Aktionswoche gestartet Bauernproteste sorgen bundesweit für Störungen
Seit dem Morgen protestieren Bauern bundesweit gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung. In zahlreichen Städten und etwa an Autobahnen gibt es Blockaden und erhebliche Verkehrsbehinderungen. Die Polizei rief zu einem friedlichen Umgang auf.
Mit Blockaden an Autobahnauffahrten und Traktorkolonnen haben die bundesweiten Bauernproteste begonnen. In Mecklenburg-Vorpommern etwa blockierten Landwirte landesweit mit Hunderten Traktoren Auffahrten von Autobahnen. Unterstützt wurden sie von Speditionsunternehmen, die gegen die Erhöhung der Lkw-Maut protestierten.
Auf der A81 bei Böblingen in Baden-Württemberg waren nach Polizeiangaben in einer unangemeldeten Demonstration mehrere Traktoren auf der Autobahn unterwegs. Im Kreis Cloppenburg in Nordwestniedersachsen wurde eine Bundesstraße von 40 Fahrzeugen blockiert.
In Sachsen waren laut Polizei etwa im Raum Dresden einige Autobahnauffahrten nicht nutzbar. In Bayern meldete die Polizei vielerorts Verkehrsbehinderungen, etwa weil Straßen nur einspurig befahrbar waren oder Autobahnauffahrten blockiert wurden.
Weitere Blockaden und Verkehrsbehinderungen durch langsam fahrende Traktorenkonvois gab es darüber hinaus am Vormittag in praktisch allen Bundesländern von Süddeutschland über Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen bis nach Schleswig-Holstein.
Mehr als 5.000 Traktoren in München
Auch in den Städten kam es zu Protestaktionen. In Hamburg und Bremen erreichten größere Treckerkonvois die Stadtgebiete und blockierten den Verkehr, wie die Polizei mitteilte. Dort wollen sich laut Demonstrationsanmeldungen jeweils 2.000 Traktoren versammeln.
Am Brandenburger Tor in Berlin kamen bis zehn Uhr laut der Polizei Protestteilnehmer mit 566 Traktoren, Lkw, Autos, Transportern und Anhängern zusammen. Neben den Bauern nahmen dort auch viele Bus- und Lastwagenfahrer an dem Protest teil, auch viele Handwerker befanden sich demnach unter den Demonstranten. In München begleitete die Polizei nach eigenen Angaben rund 5.500 Traktoren aus der umliegenden Region in Richtung Innenstadt, wo später eine Kundgebung geplant ist.
Komplette Städte abgeriegelt
Durch Stralsund in Mecklenburg-Vorpommern bewegte sich laut Polizei "ein etwa 20 Kilometer Konvoi mit rund 1.000 Fahrzeugen". Aus Brandenburg meldeten die Beamten die Abriegelung kompletter Städte durch protestierende Landwirte. Es bestehe "aktuell keine Möglichkeit", in das Stadtgebiet von Brandenburg an der Havel einzufahren, teilte die Polizei im Kurzbotschaftendienst X, ehemals Twitter, mit. Auch die Zufahrt nach Cottbus werde voraussichtlich in kürzester Zeit nicht mehr möglich sein.
In Rheinland-Pfalz bewegte sich laut Polizei ein 18 bis 20 Kilometer langer Konvoi mit mehr als 1.000 Traktoren und Lastwagen über die Autobahn 63 in Richtung der Landeshauptstadt Mainz. Die Autobahn war demnach voll gesperrt. Auch in Düsseldorf in Nordrhein-Westfalen waren nach Angaben der Polizei am Montag bereits zahlreiche demonstrierende Bauern mit schweren Maschinen unterwegs.
Proteste bringen Produktion in VW-Werk zum Erliegen
Im Zuge der Bauernproteste kam auch die Produktion am Volkswagen-Werk in Emden in Ostfriesland zum Erliegen. "Die Produktion steht heute", sagte eine VW-Sprecherin. Die Wege zum Werk seien durch die Bauernproteste versperrt gewesen. Es sei für die Beschäftigten daher nicht möglich, zur Arbeit zu kommen.
Betroffen war die Produktion der Verbrenner-Modelle. Die Fertigung der E-Autos soll planmäßig nach den Weihnachtsferien erst in der kommenden Woche wieder anlaufen. Wie viele Beschäftigte genau von dem Ausfall betroffen waren, ist nicht bekannt. Am Dienstag soll die Produktion wieder aufgenommen werden.
Demonstrant von Auto erfasst
Ein Teilnehmer der Proteste in Niedersachsen wurde von einem Autofahrer erfasst und verletzt. Das teilte die Polizeidirektion Oldenburg auf der Plattform X, vormals Twitter, mit. Der Vorfall ereignete sich bei Friesoythe. Der Autofahrer wollte demnach eine Blockade über einen Geh- und Radweg umfahren, wobei er mit einem Demonstranten kollidierte. Der Fahrer flüchtete nach Angaben der Beamten zunächst, wurde später aber gestellt.
Ein Sprecher der Polizei sagte, der Teilnehmer sei mutmaßlich schwer verletzt. Er sei mit einem Rettungshubschrauber in eine Klinik gebracht worden. Genauere Angaben konnte die Polizei nicht machen. Es sei noch unklar, ob der Autofahrer den Teilnehmer beim Umfahren absichtlich verletzt habe oder nicht.
"Wir appellieren an die Friedlichkeit"
Mehrere Kultusministerien der Länder kündigten an, dass Schüler entschuldigt werden, sollten sie es wegen der Aktionen nicht zum Unterricht schaffen. Im Landkreis Friesland (Niedersachsen) fiel heute etwa wegen der angekündigten Protestaktionen der Präsenzunterricht an allen allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen aus.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, rief die Teilnehmer der Proteste zur Friedfertigkeit auf. "In Anbetracht der zu erwartenden Massen an Protestierenden wird die Polizei sehr schnell, sehr stark flexibel in Deutschland agieren müssen. Dafür ist sie aber nicht ausreichend aufgestellt", sagte Kopelke den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wir appellieren daher an die Friedlichkeit und Sensibilität der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und insbesondere an die verantwortlichen Versammlungsleiter."
Scholz: Kein Abrücken von Agrar-Beschlüssen
Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte, er wolle trotz der Proteste an den Kürzungsplänen der Ampel festhalten. "Die Bundesregierung steht dazu", sagte er nach einem Treffen mit Luxemburgs Premierminister Luc Frieden im Kanzleramt in Berlin. Die Subventionen seien schon seit vielen Jahren kritisiert worden - und bei einem Subventionsabbau gebe es immer Stimmen, die sagen, "aber nicht diese". Nun bleibe die Regierung bei ihrem Vorhaben, das "in sehr kurzer Zeit" im Bundestag zur Abstimmung stehen solle.
Mit Blick auf die Protestwoche der Bauern sagte der Kanzler: "Kritik ist Teil der Demokratie. Sie ist nötig und gehört dazu. Darüber darf sich keiner beschweren. Ich tue es jedenfalls nicht." Scholz fügte hinzu: "Der Zweck heiligt natürlich nicht alle Mittel. Deshalb sei angesichts des Entgegenkommens der Bundesregierung, die Teile der Kürzungen beim Agrardiesel nach Protesten bereits wieder zurückgenommen hat, wichtig, "dass jetzt Maß und Mitte gehalten werden". Das solle auch ein Anliegen von Demokratinnen und Demokraten sein, "gerade in Zeiten wie diesen".
Verband bittet um Verständnis
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, bat die von den Blockadeaktionen der Landwirte betroffenen Menschen erneut um Verständnis. Es gehe um "die Zukunft unserer Bauernfamilien" und auch um die Ernährungssicherheit und somit "die Zukunft unseres Landes", sagte Rukwied am Rande der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe in Kloster Seeon. Die Politik der Bundesregierung richte sich gegen die deutschen Bauern. "Hier versucht man ein Abwicklungsszenario auf den Weg zu bringen, das absolut inakzeptabel ist", sagte Rukwied weiter.
Der Bauernverband hatte zu der Aktionswoche aufgerufen, um gegen die Streichung von Subventionen für die Branche zu demonstrieren. Dabei geht es vor allem um die Steuervergünstigung von Agrardiesel. Eine teilweise Rücknahme der Sparpläne der Bundesregierung reicht dem Verband nicht aus.
Weil fordert Rücknahme von Kürzungen
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil forderte die Ampel-Regierung auf, ihre geplanten Subventionskürzungen für die Landwirtschaft zurückzunehmen. Es sei seine "dringende Empfehlung an die Bundesregierung, klaren Tisch zu machen", sagte der SPD-Politiker im Morgenmagazin von ARD und ZDF. "Ich glaube, es wäre gut, wenn man diesen Konflikt beenden würde", fügte er hinzu.
Weil nannte als Beispiel die Streichung des Agrardiesels, die schrittweise bis 2026 erfolgen soll. Dies sei gerade für kleinere Betriebe "eine arge Belastung". Auch die höheren CO2-Preise würden die Landwirte treffen.