze auf der Insel aus und bereiten mögliche Essensausgaben vor", erklärt er. "Sogar wenn jemand eine spezielle Ernährung braucht, haben wir das Dorf für Dorf abgefragt - und auch, was Menschen mit Behinderung angeht, die transportiert werden müssten."

Militär und Rettungskräfte sind auf die Insel gebracht worden, vorsorglich mit Notstromgeneratoren und Rettungshunden. Sie haben Zelte errichtet, in denen im Notfall Menschen untergebracht oder medizinisch behandelt werden können.

Für diejenigen, die vor Ort bleiben, gelten Vorsichtsmaßnahmen: Besonders steile Küstenabschnitte sind wegen Steinschlags zu meiden. Auf Videos im Internet ist zu sehen, wie es bereits zu solchen Abgängen gekommen ist. Schulen und Kindergärten bleiben die ganze Woche geschlossen.

Karte:Athen, Griechenland  und die Insel Santorini

Erinnerungen an die Katastrophe von 1956

Die derzeitige Erdbebenserie mit Hunderten kleinerer und mittlerer Erschütterungen hält seit Ende Januar an, mit einer leichten Tendenz nach oben. Die Geologin Evi Nomikoú von der Universität Athen kennt die Gegend in all ihren Details. Und trotzdem staunt sie über das, was sich jetzt abspielt. Eine solche Häufung sei ungewöhnlich. "Das ist eine Serie von Erdbeben mit bis zu 5,1 auf der Richterskala", sagt Nomikoú. Das mache ihr Sorgen. Denn die Beben würden genau an jener Stelle unter dem Meer auftreten, wo sich das schwere Erdbeben von 1956 zugetragen habe.

Damals hatten sich an einer Plattenverwerfung zwischen Santorini und der Nachbarinsel Amorgos zwei schwere Erdbeben ereignet - mit einer Stärke von bis zu 7,7 auf der Richterskala. Das löste einen Tsunami mit bis zu 25 Meter hohen Wellen aus. Viele Häuser wurden zerstört, mehr als 50 Menschen verloren ihr Leben.

Frühwarnsysteme können Leben retten

Jetzt rätseln Forscherteams, ob sich wirklich ein großes Erdbeben anbahnt oder ob die vielen kleineren Erdbeben den Druck aus der Erde nehmen könnten. Wie lange die Serie andauern mag, weiß niemand.

Gleichzeitig ist klar, dass die Insel besser gegen solche Ereignisse gewappnet ist als in den 1950er-Jahren. Die Häuser sind erdbebensicherer geworden. Jeder auf Santorini und den Nachbarinseln wird per SMS gewarnt, wo es gefährlich ist und wo man sich in Sicherheit bringen kann. Und durch die Frühwarnsysteme können sich viele, so wie jetzt, rechtzeitig in Sicherheit bringen - sollte wirklich ein schweres Erdbeben folgen.

Moritz Pompl, ARD Athen, tagesschau, 04.02.2025 15:35 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 04. Februar 2025 um 17:00 Uhr.