Tag der Wohnungslosen Obdachlosigkeit - ein wachsendes Problem?
Zum heutigen Tag der Wohnungslosen machen Sozialverbände und Politiker auf das Problem der Obdachlosigkeit aufmerksam und fordern stärkeres gesellschaftliches Engagement dagegen. Bundesweit starten viele Aktionen.
Bundespräsident Steinmeier hat zum Tag der Wohnungslosen eine Einrichtung der Berliner Stadtmission für Obdachlose besucht. Bundesweit seien schätzungsweise zwischen 300.000 und 400.000 Menschen ohne feste Bleibe, erklärte Steinmeier. Er könne "vielleicht ein bisschen helfen, das Problem in den Mittelpunkt der deutschen Öffentlichkeit zu rücken und Aufmerksamkeit einzuklagen für diejenigen, die am Rande stehen und oft vergessen werden".
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (3. v. r.) spricht zum Tag der Wohnungslosen mit Betroffenen.
Aktionsplan der Bundesregierung
Das Wohnungslosenprojekt in Berlin lobte er als "vorbildliche Einrichtung". Das zweijährige Modellprojekt stellt bis zu 88 Obdach- und Wohnungslosen eine Bleibe zur Verfügung und hilft ihnen mit Betreuern, eine eigene neue Unterkunft zu finden. Steinmeier sagte, gemeinsam mit den Menschen werde versucht, eine Perspektive aus der Obdachlosigkeit zu entwickeln. "Das ist schwer, das kann sich jeder vorstellen", so der Bundespräsident.
Steinmeier lud zudem Betroffene und Vertreter aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen zu einer Gesprächsrunde ins Schloss Bellevue. Daran nahm auch Bundesbauministerin Klara Geywitz teil. Die SPD-Politikerin nahm am Nachmittag in einer symbolischen Aktion einen "Bauplan" der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe entgegen. Darin sind die Kernforderungen der Gemeinschaft für den "Nationalen Aktionsplan zur Überwindung der Wohnungslosigkeit bis 2030" enthalten, den die Bundesregierung auflegen will.
Verbände warnen vor Anstieg der Obdachlosigkeit
Die Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft, Susanne Hahmann, warnte vor dem Hintergrund der aktuellen Lage mit steigenden Energiepreisen und Lebenshaltungskosten vor einem Anstieg der Wohnungslosigkeit: "In einer Situation, in der die wirtschaftliche Not vieler Haushalte rasant zunimmt, muss die Zwangsräumung in die Wohnungslosigkeit ein Tabu sein." Ähnlich äußerte sich der Kölner Caritas-Direktor Frank Johannes Hensel: "Viele werden inmitten der Energiekrise die drohenden Nachzahlungen nicht bedienen können und fürchten sich vor Strom- und Gassperren und dem Verlust ihres Wohnraums."
Mehrere Verbände forderten mehr sozialen Wohnungsbau und eine Verbesserung der Menschenrechtslage für Wohnungslose. Diese seien etwa in ihrem Recht auf Wohnen, Gesundheit und Privatsphäre massiv eingeschränkt. Laut einer aktuellen Studie hat sich die Situation Obdachloser in den vergangenen Jahren verschlechtert. Oft haben Betroffene danach keinen Anspruch auf Sozialleistungen und keinen Krankenversicherungsschutz, da sie aus einem anderen EU-Land nach Deutschland gekommen seien.
Hamburg "Hauptstadt der Wohnungslosigkeit"
Nach Angaben der Diakonie Hamburg ist die Lage in der Hansestadt besonders prekär. Mit 1021 Obdachlosen pro 100.000 Einwohner habe Hamburg die höchste Wohnungslosenquote unter den deutschen Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern. Insgesamt seien es fast 19.000 Menschen, so Landespastor Dirk Ahrens. "Das ist ein trauriger Rekord." Damit die Bundesregierung ihr Ziel, Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 zu überwinden, erreiche, bedürfe es "mutiger Entschlossenheit".