Bundestagswahl 2025

Unionskanzlerkandidat Merz.

ARD-Hochrechnung zur Bundestagswahl Schwache Union sucht Partner zum Regieren

Stand: 23.02.2025 23:24 Uhr

Die Union gewinnt mit schwachem Ergebnis die Bundestagswahl und dürfte mit Merz den Kanzler stellen. Die SPD erlebt ein Debakel. Die AfD triumphiert. Die Grünen wollen mitregieren. Die Linke feiert, andere zittern. Die Regierungsbildung? Schwierig.

Machtwechsel in Deutschland: Die Union mit ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz ist bei der Bundestagswahl stärkste Kraft geworden. Mit 28,5 Prozent bleibt sie aber unter der angepeilten 30-Prozent-Marke. Das Ergebnis ist das bislang zweitschlechteste der Union bei einer Bundestagswahl.

Merz kündigte nun eine schnelle Regierungsbildung an. Aber Kanzler ist er noch lange nicht. Er braucht Partner - wie viele ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar. Das hängt davon ab, ob FDP und BSW noch in den Bundestag einziehen. Sollten sie dies nicht schaffen, wäre rechnerisch eine Koalition von Union und SPD möglich. Schaffen FDP oder BSW doch noch den Sprung in den Bundestag, wären nur Bündnisse von drei Parteien möglich. Denkbar wäre dann zum Beispiel CDU/CSU, SPD zusammen mit Grünen oder FDP.

"Ich weiß, dass es nicht einfach werden wird", sagte Merz mit Blick auf die unklaren Mehrheitsverhältnisse. Das Land könne sich aber nun keine langatmige Regierungsbildung leisten: "Die Welt da draußen wartet nicht auf uns."

AfD mit Rekordergebnis

Größter Gewinner des Wahlabends ist die AfD. Die extrem rechte Partei konnte ihr Ergebnis von 2021 etwa verdoppeln und kommt nun auf 20,7 Prozent - ein Rekordwert für die AfD auf Bundesebene. Erstmals in ihrer Geschichte war sie mit einer Kanzlerkandidatin angetreten - und Alice Weidel gab das Ziel aus, Regierungsverantwortung übernehmen zu wollen. 

Weidel wertete die massiven Zugewinne ihrer Partei als "historisches Ergebnis". Damit habe sich die AfD "als Volkspartei nun fest verankert". Die AfD-Chefin äußerte sich zu einer Beteiligung an einer Regierung bereit: "Unsere Hand wird immer ausgestreckt sein", sagte sie.

Der AfD kam die Krisenstimmung, die Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik und die Angst vieler Menschen vor sozialem Abstieg und Zuwanderung zugute. Doch auch abseits ihrer Kernthemen konnte sie offenbar überzeugen, etwa auf dem Feld der Wirtschaftspolitik. Die AfD wird für immer mehr Menschen wählbar, der Trend zur Normalisierung der Partei setzt sich damit fort. Der Verfassungsschutz stuft die AfD als in Teilen rechtsextrem ein. Alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien haben Koalitionen mit ihr ausgeschlossen.

SPD stürzt auf dritten Platz ab

Die Kanzlerpartei SPD ist abgewählt. Mit 16,5 Prozent stürzen die Sozialdemokraten nicht ins Bodenlose, aber auf einen neuen historischen Tiefstwert. Erstmals in ihrer Geschichte sind sie nur noch drittstärkste Kraft bei Bundestagswahlen.

"Das ist ein bitteres Wahlergebnis für die Sozialdemokratische Partei", sagte Kanzler Olaf Scholz. Von einer "Zäsur" sprach SPD-Chef Lars Klingbeil. Es müsse jetzt "der Generationenwechsel" eingeleitet werden. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, der auch mal als Kanzlerkandidat der SPD im Gespräch war, nannte das Ergebnis "niederschmetternd" und "katastrophal".

Die SPD dürfte sich nun neu sortieren und auch personelle Konsequenzen ziehen. Ob sie als Juniorpartner der Union erneut in die Regierung geht, ließ Generalsekretär Matthias Miersch offen. Da gebe es "keinen Automatismus". Scholz wird bei möglichen Gesprächen keine führende Rolle übernehmen. "Ich werde, wenn es Gespräche gibt, zum Beispiel zwischen der SPD und der Union, nicht der Verhandlungsführer der SPD sein", sagte er in der "Berliner Runde" von ARD und ZDF.

Fakt ist: Die SPD und Kanzler Scholz sind die großen Verlierer des Ampel-Experiments auf Bundesebene. Der breite Unmut und die große Unzufriedenheit mit der Regierung trifft vor allem die Kanzlerpartei. Mit Scholz traten sie zudem mit einem extrem unbeliebten Spitzenkandidat. Scholz' Ansehen und das Vertrauen in seine Krisenlösungskompetenz als Kanzler sind seit 2021 dramatisch gesunken. Von einem Amtsbonus konnte keine Rede sein. Eher von einem Regierungsmalus. Hatte die Scholz-SPD 2021 noch das "Wahlkampf-Wunder" geschafft - diesmal blieb es aus.

Auch die Grünen verlieren

Die Grünen kommen auf 11,7 Prozent und damit weniger als 2021, als sie noch 14,7 Prozent erreichten. Von den drei Ampel-Parteien sind ihre Verluste aber am geringsten. Kanzlerkandidat Robert Habeck bezeichnete das Abschneiden seiner Partei als "durchwachsen". Er habe mehr gewollt.

Mitregieren würden die Grünen dennoch gern. "Falls es Bedarf für eine Kenia-Koalition gibt, kann man mit uns darüber reden", sagte er über ein mögliches Bündnis mit CDU/CSU und SPD. Habeck betonte aber, dass die Grünen nicht von sich aus auf Merz für mögliche Koalitionsgespräche zugehen würden.

Die Union hatte die Grünen und Habeck im Wahlkampf scharf attackiert, die CSU schloss auch Bündnisse mit ihnen aus. Heute Abend klang CSU-Chef Markus Söder weniger kategorisch.

Bundestagswahl 2025: Kanzlerkandidat Robert Habeck, B90/Grüne, zum Abschneiden seiner Partei

23.02.2025 18:41 Uhr

Linke kann aufatmen

Ein Comeback in letzter Minute erlebt die schon fast totgeglaubte Linke. Mit ihrem Spitzenduo aus Heidi Reichinnek und Jan van Aken schafft sie 8,7 Prozent und kann wieder für den Bundestag planen.

"Ich bin so unfassbar glücklich über unser Ergebnis", sagte Reichinnek in der ARD. Es sei richtig gewesen, sich auf das Thema Soziales zu konzentrieren.

Bundestagswahl 2025: Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek, Linke, zum Abschneiden ihrer Partei

23.02.2025 17:10 Uhr

FDP und BSW müssen zittern

Für die FDP sieht es schlecht aus. Laut ARD-Hochrechnung liegt die Partei von Christian Lindner mit 4,4 Prozent klar unter der Fünf-Prozent-Hürde und käme damit - wie schon 2013 - nicht mehr in den Bundestag. Am späten Abend zog Lindner Konsequenzen aus dem schlechten Abschneiden seiner Partei und kündigte seinen Rückzug aus der Politik an. "Nun scheide ich aus der aktiven Politik aus", schrieb er im Online-Dienst X.

Lindner war seit Ende 2013 Vorsitzender der FDP. Unter seiner Führung gelang der FDP 2017 der Wiedereinzug in den Bundestag. Lindner war im November von Kanzler Scholz nach einem Streit vor allem um die Schuldenbremse als Finanzminister entlassen worden. Damit war das Aus der Ampel besiegelt. Deshalb wurde die heutige vorgezogene Bundestagswahl nötig.

Bundestagswahl 2025: Christian Lindner, FDP, zum Abschneiden seiner Partei

Sahra Wagenknecht und ihr Bündnis BSW müssen um ihren ersten Einzug in den Bundestag bangen. Das BSW liegt bei 4,9 Prozent. Nach den Erfolgen bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland wäre ein Scheitern ein herber Rückschlag für die junge Partei.

"Wir werden noch zittern müssen", sagte Wagenknecht mit Blick auf die Hochrechnungen. Doch selbst wenn es nicht reichen sollte für den Bundestag, sei dies nicht das Ende des BSW.

Hohe Wahlbeteiligung

Insgesamt waren rund 59,2 Millionen Menschen zur vorgezogenen Wahl aufgerufen. Erstmals wurde nach dem neuen Wahlrecht gewählt, im nächsten Bundestag werden daher maximal 630 Abgeordnete sitzen. Die Deckelung hat zur Folge, dass nicht mehr alle stimmenstärksten Wahlkreiskandidaten auch automatisch in den Bundestag einziehen. Wie viele "leer" ausgehen, wird erst mit dem Endergebnis feststehen.

Das Interesse an der Wahl war enorm: Auf 83,5 Prozent wird die Wahlbeteiligung von Infratest dimap geschätzt. Dies war der höchste Wert seit der Zeit vor der deutschen Vereinigung 1990. Bei der vergangenen Bundestagswahl lag die Wahlbeteiligung bei 76,4 Prozent.