Fischsterben in Flüssen Umweltschützer mit Vorbehalten gegen Wasserkraft
Wasserkraft wird meist als "grüne" Energie wahrgenommen. Sie liefert konstant klimafreundlichen Strom. Ökologen warnen vor den Auswirkungen der Kraftwerke auf die Fischbestände.
Olaf Niepagenkemper fotografiert gerne die Natur. Dafür ist der Biologe auch immer wieder an der Lippe unterwegs. Doch die Bilder, die an dem kleinen Fluss nördlich des Ruhrgebiets jüngst entstanden, machen ihm alles andere als Freude. Sie zeigen tote Fische, die vor einem Wasserkraftwerk verendet sind.
Für den Mitarbeiter des Fischereiverbands Nordrhein-Westfalen ist klar: Das Problem sind die vielen kleinen Wasserkraftwerke, die es entlang von Flüssen wie der Lippe gibt. Niepagenkemper und sein Verband fordern ein Verbot kleiner Wasserkraftwerke unter einem Megawatt, aus Sorge um den Fischbestand in der Lippe und vielen anderen deutschen Flüssen.
Fische schwimmen in die Turbinen
Durch den Aufstau des Wassers vor den Wehren entstehen große Mengen an Faulschlamm. Der produziere große Mengen von Methangas, 25 mal klimaschädlicher als Kohlendioxid, sagt Niepagenkemper. Zudem erwärme sich im Staubereich das Wasser; dieses könne dann weniger Sauerstoff aufnehmen, und es komme zum Fischsterben. Viele Fische würden auch dadurch getötet, dass sie bei ihren Wanderungen der Strömung folgen und deshalb in die Turbinen schwimmen.
Der Bund Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) widerspricht. Fließende Gewässer erwärmten sich schneller als stehende. Durch den Aufstau des Wassers vor Wehren entstünden keine nennenswerten Methanemissionen. Gerade für die kleinen Wasserkraftanlagen sei dies vollkommen vernachlässigbar, weil mehrfach im Jahr auftretende Hochwasser den aufgestauten Schlamm immer wieder wegspülten.
BDW-Vorstand Ronald Steinhoff räumt ein, dass große Anlagen vielfach einen unwirksamen oder gar keinen Fischschutz hätten. "Dies im Zusammenhang mit kleinen Anlagen zu nennen, ist jedoch unangebracht und unfair, denke ich. Auch sollte klar herausgestellt werden, dass moderne Anlagen keinen relevanten Eingriff in den Fischbestand mehr erzeugen können", so Steinhoff.
Problem durch kleine Anlagen?
Verbandsmitarbeiter Niepagenkemper hält dagegen. Sein Fischereiverband NRW habe Belege dafür, dass viele angebrachte Rechen zu groß seien, um die Fische wirklich zu schützen. An vielen großen Anlagen gebe es gar keine Rechen, an einigen Anlagen mit 40 oder 60 Millimeter Abstand - da bestehe gar kein Schutz für die Fische.
Er sieht die Probleme vor allem in den vielen kleinen Anlagen. Sie produzierten kaum Strom, richteten dafür aber großen Schaden an. "7.600 Anlagen gibt es in Deutschland. Davon sind 7.200 Kleinwasserkraftanlagen, die sieben Prozent des Stroms erzeugen, die restlichen 400 Großanlagen produzieren 93 Prozent des Stroms", rechnet Niepagenkemper vor. Es gebe also kaum einen Nutzen für die Gesellschaft.
Von der Deutschen Umwelthilfe kommt ähnliche Kritik. Kleine Anlagen stünden in keinem Verhältnis zum Nutzen. "Wir haben sehr dafür plädiert, dass kleine Wasserkraft aus der Förderung im Erneuerbare Energie Gesetz herausgenommen wird, und sehen die Anlagen sehr kritisch", sagt die stellvertretende Bereichsleiterin Naturschutz und Biologische Vielfalt, Sabrina Schulz.
Vorwürfe richten sich zudem gegen die Behörden, die oft zu wenig kontrollierten, dass Auflagen auch eingehalten werden. Zum Beispiel gebe es eine Vorschrift, wie viel Wasser im Fluss verbleiben muss. "Bei Niedrigwasser leiten Betreiber oft mehr Wasser in die Turbine, als erlaubt ist. In Zeiten häufiger Dürre ist das für die Lebewesen im Fluss besonders bedrohlich", so Schulz.
Langwierige Genehmigungsprozesse
Genau das Gegenteil sagt BDW-Vorstand Steinhoff. Er ist überzeugt, dass Wasserkraftwerke im Zuge des Klimawandels immer wichtiger werden. Aufgrund der Zunahme von Trockenperioden werde es wichtiger, Abflüsse regulieren zu können, anstatt Wasser einfach nutzlos ablaufen zu lassen.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft betont, dass es in den vergangenen Jahren erhebliche Verbesserungen bei Wasserkraftanlagen gegeben habe. Dreistellige Millionensummen seien investiert worden, etwa für freiwillige Maßnahmen, um Fischen die Wanderung durch die Flüsse zu ermöglichen. Problem sei aber, dass die Planungs- und Genehmigungsprozesse dafür oft bis zu zehn Jahre in Anspruch nehmen können. Das müsse seitens der Politik beschleunigt werden.
Investitionen in Fischtreppen
Tatsächlich haben viele Betreiber von Wasserkraftanlagen und Wehren schon einiges getan, um Fische zu schützen. Zum Beispiel wurden Fischtreppen gebaut, die den Fischen helfen sollen, an den Anlagen vorbei den Fluss hochzuwandern. "Die beste Fischtreppe kann aber nicht so gut sein wie ein Fließwassersystem", sagt Biologe Niepagenkemper. "Die Fische finden die Treppen teilweise nicht."
Als Beleg nennt er einen Versuch, bei dem der Landesverband Westfalen und Lippe die Fische mit kleinen Sendern ausgerüstet hatte. Ein Fisch habe 126 Tage unterhalb eines Wehres gestanden - trotz einer sehr gut angebundenen Fischtreppe. Das Tier habe den Weg aber nicht angenommen, sondern wollte dem Hauptstrom weiter folgen. Erst als es zu einem Hochwasser kam und die Wehrklappen gelegt wurden, habe der Fisch seinen Weg fortgesetzt.
Niepagenkemper betont, dass er und sein Verband nicht grundsätzlich gegen Wasserkraft seien. Wenn durch große Anlagen über einem Megawatt viele Haushalte mit Strom versorgt würden, könne das sinnvoll und im Interesse der Gesellschaft sein. Bei kleinen Anlagen aber sei der ökologische Schaden viel größer als der energetische Nutzen.