Eine Vertreterin der "Omas Gegen Rechts" bei einer Kundgebung unter dem Motto "Demokratie braucht Vielfalt" in Dachau

"Omas gegen Rechts" und die Union "Wir waren sprachlos und sauer"

Stand: 06.03.2025 14:49 Uhr

Mit einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung sorgte die Union für Kritik aus der Zivilgesellschaft. Die "Omas gegen Rechts" wollen die Anwürfe nicht auf sich sitzen lassen.

Am Montag nach der Bundestagswahl kam es bei den "Omas gegen Rechts" zu erhöhtem Datenverkehr und infolgedessen zu erhöhtem Puls. "Wir waren sprachlos und sauer. Und jede von uns merkte: Unsere Arbeit wird nötig bleiben in der nächsten Zeit, es wird irgendwie immer schlimmer", schildert Kerstin Neurohr, Mitglied im "Orga-Team der Omas gegen Rechts in Neustadt an der Weinstraße". Vor erst einem Jahr gegründet, haben sich mittlerweile 230 Frauen der Gruppe angeschlossen.

Grund für ihren Ärger: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte am ersten Tag nach der gewonnenen Bundestagswahl ein parlamentarisches Mittel zur Kontrolle der Bundesregierung genutzt, die sogenannte Kleine Anfrage. Titel: "Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen". Unter den 551 Fragen an die Bundesregierung tauchen auch 24 Fragen zu den "Omas gegen Rechts" auf, ein "besonders umstrittenes Beispiel" für staatliche Förderung.

Es fallen Begriffe wie "Schattenstruktur", indirektes Politik-Betreiben mit Hilfe staatlicher Gelder oder "ein Verstoß gegen die demokratische Grundordnung". Eine Frage lautet: "Wurde der Verein Omas gegen Rechts Deutschland e. V. in der Vergangenheit wegen parteipolitischer Betätigung abgemahnt oder verwarnt?"

Omas gegen Rechts: "Nicht nur falsch, sondern geradezu absurd"

Jan Philipp Thomeczek forscht an der Universität Potsdam zu politischer Kommunikation von Parteien. Er sieht den Vorgang als eine Reaktion auf den pauschalisierend klingenden "gegen rechts"-Ausruf. "Ich kann verstehen, dass die Union auf der einen Seite nicht in einem Atemzug mit der AfD genannt werden will und auf der anderen Seite 'gegen rechts' unscharf ist. Die Union ist natürlich 'rechts', aber mitte-rechts und nicht rechtsradikal", erklärt Thomeczek.

"Wir leben in einer Gesellschaft mit so vielen Krisenherden. Es übernimmt eine Bundesregierung, die in einer so großen Verantwortung steht - mit Trump, Putin und Ukraine, Nahem Osten, Klimakrise. Es ist so viel. Und in dieser Situation gegen Organisationen vorzugehen, die sich für die Demokratie engagieren, macht mich fassungslos", ärgert sich Neurohr.

Zusammen mit sieben weiteren "Omas gegen Rechts" wandte sie sich umgehend in einem Offenen Brief an die örtliche CDU. Schließlich wisse die am besten, was diese "Omas in Neustadt" ausmache, wie sie in ihrem Ort politische Vorträge organisierten, die Stolpersteine vor Häusern einst verschleppter Juden putzten oder die Gesellschaft über Extremismus informierten.

Union verteidigt Anfrage

In dem Offenen Brief schreiben sie: "Wir sehen darin den Versuch, uns als demokratische, zivilgesellschaftliche Bewegung zu delegitimieren und unsere Arbeit zu diskreditieren, indem man den Missbrauch von Zuwendungen aus Steuergeldern zur einseitigen politischen Agitation unterstellt." Die Anfrage suggeriere, ihr Engagement stelle eine Gefahr für die Demokratie dar. Das sei "nicht nur falsch, sondern geradezu absurd": Sie engagierten sich gegen die antidemokratischen und rechtsextremen Strömungen, die den Rechtsstaat zerstören wollen.

Unionspolitiker wie der Landesvorsitzende der CDU Rheinland-Pfalz, Gordon Schnieder, können diese Reaktion nicht nachvollziehen. "Es geht um Transparenz in der Haushaltsführung: Die Bundesregierung soll begründen, für welche Projekte Millionenbeträge aufgewandt worden sind", erklärt Schnieder.

Er sieht sich durch die Reaktionen eher bestätigt. "Wenn die aus einer bestimmten Richtung jetzt sehr laut rufen, dann waren die Fragestellungen doch ganz schön richtig. Lassen wir doch die Antworten mal kommen. Wenn alles in Ordnung ist, dann ist das Ding doch erledigt."

Verfassungsrechtlerin: Nicht vom Fragerecht gedeckt

Für Verfassungsrechtler wie Sophie Schönberger, Professorin für Öffentliches Recht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, stellen solche Fragen die genannten Organisationen an den Pranger und schüren gezielt Verdachtsmomente. "Aus der verschwörungsideologischen Szene, zu der das Geraune von den 'Schattenstrukturen' in der Einleitung ja durchaus gewisse Bezüge herstellt, ist der Mechanismus gut bekannt", erklärt Schönberger.

Es seien in Fragen verpackte Falschaussagen, "die die verschwörungsideologischen Falschbehauptungen nicht als Tatsachen aufstellen, aber über die Frageform doch sehr hartnäckig insinuieren", schreibt Schönberger beim "Verfassungsblog".

Mit den indirekten Unterstellungen und ihrer Wirkung, schlecht ins Licht der Öffentlichkeit gezogen zu werden, eignen sich die Fragen laut Schönberg dazu, die entsprechenden Vereinigungen in ihrer Meinungsfreiheit und ihrer Tätigkeit einzuschüchtern. So seien weite Teile der Kleinen Anfrage vom parlamentarischen Fragerecht nicht gedeckt.

"Zum Schutz der Grundrechte der betroffenen Vereinigungen hätte die Bundestagspräsidentin die Anfrage daher in dieser Form zurückweisen müssen und nicht veröffentlichen dürfen", folgert Schönberg.

Politikwissenschaftler: "Ich weiß nicht, was es Merz bringt"

"Ich weiß, was das für einen Effekt hat, aber ich weiß nicht, was es Merz bringt", sagt der Politikwissenschaftler Thomeczek. "Er schiebt die Polarisierung immer weiter voran, der Graben zwischen linken und rechten Parteien wird immer größer. Merz scheint zu denken, das hilft ihm. Wenn er das aber immer so weitertreibt, hätte er irgendwann nur noch die AfD auf seiner Seite. Wenn die Polarisierung steigt, schrumpft die Mitte. Schon jetzt gibt es nur noch eine Koalitionsoption."

CDU vor Ort um Differenzierung bemüht

Die Empfänger des Offenen Briefs, die CDU Neustadt an der Weinstraße, antworten schnell und versuchen, den Graben zumindest zu verkleinern: Sie respektierten das ehrenamtliche Engagement der "Omas gegen Rechts" für Demokratie und Menschenrechte. "Gleichzeitig teilen wir die Sorge der Bundestagsfraktion, dass selbst vermeintlich 'überparteiliche' Gruppen in der Praxis oft eine politische Schlagseite entwickeln können."

"Einzelfälle" böten Anlass zur Kritik: "So wurde etwa die Berliner Gruppe 2023 dafür kritisiert, dass sie bei einer Demo mit der Interventionistischen Linken kooperierte, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird."

Das scheint ein Differenzieren in der Pfalz, das die Kleine Anfrage in Berlin nicht hergibt. Denn die Fragen der Bundestagsfraktion zielen auf "Omas gegen Rechts" allgemein. "Die Fragen basieren ja auf der Annahme, wir seien ein gemeinnütziger Verein. Aber das stimmt nicht: Weder unsere Ortsgruppe noch der Verein sind als gemeinnützig anerkannt. Wir profitieren also sowieso nicht von entsprechenden Vorteilen", stellt Neurohr klar. "Von daher wundere ich mich, dass da nicht jemand vorher vielleicht mal Google bemüht hat."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 27. Februar 2025 um 12:00 Uhr.