Psychische Gesundheit an Schulen "Wir erleben bei den Schülern viel Redebedarf"
Sorgen, Ängste und Stress nehmen bei Kindern und Jugendlichen seit Jahren zu. Nun wurden Ergebnisse eines Modellprojekts vorgestellt, bei dem Mental Health Coaches an Schulen helfen und aufklären.
Sina Mönch ist eine der mehr als 80 Mental Health Coaches, die seit einem Jahr bundesweit im Einsatz sind. Sie arbeitet an einer Mittelschule im bayerischen Sulzbach-Rosenberg. Von der fünften bis zur zehnten Klasse ist sie für etwa 400 Schülerinnen und Schüler die Ansprechpartnerin für das Thema mentale und psychische Gesundheit.
"Wir erleben bei den Schülern viel Redebedarf zu Druck, Stress und emotionalen Belastungen", erzählt Mönch. Gerade auch nach der Corona-Pandemie sehe man, dass die Jugendlichen einen großen Bedarf an Unterstützung hätten.
Vor einem Jahr hatte Bundesfamilienministerin Lisa Paus das Programm gestartet. Das Motto: "Sagen, was ist. Tun, was hilft." Zehn Millionen Euro stellte die Bundesregierung dafür bereit. Nun zieht die Ministerin eine erste Zwischenbilanz: Das Programm sei klein, aber habe eine große Wirkung. "Es schafft eben den Raum, um über mentale Gesundheit zu sprechen", so Paus. Es stärke zudem die Jugendlichen und ermutige sie, zu erkennen, welche Stärken sie hätten.
Schüler sollen Resilienz aufbauen
Die zentrale Aufgabe der Coaches ist Prävention. Sie gestalten offene Angebote an den Schulen, in denen sie zu Themen der mentalen Gesundheit aufklären und ins Gespräch mit den Jugendlichen kommen.
"Was kann ich gut? Was mache ich, wenn ich mich mal nicht so gut fühle? Wo kann ich meine Kraft wieder herbekommen? Das sind alles Fragen, die wir besprechen", erzählt Sina Mönch. Das Ziel sei es, dass die Schülerinnen und Schüler Resilienz aufbauen, also psychische Widerstandsfähigkeit. Neben der präventiven Arbeit stehen die Coaches aber auch für Einzelgespräche zur Verfügung.
Wie drängend die Probleme der Jugendlichen teils sind, erlebt auch Annika Schramm immer wieder. Sie ist Mental Health Coach an einer Schule in München. "Häufige Themen der Schülerinnen und Schüler sind leider Depressionen und Ängste. Das geht bis hin zu Suizidgedanken", sagt Schramm. Das sei besorgniserregend, auch weil viele Schüler ihr mitteilten, sie hätten sich noch keinem anderen Erwachsenen mit ihren Sorgen anvertraut.
In solchen Fällen vermitteln die Coaches die Jugendlichen weiter und helfen dabei, Therapieangebote zu finden. Viele der Coaches haben Soziale Arbeit oder Psychologie studiert und alle eine Fortbildung als Mental Health Coach absolviert.
Positive Rückmeldungen auf Modellprojekt
Das Modellprojekt wird von der Universität Leipzig wissenschaftlich betreut und unabhängig evaluiert. Laut einem ersten vorläufigen Evaluationsbericht sagen drei Viertel der Schulleitungen, dass die Coaches bei ihren Schülerinnen und Schülern gut bis sehr gut angenommen werden.
"90 Prozent aller Beteiligten wünschen sich eine Weiterführung des Programms", berichtet Julian Schmitz. Der Kinder- und Jugendpsychologe leitet die Untersuchung. "Diese Themen - mentale Gesundheit, Resilienz, Stressbewältigung -, das sind genau die Themen, die auch die jungen Menschen mitbringen", so Schmitz weiter. Gerade mit Blick auf die multiplen Krisen, die derzeit auf Jugendliche einwirkten. Man könne sagen, "dass das Programm gut gestartet ist und gut akzeptiert ist".
Kritik an kurzfristiger Finanzierung
Nun geht es um die Weiterfinanzierung. Bis zu den Sommerferien 2025 gibt es genug Geld - alles darüber hinaus ist noch Teil der Beratungen im Haushaltsausschuss. Familienministerin Paus sagte gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio, sie sei zuversichtlich, dass man das Projekt weiterführen kann. Konkrete Angaben über eine mögliche Ausweitung des Programms machte sie aber nicht.
Die recht kurzfristigen Finanzierungszeiträume waren laut Evaluation der größte Kritikpunkt der Beteiligten an dem Programm. Das schaffe Unsicherheiten und schlechte Planbarkeit.
Mental Health Coach Schramm hätte sich eine Finanzierungszusage von drei bis fünf Jahren gewünscht. Es brauche viel Zeit und Energie, das Vertrauen der Schüler und Schulleitungen zu gewinnen. "Aber dieses Vertrauen ist wahnsinnig wichtig bei so einem sensiblen Thema wie der mentalen Gesundheit", sagt Schramm.
Sie will weiterhin immer ein offenes Ohr für die mentalen Probleme ihrer Schülerinnen und Schüler haben. Der Bedarf scheint groß: Mindestens jeder fünfte Jugendliche hat laut aktueller Studien psychische Probleme.
Telefonnummern der Telefonseelsorge: 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222 www.telefonseelsorge.de
Telefonberatung für Kinder und Jugendliche: 116 111 - www.nummergegenkummer.de