Abstimmung im Bundestag Darum geht es beim "Zustrombegrenzungsgesetz"
Erneut könnte die AfD zur Mehrheitsbeschafferin werden - heute steht mit dem "Zustrombegrenzungsgesetz" ein Gesetzentwurf der Union zur Abstimmung. Worum geht es darin? Und wer möchte wie abstimmen? Ein Überblick.
Die Union hat am Mittwoch für ihren Fünf-Punkte-Plan zu einer schärferen Migrationspolitik eine knappe Mehrheit mit Stimmen von AfD, FDP und Fraktionslosen erreicht. Das führte zu heftiger Kritik an Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU), der Stimmen der in Teilen rechtsextremen AfD im Vorfeld ausdrücklich in Kauf genommen hatte.
Heute wird erneut abgestimmt. Im Plenum des Bundestages stehen nun aber nicht nur Anträge mit appellativem Charakter zur Abstimmung an, sondern ein Gesetzentwurf, der - wenn er auch den Bundesrat passieren sollte - von der Bundesregierung umgesetzt werden müsste. Und dieses Mal gibt es keine Passagen, in denen die AfD als Partei bezeichnet wird, die "Fremdenfeindlichkeit schürt" und "Verschwörungstheorien in Umlauf bringt".
Um welches Gesetz geht es?
Zur Abstimmung steht das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz, das Verschärfungen in der Migrationspolitik vorsieht. Der Entwurf enthält drei wesentliche Teile:
- Im Aufenthaltsgesetz soll nicht nur die Steuerung, sondern auch die "Begrenzung" des Zuzugs von Ausländern erneut als übergeordnetes Ziel festgeschrieben werden. Das Wort "Begrenzung" war 2023 gestrichen worden.
- Der Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige soll eingestellt werden. Gemeint sind Menschen, die kein Asyl bekommen, aber aus anderen Gründen vorerst in Deutschland bleiben können. Der subsidiäre Schutz war bereits zwischen 2016 und 2018 ausgesetzt worden. Seit 2018 dürfen aus humanitären Gründen pro Monat 1.000 Angehörige von subsidiär Schutzberechtigten nach Deutschland kommen.
- Die Bundespolizei soll eine eigene Zuständigkeit für "aufenthaltsbeendende Maßnahmen" an den deutschlandweit 5.700 Bahnhöfen erhalten, für die sie mit zuständig ist. Die Beamtinnen und Beamten sollen künftig auch selbst Anträge auf Haft und Gewahrsam stellen können, um die Abschiebung nicht aufenthaltsberechtigter Ausländer zu gewährleisten. Bisher müssen sich die Bundespolizisten dafür an die jeweilige Landespolizei wenden.
Wie stehen die Chancen auf Annahme des Gesetzes?
Eine Mehrheit im Bundestag gilt als wahrscheinlich. Neben der Union haben auch FDP, AfD und BSW Zustimmung signalisiert. Nötig wären für eine Mehrheit bei Teilnahme aller Abgeordneter 367 Stimmen. CDU/CSU verfügen über 196. Zustimmen will neben der AfD (76 Sitze) und der FDP (90 Sitze), die bereits am Mittwoch den Unionsantrag unterstützt hatten, auch das BSW (zehn Sitze).
Rechnerisch wäre damit eine Mehrheit von 372 Stimmen möglich - sofern es keine Abweichler oder fehlende Abgeordnete gibt. Am Mittwoch hatten zudem mehrere fraktionslose Abgeordnete für den Unionsantrag gestimmt, was auch heute der Fall sein könnte.
Es könnte also wieder eine Mehrheit jenseits der Regierungskoalition und mit der AfD geben.
Tritt das Gesetz dann in Kraft?
Wird der Gesetzentwurf beschlossen, würde er zunächst an den Bundesrat gehen. Der Bundesrat dürfte allerdings - wenn keine Fristverkürzung beschlossen wird - erst nach der Bundestagswahl über den Entwurf entscheiden.
Darüber hinaus ist zumindest fraglich, ob das Gesetz den Bundesrat passieren würde. In schwarz-grünen Landesregierungen dürfte es in jedem Fall Diskussionen auslösen. Danach müsste der Bundespräsident das Gesetz noch unterzeichnen. Entscheidend ist die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt.
Da nach der Wahl erst einmal Sondierungen und Koalitionsverhandlungen anstehen, könnte es theoretisch sein, dass die rot-grüne Regierung dann noch als amtierende Bundesregierung handeln müsste.
Sind auch andere Mehrheiten möglich?
Innenpolitiker von Union und FDP haben an die SPD appelliert, das Vorhaben im Bundestag zu unterstützen. Die SPD habe es in der Hand, bei der geplanten Abstimmung dafür zu sorgen, "dass es eine demokratische Mehrheit für das 'Zustrombegrenzungsgesetz' gibt", sagte die CSU-Politikerin Andrea Lindholz der Nachrichtenagentur dpa. Die Union würde das sehr begrüßen. Für die SPD könne es keinen inhaltlichen Grund geben, sich gegen den Entwurf zu stellen, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion.
Die SPD-Bundestagsfraktion würde "auch ihrer Wählerschaft signalisieren, dass sie die Sorgen der Menschen in der Migrationspolitik ernst nimmt, indem sie die Abstimmung in der Fraktion frei gibt", sagte der FDP-Innenexperte Stephan Thomae.
Gegen das Gesetz hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) rechtliche Bedenken. Er hatte am Mittwoch in der Sendung Maischberger gesagt, dass das Bundesverfassungsgericht vermutlich niemals eine Formulierung zulassen werde, die nahelegt, dass jemand, der bis zu 20 Jahre in Deutschland gelebt hat, seine Ehefrau nicht nachholen könne.
Grünen-Chefin Franziska Brantner sagte gestern, dass der Ball nun bei CDU-Chef Merz läge. "Herr Merz muss erst mal auch wieder klar sagen, dass er demokratische Mehrheiten möchte und dafür auch bereit ist, ins Gespräch zu gehen", sagte die Politikerin. "Und ein Gespräch ist eben nicht Friss oder stirbt." Gesprächsangebote habe es bisher nicht gegeben.
Was bedeutet das jetzt für den Wahlkampf?
Migration ist nach der Tat von Aschaffenburg das dominierende Thema geworden. Die beiden Regierungsparteien SPD und Grüne sehen vor allem ein Problem bei der Umsetzung bestehender Maßnahmen. Union, AfD, FDP und BSW sind für Verschärfungen.
Der Umgang der Union mit der AfD in dieser Frage könnte nun selbst zum Wahlkampfthema werden. Die in den Umfragen zwischen 14 und 17 Prozent stagnierende SPD will mit Warnungen vor einer schwarz-blauen Koalition punkten.
Was bedeutet das für den möglichen Ausgang der Wahl?
Das ist noch nicht abzusehen. Zurückliegende Wahlen haben gezeigt, dass inzwischen viele Menschen erst relativ kurz vor dem Wahltermin entscheiden, wem sie ihre Stimme geben. Studien zeigen, dass das Wählerpotenzial der AfD - also die Menschen, die sich vorstellen könnten, die Partei von Alice Weidel zu wählen - deutlich kleiner ist als etwa die potenzielle Wählerschaft von CDU/CSU und SPD. Ein Teil der Menschen, die unter keinen Umständen ihr Kreuz bei der AfD machen würden, könnte auch einen Beschluss mit Stimmen der AfD kritisch sehen.
Auf der anderen Seite sind viele Wählerinnen und Wähler der Auffassung, dass Deutschland in den vergangenen Jahren zu viele Asylbewerber aufgenommen hat und bei Abschiebungen nicht schnell genug vorankommt. Einige von ihnen könnten daher den Vorstoß von Unions-Kanzlerkandidat Merz unterstützen, hier noch vor der Bildung einer neuen Bundesregierung einzuleiten.
Im aktuellen DeutschlandTrend verliert die Union in der Sonntagsfrage aber einen Prozentpunkt, ebenso wie das BSW. Grüne und Linke gewinnen einen Punkt dazu.
Wie viele Menschen stellen Asyl?
Die Zahl der Asylanträge ging 2024 um rund 30 Prozent auf 229.751 Erstanträge zurück. Im Jahr zuvor hatte es allerdings einen Anstieg um rund 51 Prozent auf 329.120 Asylerstanträge gegeben.
Viele Asylbewerber brauchen auch Jahre nach der Einreise noch staatliche Unterstützung - etwa weil sie keine Wohnung finden oder aufgrund psychischer Probleme, die oft eine Folge von Kriegserfahrungen und Erlebnissen auf der Flucht sind.
Welche Schwierigkeiten gibt es bei Abschiebungen?
Im vergangenen Jahr wurden laut Bundesinnenministerium 20.084 Menschen aus Deutschland abgeschoben - rund 22 Prozent mehr als 2023.
Ein Problem ist jedoch, dass viele Menschen, die eigentlich ausreisen sollten - darunter auch Straftäter - am Ende doch länger bleiben. Zum Beispiel, weil ihre Herkunftsländer bei Rückführungen nicht kooperieren oder weil die Betroffenen am Tag der Abschiebung nicht angetroffen werden.
Immer wieder kommt es zudem vor, dass es die zuständigen Behörden von Bund, Ländern und Kommunen versäumen, kurzfristig eine Rückführung zu organisieren. Das hat teils mit einer Überlastung zu tun, hängt nach Ansicht von Innenpolitikern aber auch mit dem komplexen Verantwortungsgefüge im Föderalismus zusammen.
Quelle: dpa, Reuters