Linken-Parteitag Zurück zu den Kernthemen
Auf ihrem Bundesparteitag präsentiert sich die Linke voller Energie - im Fokus: Sozialthemen. Aber reicht das, um die Partei aus Krise und Umfragetief zu führen?
Kurz vor der Mittagspause steht die körperlich kleinste und in Beliebtheit gemessen größte der drei Silberlocken auf der Bühne des Bundesparteitags der Linken in Berlin und sagt: "Es ist richtig, dass wir in einer Krise waren, aber wir haben es erkannt. Wir haben auch die eigenen Fehler erkannt und nur dadurch entsteht diese wachsende Zustimmung." Es ist nicht der Satz, für den Gregor Gysi den lautesten Applaus bekommt bei dieser Rede, der fällt später und handelt davon, dass Deutschland es nicht verdient habe, wieder rechtsextrem zu werden. Aber es ist der Satz, der die aktuelle Situation der Linken vielleicht am besten beschreibt.
Fokus Bundestagswahl
Die Linke hat sich in den vergangenen Jahren fast nur mit sich selbst beschäftigt. Vor allem durch den andauernden Richtungsstreit mit Sahra Wagenknecht und ihren Anhängern. Wo Wagenknecht "Nein" sagte, sagte die Partei "Ja" und irgendwann war nicht mehr klar, wofür die Linke überhaupt steht. Nicht-Parteimitglieder haben sich abgewandt, Mitglieder sind ausgetreten, Inhalte waren öffentlich kaum noch wahrnehmbar. Zudem wurde die Linke medial schon für tot erklärt, sollte mit Wagenknecht ihr prominentestes Gesicht tatsächlich austreten.
Ein gutes Jahr nach Wagenknechts Austritt muss man sagen: Der Richtungsstreit gehört der Vergangenheit an, in der Partei herrscht wieder mehr Harmonie. In Umfragen liegen BSW und Linke gleichauf.
Ohne Wagenknecht bleibt der Partei Raum, sich auf ihre Kerninhalte wie soziale Gerechtigkeit und gesellschaftliche Umverteilung zu konzentrieren. Mit einer Vergleichsapp für Mietwucher geht sie dabei im Kurzwahlkampf auch neue Wege. Und ganz langsam scheinen die Menschen in Deutschland das auch positiv wahrzunehmen: Seit dem Austritt von Wagenknecht haben nach Angaben der Linken rund 8.000 Mitglieder die Partei verlassen, aber rund 17.500 sind im gleichen Zeitraum neu in die Partei eingetreten. Die Umfragewerte kletterten je nach Meinungsforschungsinstitut zuletzt von desaströsen 2,5 Prozent auf 4 Prozent - Tendenz steigend.
Mission Silberlocke
Den größten Applaus bekamen auf dem Parteitag die drei Altvorderen: Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch. Sie sind die Lebensversicherung der Linkspartei. Die hofft, dass die älteren Herren drei Direktmandate in Rostock, Erfurt und Berlin holen. Dann könnte die Linke auch in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag einziehen, wenn sie wie 2021 die Fünf-Prozent-Hürde verfehlen sollte. Eine weitere Chance auf ein Direktmandat hat Sören Pellmann in Leipzig.
Jüngere Wählerinnen und Wähler versucht die Partei zudem verstärkt im Netz anzusprechen. Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek schafft dort, woran viele andere Parteien scheitern. Sie hat Reichweite und erreicht eine bislang schwierige Wählergruppe. Doch ob die Generation TikTok auch am 23. Februar zahlreich für die Linke an die Wahlurne geht, ist völlig offen. Das Durchschnittsalter der Delegierten auf dem Parteitag ist aber - nach Parteiangaben - mit 43 Jahren schon mal so jung wie noch nie.
Besinnung auf neue, alte Themen
Trotz des engen Zeitplans wegen der vorgezogenen Neuwahl hat es die Partei geschafft, nach eigenen Angaben mehr als 150.000 Haustürgespräche zu führen. Die Linke hat die Leute überall im Land gefragt, welche Themen ihnen gerade am schwersten auf der Seele liegen und diese in das Wahlprogramm eingearbeitet. Das Ergebnis: Die Linke setzt voll und ganz auf Sozialthemen und damit auch auf einen Frontalangriff gegen CDU/CSU und AfD, die im Wahlkampf eher mit Einschnitten in den Sozialsystemen argumentieren.
Die Linke will unter anderem: einen bundesweiten Mietendeckel und günstigere Preise durch die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Grundlebensmittel, Hygieneprodukte und Bus und Bahn. Den gesetzlichen Krankenkassenbeitrag will sie dadurch senken, dass alle einzahlen, also auch Beamte zum Beispiel. Krankenhäuser sollen nicht mehr profitorientiert arbeiten, sondern in öffentliche Hand gehen.
Bezahlt werden soll das unter anderem durch eine Steuer für Superreiche und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer für Millionäre und Milliardäre. Die Linke rechnet folgendermaßen: ein Prozent Vermögenssteuer für Menschen, die eine Million Euro besitzen, fünf Prozent ab 50 Millionen und zwölf Prozent ab einer Milliarde. "Tax the Rich" haben viele beim Parteitag auf ihren T-Shirts stehen: Oben abschürfen, um die Sozialkassen zu füllen, nicht unten.
Angriff auf SPD und Grüne
Hier greift die Linkspartei die Mitbewerber SPD und Grüne an, die seit Jahren eine Vermögenssteuer fordern, sie an der Regierung aber nie umgesetzt haben.
Ähnlich macht es die Partei beim Klimaschutz. Auch hier hat die Linke ein ambitioniertes Ziel, sie will Deutschland bis 2035 klimaneutral machen. Den Grünen wirft sie vor, zwar auch für Klimaschutz einzutreten, aber ihn nicht sozial auszugestalten: "Die Grünen können arme Menschen nicht mitdenken, sie können Armut nicht fühlen und deshalb haben sie diese ganze Klimafrage verkackt", sagt Linken-Chef Jan van Aken.
Und die Abgrenzung geht bei der Ukrainepolitik weiter, wenn auch nur in Details. Man denke auch die Ukraine mit, sagt Parteichef van Aken und bezeichnet AfD und BSW als "Kremlparteien". Van Aken verurteilt Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine. Auch die Linke ist gegen weitere Waffenlieferungen ins Kriegsgebiet und positioniert sich als Friedenspartei, die auf diplomatische Lösungen setzt. Aber während beispielsweise Wagenknecht ohne Vorbedingungen wieder Gas aus Russland beziehen will und jegliche Sanktionen ablehnt, ist die Linke hier differenzierter. Sie will keine Sanktionen gegen "die Breite der Bevölkerung", wohl aber gegen Putin und Co.
"Stimme gegen den Faschismus"
Insgesamt hat die Linkspartei gut einen Monat vor der Wahl ihr Profil geschärft und sich stärker von der politischen Konkurrenz abgegrenzt. Sie setzt auf Umverteilung, Sozialpolitik, Klimaschutz und Friedenspolitik - konstruktiv und selten populistisch. Und sie positioniert sich als "Stimme gegen den Faschismus". Gregor Gysi will verhindern, dass es nur Mitte- und Rechtsaußenparteien im Bundestag gibt. Es müsse auch "linke Argumente geben, egal ob man sie teilt oder nicht."