Pläne der Bundesregierung Warum Milliarden in Wasserstoff investiert werden
Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral werden - auch mit Hilfe von Wasserstoff. Die Bundesregierung will einen Großteil aus dem Ausland importieren. Doch das ist schwierig - und könnte dauern.
Mitten im Ruhrgebiet hat es die Umwelt nicht leicht. Allein auf dem Gelände von thyssenkrupp Steel in Duisburg stehen vier große Hochöfen. "Die produzieren jedes Jahr etwa zehn Millionen Tonnen Stahl", sagt Matthias Weinberg, Leiter des Zentrums Metallurgie bei thyssenkrupp. "Dabei entstehen aber leider auch jedes Jahr 20 Millionen Tonnen CO2."
Genau das soll sich nun ändern. Bis 2045 will thyssenkrupp seine Stahlproduktion klimafreundlich umbauen. Auf dem Werksgelände in Duisburg haben die Bauarbeiten schon begonnen. Statt schmutziger Kohle soll hier bald Wasserstoff zum Einsatz kommen. "Wir werden mit dem neuen Prozess jedes Jahr etwa 3,5 Millionen Tonnen CO2 einsparen", sagt Weinberg. Das sei eines der größten Dekarbonisierungprojekte weltweit.
Vielseitiger Energieträger
"Wasserstoff kann in vielen Sektoren eine wichtige Rolle spielen", sagt Tom Smolinka vom Fraunhofer-Institut. Einsetzbar sei er nicht nur in der Stahl- oder Chemie-Industrie, sondern auch im Verkehrssektor oder in Kraftwerken.
Auch die Bundesregierung setzt deshalb auf Wasserstoff - und will ihn als Energieträger in Deutschland etablieren. Doch das ist gar nicht so einfach. Bislang laufen nur kleinere Pilotprojekte, was die Technologie entsprechend teuer macht. Es muss eine komplette Infrastruktur aufgebaut werden.
Dafür braucht es Produktionsanlagen, sogenannte Elektrolyseure. Zusätzlich werden 10.000 Kilometer Leitungen gebraucht, damit Wasserstoff transportiert werden kann. Außerdem müssen die potenziellen Abnehmer, etwa Stahl- oder Zementwerke, ihre Anlagen umrüsten. Das alles erfordert Milliarden-Investitionen.
Importe wohl notwendig
Trotzdem geht die Bundesregierung in den kommenden Jahren von einer enormen Nachfrage aus, die immer größer werden soll. Der Bedarf soll irgendwann sogar so groß werden, dass der benötigte Wasserstoff nicht mehr ausschließlich in Deutschland produziert werden kann. Das Bundeswirtschaftsministerium will deshalb langfristig 50 bis 70 Prozent aus dem Ausland importieren - zum Beispiel per Pipeline oder per Schiff.
"Am schnellsten realisiert werden kann eine Pipeline nach Dänemark und weiter nach Norwegen. Wir diskutieren auch mit Großbritannien und Irland, eine Leitung zu bauen", sagt Wirtschaftsminister Habeck. Auch Importe aus Frankreich, Spanien und Portugal seien möglich. "Und die Nutzung der bestehenden Gasleitung nach Algerien wäre ein weiterer Importkorridor", so der Wirtschaftsminister.
Konkurrenz um Wasserstoff
Allerdings: Die meisten Pläne existieren bisher nur auf dem Papier, auch wenn es schon sogenannte Energie- und Wasserstoffpartnerschaften mit rund 40 Ländern weltweit gibt. Derzeit geht es vor allem darum, sich einen Anteil am Wasserstoff zu sichern, wenn die Produktion - wie erhofft - im großen Stil in verschiedenen Ländern anläuft.
Viel konkreter wird die Bundesregierung bislang nicht. Woher genau der Wasserstoff kommen soll - und was das alles insgesamt kostet - ist bislang noch unklar. Fest steht nur: Schon jetzt investiert die Bundesregierung viel Geld, um den Wasserstoff in Deutschland zu etablieren.
Kritik aus Opposition und Wirtschaft
CDU und CSU sehen die Pläne kritisch. "Wir müssen unsere Potenziale in Europa besser nutzen", sagt Andreas Jung, energiepolitischer Sprecher der CDU/CSU im Bundestag. Dabei befürchtet Jung vor allem einen europäischen Preiskampf. "Unser Ziel wäre eine gemeinsame europäische Beschaffung." Sollte jedes Land in Europa nämlich seinen eigenen Wasserstoff beschaffen, könnte der Preis massiv ansteigen. Ähnlich wie bei der Beschaffung von Covid-Impfstoffen, würden dann viele EU-Länder um ein knappes Gut kämpfen.
Auch Yvonne Ruf ist skeptisch. "Wir werden das zumindest in Deutschland in dem Zeitplan nicht realisieren können. Und bei den Importen hinken wir beim Ausbau der Infrastruktur ebenfalls hinterher", sagt die Wasserstoff-Expertin der Unternehmensberatung Roland Berger. Für die Produktionskapazitäten seien zu optimistische Ziele gesetzt worden.
Bei thyssenkrupp in Duisburg ist man deutlich optimistischer. Ab 2027 soll die erste Wasserstoffanlage in der Stahlfertigung in Betrieb gehen. "Natürlich vertrauen wir der Bundesregierung, dass sie eine Versorgung mit Wasserstoff aufbaut", sagt Weinberg. "Ansonsten würden wir diese neue Anlage ja nicht bauen."