ARD-DeutschlandTrend Viele erwarten 2024 kein Kriegsende in der Ukraine
Neues Jahr, alte Krisen: Die Mehrheit der Deutschen rechnet laut ARD-DeutschlandTrend auch 2024 nicht mit einem Ende des Krieges in der Ukraine. Was finanzielle Hilfen für das Land betrifft, sind die Meinungen aber gespalten.
Die Deutschen haben kaum Hoffnung, dass der Krieg in der Ukraine in diesem Jahr zu Ende geht: Nur 9 Prozent halten das in diesem Jahr für wahrscheinlich - und damit deutlich weniger als Anfang des vergangenen Jahres, als noch 32 Prozent diese Hoffnung äußerten. Eine überwiegende Mehrheit (87 Prozent) glaubt aktuell nicht an ein Ende des Krieges im Jahr 2024. Das hat eine repräsentative Umfrage von infratest dimap für den ARD-DeutschlandTrend unter 1.321 Wahlberechtigten von Dienstag bis Mittwoch dieser Woche ergeben.
Die Mehrheit der Deutschen ist der Ansicht, dass die Ukraine in erster Linie selbst entscheiden muss, wann sie sich auf Verhandlungen mit Russland einlässt (75 Prozent, +2 im Vergleich zu März 2023). Die Bedingungen für Verhandlungen hat die Ukraine benannt. So fordert sie unter anderem den Abzug aller russischen Truppen aus den russisch besetzten Gebieten der Ukraine.
Dass diese Bedingung erfüllt wird, glauben in Deutschland mittlerweile weniger Menschen. 44 Prozent (+9) meinen, dass es für eine Beendigung des Krieges nötig sei, dass die Ukraine gewisse Gebiete an Russland abtritt. 43 Prozent sehen das anders.
Knappe Mehrheit für EU-Beitritt der Ukraine
Eine Einbindung der Ukraine in politische Bündnisse ist erst nach Ende des Krieges realistisch. Im Dezember hatte die EU auf ihrem Gipfeltreffen in Brüssel entschieden, dass zumindest die Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine bereits beginnen können.
Dass die Ukraine langfristig in die EU aufgenommen werden sollte, halten 53 Prozent der Deutschen für richtig (- 5 im Vergleich zu Februar 2023), 39 Prozent sprechen sich dagegen aus. Etwas weniger Zustimmung erhält ein potenzieller NATO-Beitritt der Ukraine, der aktuell auch weniger realistisch erscheint: 44 Prozent (-7) sprechen sich für einen Beitritt der Ukraine in das Verteidigungsbündnis aus, 43 Prozent dagegen.
Geteiltes Meinungsbild mit Blick auf finanzielle Hilfen
Die Ukraine erlebt seit einigen Tagen massive russische Angriffe mit Raketen und Drohnen, woraufhin der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba die Verbündeten Kiews zu schnelleren Waffenlieferungen aufgefordert hat. Die ukrainische Armee benötige zusätzliche Luftverteidigungssysteme, Kampfdrohnen aller Art sowie mehr Raketen mit einer Reichweite von mehr als 300 Kilometern.
Die deutschen Bürgerinnen und Bürger sind sich bei diesem Thema uneins: 36 Prozent geben an, dass ihnen aktuell die Unterstützung der Ukraine mit Waffen zu weit geht, 35 Prozent halten sie für angemessen und 21 Prozent gehen die Waffenlieferungen nicht weit genug.
Neben den Waffen benötigt die Ukraine Geld im Krieg gegen Russland. Deutschland ist dabei - nach den USA - das Land, was die Ukraine finanziell am stärksten unterstützt. In der deutschen Bevölkerung lässt der Rückhalt dafür jedoch nach. 41 Prozent geht die finanzielle Unterstützung der Ukraine durch Deutschland gerade zu weit (+21 im Vergleich zu Ende April 2022). 40 Prozent halten die Unterstützung für angemessen (-19), nur 12 Prozent der Befragten geht sie nicht weit genug (-2).
Als größtes Geberland hatte die USA im Dezember ihre vorerst letzte Militärhilfe für die Ukraine im Umfang von 250 Millionen US-Dollar freigegeben. Die Freigabe weiterer Mittel ist derzeit durch einen Streit zwischen Republikanern und Demokraten im US-Parlament blockiert. Dass Deutschland und die anderen EU-Staaten in der Lage wären, womöglich ausbleibende US-Hilfen zu ersetzen, hält eine überwiegende Mehrheit der Deutschen (80 Prozent) für unwahrscheinlich. Lediglich 12 Prozent trauen Deutschland und den anderen EU-Staaten zu, für Kompensation sorgen zu können.
Uneinigkeit über Beständigkeit der Ampel
Uneins sind sich die Deutschen, ob die Ampel-Regierung 2024 bestehen bleiben wird: Knapp die Hälfte (49 Prozent) hält es für eher wahrscheinlich, dass die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP hält. 41 Prozent gehen hingegen davon aus, dass die Koalition in diesem Jahr zerbricht.
Mit der Arbeit der Bundesregierung zeigen sich weiterhin nur 17 Prozent der Wahlberechtigten zufrieden. Eine deutliche Mehrheit (82 Prozent) ist weniger oder gar nicht zufrieden mit der Arbeit der Koalition. Der Zufriedenheitswert von Bundeskanzler Olaf Scholz erreicht ein weiteres Rekordtief. Nur 19 Prozent der Befragten (-1 im Vergleich zu Dezember 2023) geben an, mit der Arbeit des SPD-Politikers zufrieden zu sein. Das ist der niedrigste Wert für einen Bundeskanzler im seit 1997 bestehenden ARD-DeutschlandTrend.
Wenn schon am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die SPD weiterhin auf 14 Prozent. Die Union büßt gegenüber dem Vormonat einen Prozentpunkt ein, wäre aber mit 31 Prozent immer noch stärkste Kraft. Die Grünen lägen bei 13 Prozent (-2), die FDP läge bei 5 Prozent (+1). Die AfD würde einen Prozentpunkt hinzugewinnen und läge mit 22 Prozent weiterhin an zweiter Stelle. Die Linke würde auf 4 Prozent (+1) kommen und läge damit unterhalb der Mandatsschwelle. Auf alle anderen Parteien würden momentan 11 Prozent entfallen, darunter die Freien Wähler mit 3 Prozent.
Wie blicken die Deutschen auf 2024?
Nach dem Jahreswechsel ist eine Mehrheit der Deutschen grundsätzlich zuversichtlich: Mehr als die Hälfte (55 Prozent) glaubt, dass 2024 für sie persönlich ein eher gutes Jahr wird. Knapp ein Drittel (32 Prozent) ist der Meinung, dass das neue Jahr für sie ein eher schlechtes wird. Menschen mit einem höheren monatlichen Einkommen blicken etwas zuversichtlicher auf das neue Jahr.
Deutlich pessimistischer ist der Blick auf die Verhältnisse in Deutschland: Acht von zehn Befragte (83 Prozent, +2 im Vergleich. zu September 2023) blicken eher beunruhigt auf die derzeitigen Verhältnisse im Land und 13 Prozent (-1) mit Zuversicht. Alle Partei-Anhänger sind überwiegend beunruhigt, jedoch mit Abstufungen: Die Anhänger der Grünen (58 Prozent) und der SPD (62 Prozent) äußern am wenigsten Unmut; während Anhänger der FDP (85 Prozent), der Union (90 Prozent) und der AfD (100 Prozent) sich deutlich beunruhigter zeigen.
Ein Ende des Kriegs im Nahen Osten in 2024 halten nur 23 Prozent für wahrscheinlich. Dass die Preise für Energie und Lebensmittel im Vergleich zum Vorjahr weniger stark steigen, halten 32 Prozent für wahrscheinlich. Zudem geht eine deutliche Mehrheit (74 Prozent) davon aus, dass es 2024 mehr Extremwetterereignisse als im letzten Jahr geben wird. Einen Rückgang der Migration nach Deutschland hält eine überwiegende Mehrheit (82 Prozent) für unwahrscheinlich.
Grundgesamtheit: Wahlberechtigte in Deutschland
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Telefon- und Online-Befragung (davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk)
Erhebungszeitraum: 02. - 03. Januar 2024
Fallzahl: 1.321 Befragte (787 Telefoninterviews und 534 Online-Interviews)
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und Rückerinnerung Wahlverhalten
Schwankungsbreite: 2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 10 Prozent
3 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: infratest dimap
Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle einer Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.