Bundeskanzler Scholz
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K-Frage entschieden Wie es bei der SPD jetzt weitergeht

Stand: 22.11.2024 10:48 Uhr

Der Streit um die SPD-Kanzlerkandidatur ist beendet. Pistorius steht nicht zur Verfügung, der Kanzler wird Kanzlerkandidat. Aber was heißt das für Scholz - und die SPD? Ist für die Partei bei der Bundestagswahl noch etwas zu gewinnen?

Die Ausgangslage

Wer es mit viel Wohlwollen betrachtet, sieht das Gute darin: Die quälende Debatte über den Kanzlerkandidaten der SPD ist seit gestern Abend endlich beendet. Verteidigungsminister Boris Pistorius hat in einem Videostatement klar gemacht, dass er nicht als Kanzlerkandidat antreten will. Damit ist der Weg für Olaf Scholz frei. Am Montag will der Parteivorstand Scholz als Kanzlerkandidaten nominieren. Dann kann sich der Bundeskanzler darauf konzentrieren, die SPD wie 2021 aus dem Umfragetief zu führen.

Aber: Das Liebäugeln der Basis mit dem Kandidaten Pistorius dürfte Scholz massiv geschadet haben. Der Kanzler zieht zudem mit einer Partei in den Wahlkampf, die sich zuletzt alles andere als einig gezeigt hat - und die derzeit auch noch richtig schlechte Umfragewerte hat. Die SPD liegt bei 14 Prozent und damit mit den Grünen auf Platz 3 hinter Union und AfD. Der enorme Rückstand auf CDU und CSU: 19 Prozentpunkte.

Dazu kommen die katastrophalen persönlichen Umfragewerte des Kanzlers. Nach dem ARD-DeutschlandTrend sind nur 20 Prozent mit seiner Arbeit zufrieden, 76 Prozent aber unzufrieden.

Wie beschädigt gehen Scholz und die SPD in den Wahlkampf?

Der Wahlkampf ist kurz: Schon am 23. Februar soll gewählt werden. Der SPD war es nicht gelungen, die K-Frage schnell und im Einvernehmen zu klären. Das ist eine Bürde für den Wahlkampf.

Pistorius bleibt außerdem zunächst der deutlich beliebtere Politiker, was Scholz durch den ganzen Wahlkampf begleiten dürfte.

Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie die Sozialpolitik werden eine große Rolle im Wahlkampf spielen. Aber sind sichere Rente, angemessener Mindestlohn und der Ukraine-Krieg die Themen, mit denen Scholz eine Wende im Wahlkampf bewirken kann?

Warum hat sich Pistorius nicht früher geäußert?

Die Debatte wäre mit einer klaren Aussage von Pistorius früh beendet worden. Der Verteidigungsminister versichert zwar jetzt in den tagesthemen, dass er "zu jedem Zeitpunkt komplett loyal" gewesen sei. Aber warum hat er dies nicht früher deutlich gemacht? Sowohl im Bericht aus Berlin am vergangenen Sonntag als auch in Äußerungen bei öffentlichen Terminen vermied er den Satz, dass er nicht zur Verfügung stehe. Stattdessen wollte er in Sachen K-Frage nichts ausschließen, außer das Papstamt. Hat er sich umentschieden? Wollte er sich im Spiel halten? War der Druck am Ende zu groß, die Unterstützung zu gering?

Den Sendern RTL und ntv versicherte Pistorius, es sei kein Druck auf ihn ausgeübt worden. Wenn jemand in einer solchen Situation sage, "ich handle nach meinem Verständnis von staatspolitischer Verantwortung, nach meiner Überzeugung, dann kann sich das die Öffentlichkeit nicht vorstellen, dass dahinter nicht Drohungen oder Belohnungen gestanden haben", sagte Pistorius. "Aber ich kann Ihnen versichern: Nichts davon hat stattgefunden."

Gibt es überhaupt eine Chance für eine Aufholjagd?

Wenn man Scholz auf die schlechten Umfragewerte anspricht, gibt er stets den Hinweis auf das Wahljahr 2021. Damals lag er zweieinhalb Monate vor dem Wahltermin noch rund 16 Prozent hinter Armin Laschet von der CDU. Doch Laschet unterliefen Fehler, unglückliche Auftritte, ein unangebrachter Lacher im Flutgebiet im Ahrtal, und so kippte die Stimmung. Die SPD gewann noch knapp mit 25,7 zu 24,1 Prozent gegen die Union. Scholz wurde Kanzler der ersten Ampelkoalition mit Grünen und FDP auf Bundesebene. Diese Geschichte wird von ihm im bevorstehenden Wahlkampf immer wieder zu hören sein.

Doch die Ausgangslage war damals eine andere. Scholz war der Neue, auf den man noch neugierig sein konnte. Heute kennt man ihn deutlich besser - und dann gibt es da eben die Umfragen zur Regierungsbilanz seiner letztlich gescheiterten Ampelkoalition.

Könnte Scholz der Kanzlerbonus helfen?

Das ist fraglich. Davon können Amtsinhaber im Wahlkampf oft profitieren, weil sie medial sehr präsent sind, Entscheidungen treffen und sich auf internationalen Bühnen profilieren können. Scholz ist nach dem Ampel-Aus aber Kanzler einer Regierung, die nur noch bedingt handlungsfähig ist, weil sie keine Mehrheit mehr im Parlament hat. Und große internationale Auftritte wird er - abgesehen von einem EU-Gipfel am 19. und 20. Januar - auch nicht mehr haben.

Was hoffen Scholz und die Parteiführung?

Die Parteiführung will selbstverständlich schnell die Reihen schließen. "Jetzt geht es um Geschlossenheit und den gemeinsamen Weg und es geht darum, dass wir uns gemeinsam als SPD aus dieser Situation herauskämpfen", sagte Parteichef Lars Klingbeil am Donnerstagabend.

Garantiert ist das aber nicht. Sollten die Umfragewerte der SPD in den kommenden Wochen weiter sinken, könnte die Debatte vor dem Parteitag am 11. Januar neu aufflammen. Erst dann soll Scholz endgültig zum Kandidaten gekürt werden.

Immerhin: Bei der ersten offiziellen Präsentation, bei einer sogenannten Wahlsiegkonferenz am 30. November, kann Scholz schon mal für sich werben und für bessere Umfragewerte sorgen.

Scholz bleibt Kanzlerkandidat und die SPD will an alte Erfolge anknüpfen

Marc Feuser/Jan-Peter Bartels, ARD Berlin, tagesschau, 22.11.2024 12:00 Uhr

Und wenn er scheitert?

Sollte Scholz sein Ziel verfehlen, die SPD wieder zur stärksten Partei zu machen, dürfte seine Amtszeit irgendwann im Frühjahr oder Frühsommer enden. Er wäre dann zwischen drei und dreieinhalb Jahren im Amt - nur zwei seiner sieben Vorgänger und einer Vorgängerin blieben kürzer im Kanzleramt: Ludwig Erhard (CDU, 1963 bis 1966) und Kurt Georg Kiesinger (CDU, 1966 bis 1969).

Sollte die SPD als Juniorpartner in eine neue Regierung eintreten, ist es sehr unwahrscheinlich, dass Scholz einen Schritt zurücktritt und Minister wird. 

"Da hilft doch kein Streit", Jan-Peter Bartels, ARD Berlin, zur Stimmung bei SPD-Regionalkonferenz

tagesschau, 22.11.2024 12:00 Uhr

Was ist mit der Parteiführung?

Auch für sie könnte eine Wahlniederlage Konsequenzen haben, weil die Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken sowie Generalsekretär Matthias Miersch die Entscheidung für Scholz zu verantworten haben. Es kommt dann aber auf das Wahlergebnis an. Alles unter den 20,5 Prozent der SPD mit dem Kandidaten Martin Schulz 2017 wäre das schlechteste Ergebnis der SPD bei einer Bundestagswahl. Im Moment liegt die Partei in allen Umfragen mindestens 4,5 Prozentpunkte darunter.

(Quelle: dpa)

Sabine Henkel, ARD Berlin, tagesschau, 22.11.2024 09:38 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 22. November 2024 um 09:00 Uhr.