Passanten gehen auf einer  Einkaufsstraße in Dresden an den Geschäften entlang.

Studie für Ostdeutschland Sehnsucht nach "autoritärem Staat"

Stand: 28.06.2023 15:31 Uhr

Eine Studie zu politischen Einstellungen zeigt das geringe Vertrauen in die Demokratie bei vielen Menschen in Ostdeutschland. Profitieren kann davon vor allem die AfD.

Die Skepsis gegenüber dem Funktionieren der Demokratie ist im Osten Deutschlands weiterhin besonders ausgeprägt. Zu dem Schluss kommt eine neue repräsentative Studie des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts der Universität Leipzig zu "Autoritären Dynamiken und der Unzufriedenheit mit der Demokratie". Demnach zeigte sich nicht einmal die Hälfte der Befragten zufrieden mit dem Zustand des politischen Systems. Zwei Drittel hielten es gar für sinnlos, sich politisch zu engagieren.

Demgegenüber steht, dass rund ein Viertel der Befragten sich selbst zu den Verlierern der Wende zählte. Mehr als zwei Drittel gaben an, froh zu sein, die DDR noch selbst zu erlebt haben. "Rückblickend ist die Zufriedenheit unter den Befragten mit ihrem Leben in der DDR hoch", sagte Co-Studienleiter und Sozialpsychologe Oliver Decker.

Eine "starke Partei" der "Volksgemeinschaft"?

Die Forscherinnen und Forscher haben zudem die Einstellungen zu Diktaturbefürwortung, Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit und Chauvinismus - also einer extremen Form des Patriotismus oder Nationalismus - untersucht. Diese sind ebenfalls vergleichsweise hoch. Fast 70 Prozent stimmten der Aussage "Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen" ganz oder teilweise zu.

Regionale Unterschiede zeigen sich vor allem auf den zweiten Blick. Für die Aussage "Was Deutschland jetzt braucht, ist eine starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert" lag die Zustimmung mit Ausnahme von Ost-Berlin in allen Ländern zwischen 50 und 53 Prozent. Rund die Hälfte von diesen stimmte der Aussage ganz zu, der Rest nur teilweise. Ausnahme Sachsen-Anhalt: Hier befürworteten sogar 33,7 Prozent aller Befragten offen eine starke Partei der "Volksgemeinschaft".

Studie der Universität Leipzig: Weite Verbreitung von rechtsextremen Positionen in Ostdeutschland

Griet von Petersdorff, RBB, tagesschau, 28.06.2023 16:00 Uhr

Auch in Thüringen und Sachsen ist ein Teil solcher Einstellungen besonders erhärtet. Bei Menschen, wo sich verschiedene dieser Haltungen überlappen, sprechen die Forscher von einem geschlossenen rechtsextremen Weltbild.

Dass diese Zahlen im Vergleich zu vorherigen Studien leicht schwanken, teils zurückgehen, teils steigen, wollten die Autoren nicht überbewerten. Am Anteil derjenigen, die Elemente der extrem-rechten Ideologie teilen, habe sich in den vergangenen Jahren "nicht viel geändert", heißt es in der Studie. Egal, ob AfD und NPD in den Parlamenten saßen, oder nicht.

Ein Erkläransatz für die Stärke der AfD

Die AfD spielt in dem Papier eine besondere Rolle. Sie könne "diese Stimmung für ihre extrem rechte Politik nutzen". Die Partei bringe diese Stimmungen aber nicht selbst hervor. Sprich: Sie sind auch ohne die AfD vorhanden - und finden sich in Abstufungen auch bei Anhängern anderer Parteien. So vertraten zwischen 5 und 22 Prozent bei Grünen, Linken, SPD, CDU und FDP im Osten Ausländerfeindlichkeit oder Chauvinismus.

In der Anhängerschaft der AfD überwiegen diese Einstellungen aber: Die Forscher haben rund 50 Prozent bei Chauvinismus, knapp unter 60 Prozent bei Ausländerfeindlichkeit gemessen. Der AfD gelingt es demnach auch, mehr als ein Drittel aller Menschen mit einem geschlossenen rechtsextremen Weltbild anzuziehen. Der Rest will nicht wählen oder entschied sich für eine andere Partei. Insgesamt haben die Forscher sieben Prozent der Befragten dieser Gruppe zugeordnet.

Die Zahlen liefern eine Erklärung für die Stärke der in Teilen rechtsextremen Partei im Osten. Zugleich unterstreichen sie, dass die Verbreitung derartiger Einstellungen nicht der einzige Grund für den Zuspruch sind.

Es ist die bislang größte Studie dieser Art. Neben der Universität Leipzig war eine Vielzahl weiterer Hochschulen daran beteiligt. Erfasst wurden 3546 Befragte. Die Erhebung selbst fand bereits im Sommer 2022 statt. Damals befand sich die AfD noch nicht in ihrem derzeitigen Umfragehoch.

In einer früheren Version des Beitrags hatten wir geschrieben, zwei Drittel der Befragten hätten eine Sehnsucht nach der DDR. Zum Verhältnis zur DDR-Zeit finden sich allerdings widersprüchliche Darstellungen in der Studie und ihrer Präsentation. Wir haben die Formulierung daher geändert.

Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 28. Juni 2023 um 17:00 Uhr außerdem berichtete Deutschlandfunk um 16:14 Uhr.