ARD-DeutschlandTrend Zwei Drittel wollen die Große Koalition
66 Prozent der Deutschen sind für eine Große Koalition im Bund. Inhaltlich unterstützt die Mehrzahl der Befragten im ARD-DeutschlandTrend aber vor allem Forderungen von SPD, Linkspartei und Grünen.
Klarer als je zuvor in den vergangenen Wochen haben sich die Deutschen für eine Große Koalition ausgesprochen. 66 Prozent der Befragten bewerten dieses Bündnis als "sehr gut" oder "gut für das Land".
Gleichzeitig gibt es an ein solches Bündnis klare inhaltliche Erwartungen: Eine Große Koalition sollte den gesetzlichen Mindestlohn einführen, der über den viel diskutierten 8,50 Euro liegen sollte. Ebenso wünschen sich deutliche Mehrheiten, dass die Steuern für Menschen mit höheren Einkommen erhöht werden und eine Pkw-Maut für ausländische Fahrer auf deutschen Autobahnen eingeführt wird.
In der Sonntagsfrage hat sich gegenüber dem Wahlergebnis praktisch nichts verändert, lediglich die FDP rutscht weiter ab. Das sind die wichtigsten Ergebnisse aus dem ersten ARD-Deutschlandtrend nach der Bundestagswahl, für den Infratest dimap in dieser Woche 1.003 (für die Sonntagsfrage 1.503) zufällig ausgewählte Wahlberechtigte befragt hat.
37 Prozent für Schwarz-Grün
66 Prozent Zustimmung und 33 Prozent Ablehnung - das ist ein klares Mehrheitsvotum für die Große Koalition. Hatten vor der Wahl vor allem SPD-Wähler noch gefordert, dass ihre Partei besser in die Opposition gehen solle, als sich auf die Zusammenarbeit mit Kanzlerin Angela Merkel einzulassen, so hat sich auch dieses Bild gewandelt: Knapp 60 Prozent der SPD-Anhänger wollen, dass ihre Partei nun auch mit regiert.
Auch wenn Schwarz-Grün aus Sicht der Befragten nur die zweitbeste Lösung ist, schneidet sie doch deutlich besser ab als noch im Frühsommer. 37 Prozent bewerten ein Bündnis aus CDU/CSU und Grünen positiv, 61 Prozent negativ. Auch hier ist der Zustimmungswert der höchste, der bisher im DeutschlandTrend gemessen wurde. Vor allem sind die Wähler der Grünen nun selbst offener für diese Option: Die Hälfte ist für den Weg in die Regierung - die andere Hälfte sähe die Grünen lieber auf der Oppositionsbank.
Kraft wird mehr zugetraut als Gabriel
In der realen Politik muss die Große Koalition - sollten sich die Beteiligten dafür entscheiden - aber noch eine hohe Hürde nehmen: den Mitgliederentscheid in der SPD. Vor allem die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft - derzeit populärste Sozialdemokratin - hat ihre Skepsis immer wieder öffentlich bekundet. Viele nahmen sie in den letzten Tagen als Gegenspielerin des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel wahr. Dabei traut ihr die große Mehrheit der Befragten mehr zu als dem SPD-Chef: Auf die Frage, wer die SPD in den nächsten Jahren am besten führen könnte, nannten 54 Prozent der Befragten Kraft und 28 Prozent Gabriel. Noch etwas deutlicher fällt das Votum der SPD-Wähler aus: 60 Prozent sprechen sich für Kraft aus, 32 Prozent für Gabriel.
62 Prozent für Pkw-Maut für Ausländer
Unabhängig davon, wer die künftige Regierung bildet: Es gibt klare inhaltliche Erwartungen, was im Koalitionsvertrag stehen sollte. Vor allem in bekannten Streitpunkten ist das Ergebnis überraschend. 83 Prozent der Befragten erwarten von den zukünftigen Koalitionären, dass sie einen verbindlichen gesetzlichen Mindestlohn beschließen. 65 Prozent erwarten, dass es höhere Steuern für Menschen mit höherem Einkommen geben soll. Beides waren Wahlkampfforderungen von SPD, Grünen und Linkspartei. Deutlicher Wahlgewinner hingegen war die Union, die genau diese beiden Punkte abgelehnt hat.
Unterschiedlich fällt die Erwartung bei zwei CSU-Positionen aus, die für Parteichef Horst Seehofer nach eigenen Angaben nicht verhandelbar sind: Die Einführung einer Pkw-Maut für ausländische Fahrer auf deutschen Autobahnen - die rechtlich kaum vorstellbar ist - befürworten 62 Prozent. Allerdings spricht sich eine Mehrheit von 54 Prozent für die Abschaffung des Betreuungsgeldes aus, 41 Prozent wollen es beibehalten. Es wird also spannend, ob sich eine künftige Koalition hier für oder gegen die Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung ausspricht.
Mehrheit für höheren Mindestlohn als 8,50 Euro
Beim gesetzlichen Mindestlohn kommt noch ein interessantes Detail dazu: Ein Kompromiss zwischen Union einerseits und SPD oder Grünen andererseits, so wird häufig vermutet, könne sein, dass ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wird, zunächst aber deutlich unter den geforderten 8,50 Euro. Die Erwartung der Wählerinnen und Wähler ist genau umgekehrt: 56 Prozent wünschen sich einen Mindestlohn, der darüber liegt. 35 Prozent halten 8,50 Euro für gerade richtig, sechs Prozent halten einen geringeren Betrag für angemessen.
Vor allem Union und Grüne entzweit auch ein anderes aktuelles Streitthema: Die Frage, ob die Bundesrepublik angesichts der Tragödie vor der italienischen Insel Lampedusa mehr Flüchtlinge aufnimmt als bisher. Die Mehrheit von 51 Prozent der Befragten lehnt das ab, 43 Prozent befürworten, dass mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Ganz gegensätzlich sind hier allerdings die Ansichten in den Anhängerschaften der Parteien. Während die Grünen-Anhänger mit 72 Prozent für mehr Flüchtlinge plädieren, lehnen die Unionswähler diesen Weg mehrheitlich ab. Hier wäre es demnach schwer, einen Kompromiss zu finden.
Trittin ist der Verlierer des Monats
Kanzlerin Merkel bleibt auch nach der Wahl die mit Abstand populärste Politikerin. 67 Prozent sind mit ihrer Arbeit zufrieden. Mit etwas Abstand folgen Finanzminister Wolfgang Schäuble mit 61 Prozent und Kraft mit 52 Prozent. Nur diese drei Spitzenpolitiker erreichen gegenwärtig Werte über 50 Prozent. Knapp darunter liegt SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier mit 49 und der populärste Grünen-Politiker, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, mit 46 Prozent. Ganz unten auf der Liste der wichtigsten Spitzenpolitiker steht Bernd Lucke, Vorsitzender der Alternative für Deutschland, mit einem Wert von 15 Prozent. Vorletzter ist der erfolglose Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin mit 25 Prozent. Er ist der Verlierer des Monats. Seine Bewertung hat sich seit Anfang September um volle 16 Punkte verschlechtert.
Als Bundespräsident, der von Amtswegen immer etwas bessere Noten bekommt als die Spitzen von Regierung und Opposition, erreicht Joachim Gauck aber selbst nach diesen Maßstäben mit 82 Prozent einen sehr guten Wert. Nur Horst Köhler wurde im Sommer 2008 mit 86 Prozent besser bewertet.
FDP nur noch bei drei Prozent
In der Sonntagsfrage, die drei Wochen nach der Bundestagswahl eher von statistischer Bedeutung ist, würden rund 90 Prozent der Befragten genau so entscheiden wie am 22. September: Die Union käme auf 42 Prozent (+ 0,5), die SPD erreichte 26 Prozent (+ 0,3), die Linkspartei neun Prozent (+ 0,4), die Grünen acht Prozent (- 0,4) und die AfD 4,5 Prozent (- 0,2). Allein bei der FDP gibt es weitere deutliche Veränderungen. Sie steht nun bei drei Prozent (- 1,8).
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl/ Dual Frame
(Relation Festnetz-/Mobilfunknummern 70:30)
Erhebungsverfahren: Computergestützte Telefoninterviews (CATI)***
Fallzahl: 1003 Befragte
Erhebungszeitraum: 07. bis 08. Oktober 2013
Sonntagsfrage: 1503 Befragte
Erhebungszeitraum: 07. bis 09. Oktober 2013
Fehlertoleranz: 1,4* bis 3,1** Prozentpunkte
*bei einem Anteilswert von 5 Prozent **bei einem Anteilswert von 50 Prozent
*** Aus statistischen und methodischen Gründen lassen sich bei der Telefonumfrage sehr kleine Parteien nicht sinnvoll ausweisen. Infratest dimap verfolgt deshalb die Praxis, Parteien, deren Anteil lediglich bei zwei Prozent oder darunter vermutet wird, nicht aufzuführen.