Ex-Linken-Politikerin Wagenknecht (r.) mit Publizistin Krone-Schmalz auf einer Demonstration in Berlin
reportage

Demo mit Linke und Wagenknecht Ein bisschen gemeinsam gegen die Ukraine-Politik

Stand: 25.11.2023 22:16 Uhr

Die selbsternannte Friedensbewegung tritt auf der Stelle. Daran ändert auch nichts, dass Sahra Wagenknecht und die Linkspartei wieder gemeinsam gegen Waffenlieferungen demonstrieren. Zumal sie sich dabei nichts zu sagen hatten.

Die Ankündigung klang fast wie eine Drohung. "Sie haben Angst vor uns", rief Sahra Wagenknecht im Februar dieses Jahres den Demonstranten vor dem Brandenburger Tor zu. Dies sei nur der Auftakt einer "neuen Friedensbewegung" - gegen die Ukraine- und Russland-Politik der Ampelkoalition.

Neun Monate sind seitdem vergangen. Die damalige Demonstration und ein ihr vorangegangenes Manifest gelten heute als endgültiger Bruch zwischen Wagenknecht und der Linkspartei. Der Parteivorstand hatte ihr seinerzeit mangelnde Abgrenzung nach rechts vorgeworfen. Wagenknecht hat ihre Energie offenkundig seitdem vor allem in den Aufbau ihrer künftigen Partei gesteckt. Denn erst jetzt, an diesem Samstag, fand hier die nächste größere Anti-Kriegs-Demonstration mit ihrer Beteiligung statt.

Ukraine- und Gaza-Krieg im Vordergrund

Hinter der Demonstration mit dem Motto "Nein zu Kriegen" stand diesmal eine Initiative verschiedener Aktivisten und ehemaliger Politiker verschiedener linker Kreise. Die Moderatorin auf der Bühne machte dennoch klar, dass man an die Februar-Demo anknüpfen wolle.

Den Aufruf gegen Waffenlieferungen an die Ukraine, für einen Waffenstillstand und sofortige Friedensverhandlungen sowie Abrüstung hierzulande haben neben Wagenknecht auch führende Linken-Politiker wie Gregor Gysi oder Dietmar Bartsch unterzeichnet. Die Linkspartei selbst unterstützte die Demo auch formell. Neben der Ukraine ging es auch um Gaza.

Es war die erste größere öffentliche Veranstaltung, bei der das ausgetretene Wagenknecht-Lager und ihre alte Partei gemeinsam in Erscheinung traten. Zu einem direkten Aufeinandertreffen kam es allerdings nicht: Wagenknecht sprach am Mittag als eine der Ersten und reiste direkt danach wieder ab.

Wagenknecht attackiert Ampel

In ihrer Rede sagte Wagenknecht, die Menschen in der Ukraine bräuchten "doch nicht Waffen, sondern sofortige Verhandlungen". Für die Ukraine wie für Israel und die Palästinenser gelte: "Frieden kann es nur geben, wenn die Interessen beider Seiten ernst genommen werden." Schließlich sei es "absurd zu glauben, dass Bomben den islamistischen Terror schwächen".

Konkrete Lösungsvorschläge präsentierte Wagenknecht nicht, dafür war ihr Sound von Verachtung erfüllt. Die Bundesregierung nannte sie "erbärmlich", die SPD-Vorsitzenden Klingbeil und Esken "traurige Figuren" und die Grünen einen "kriegsbesoffenen Haufen". Die Menge klatschte Beifall.

Tausende demonstrieren in Berlin gegen gegen Waffenlieferungen an Ukraine

tagesschau, 25.11.2023 17:05 Uhr

Über Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte Wagenknecht: "Er will, dass Deutschland wieder das Handwerk des Krieges beherrscht." Der SPD-Politiker stand für seine Aussage, dass Deutschland wieder "kriegstüchtig" werden müsse, an diesem Tag besonders in der Kritik. Dass es bei Pistorius um die Abwehr eines Angriffskrieges geht - und nicht um die Führung eines solchen -, blieb unerwähnt.

Ähnlich wie Wagenknecht klang die Publizistin und ehemalige ARD-Journalistin Gabriele Krone-Schmalz. Sie nannte etwa die Argumentation der Bundesregierung für Militärhilfen "hinterhältig". Sachlicher klang hingegen der frühere Umweltstaatssekretär und Ex-SPD-Abgeordnete Michael Müller: Die Bundesregierung müsse Russland und der Ukraine eine Verhandlungslösung präsentieren - notfalls gemeinsam mit China, Brasilien oder Indien.

Demo kleiner als im Februar

Das hörten mehrere tausend Menschen. Laut Berliner Versammlungsbehörde erreichte die Demonstration nur in der Spitze, als sie sich durch das Regierungsviertel bewegte, die Zahl der erwarteten 10.000 Teilnehmer. Davor und danach waren es deutlich weniger. Die Veranstalter wiederum sprachen von 20.000. Am Rande gab es kleinere, pro-ukrainische Gegenproteste.

Klar ist, der Zuspruch blieb unter dem der Februar-Demonstration. Und er war um ein Vielfaches kleiner als der mehrerer Großdemonstrationen, die sich im ersten Kriegsjahr in Deutschland explizit gegen die russische Aggression gerichtet hatten.

Rechtsextreme und Querdenker, die sich noch im Februar offen unter die Demonstranten gemischt hatten, kamen dieses Mal kaum. In der extremen Rechten ist die eher taktische Zuneigung für Wagenknecht erkaltet. Vereinzelt kam es allerdings zu Gleichsetzungen des Krieges in Nahost mit dem Holocaust. Und neben Gewerkschaftern und Mitgliedern der traditionellen Friedensbewegung waren auch linksextreme Organisationen wie die MLPD vertreten.

Linkspartei kommt ohne Gysi

Dazwischen liefen eine Handvoll Bundestagsabgeordneter der Linkspartei und Dutzende Parteimitglieder. Man verzichtete dabei auf einen Partei-Block. Gregor Gysi und Dietmar Bartsch waren zudem nicht vor Ort. Stattdessen sprach auf der Abschlusskundgebung am späten Nachmittag Ates Gürpinar.

Der Linken-Bundesvize ist eigentlich Gesundheitspolitiker im Bundestag, hat aber zumindest schon auf Anti-Kriegs-Demonstrationen gesprochen. Gürpinar sagte tagesschau.de, jetzt, wo "alles auf eine Militarisierung der Gesellschaft" hinauslaufe, sei eine laute Stimme dagegen inner- und außerhalb des Bundestages "dringend notwendig".

Entscheidend für seine Teilnahme sei zudem eine klare Abgrenzung der Organisatoren nach rechts gewesen. "Da bin ich sehr froh darüber." Wer ansonsten mitlaufe, könne man nicht entscheiden, sagte Gürpinar Richtung Wagenknecht. Die Linke, so ist herauszuhören, könne eine solche Demo jedenfalls nicht ignorieren.

Möglich ist das auch, weil sich der inhaltliche Bruch mit Wagenknecht nur auf den Umgang mit Sanktionen und den Ton gegenüber Russland beschränkt, nicht aber auf die Ablehnung von Waffenlieferungen und den Ruf nach Verhandlungen.

Verhaltene Reaktionen auf Linken-Redner

Dennoch wurde es kein Heimspiel für Gürpinar. Hörbar verstimmt, merkte zunächst die Moderatorin an, die Linkspartei als solche habe "dann ja doch noch" - sprich: nach anfänglichem Zögern - zur Teilnahme an der Demo aufgerufen. Eine Gruppe um die ehemaligen Linken-Politiker Diether Dehm und Bijan Tavassoli - beide Anhänger Sahra Wagenknechts - versuchte zudem, die Rede zu stören.

Und Gürpinar erhielt zwar Beifall für die Aussage, der Ukraine-Krieg diene der Ampel lediglich als "Rechtfertigung, um die längst geplante Aufrüstung durchzusetzen". Dagegen müsse man sich wehren. Gürpinars Forderungen, Geflüchtete zu unterstützen oder entschiedener gegen die Vermögen russischer Oligarchen in Deutschland vorzugehen, nahm die Menge hingegen regungslos hin. Offenbar bevorzugten die meisten in der Bewegung dann doch einen anderen Ton.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 25. November 2023 um 17:05 Uhr.