Ein auf einem Schiff stehender Bagger auf der Neustädter Elbseite arbeitet am eingestürzten Brückenzug der Carolabrücke.

Marode Brücken in Deutschland Endlos zerredet statt schnell gebaut

Stand: 07.03.2025 08:22 Uhr

Die schwarz-roten Sondierer wollen mit Milliarden die Infrastruktur in Deutschland auf Vordermann bringen. Doch der Blick nach Dresden oder Hamburg zeigt: Gerade der Brückenbau stockt - und das liegt nicht am Geld.

Von Matthias Weidner, mdr

Fünf Monate nach dem Einsturz der Carola-Brücke in Dresden sind große Teile der Brücke immer noch nicht abgerissen. Ein einsamer Bagger arbeitet am Elbstrand, doch der Wiederaufbau der wichtigen Verkehrsverbindung ist in weiter Ferne.

Kurz nach dem Unglück am 11. September 2024 war der Bauingenieur Steffen Marx von der TU Dresden noch optimistisch: Ein Neubau sei in zwei Jahren möglich. Doch heute ist nicht einmal die Finanzierung gesichert. "Es wurde kein einziger Prozess angestoßen, der den Neubau verbindlich vorantreibt", kritisiert Marx.

Die Stadt Dresden plant den Baubeginn für 2027 - drei Jahre nach dem Einsturz. Doch der CDU-Stadtrat Veith Böhm zweifelt: "Wenn wir jahrelang diskutieren und Beteiligungsverfahren durchführen, reden wir wohl eher von 2030."

Anwohner und Verbände haben viele rechtliche Hebel

Ein schneller Ersatzneubau wäre möglich. Doch verschiedene Interessen verhindern eine rasche Entscheidung: Breitere Radwege, eine neue Verkehrslenkung für die Straßenbahn oder gar eine autofreie Brücke stehen zur Debatte. Einige fordern den originalgetreuen Wiederaufbau des Modells von 1895.

Das Problem ist typisch für Deutschland: Infrastrukturprojekte werden endlos zerredet. "Früher hatte die Bevölkerung weniger Möglichkeiten, Projekte zu verzögern", sagt Heinrich Bökamp, Präsident der Bundesingenieurkammer. Heute gibt es zahlreiche rechtliche Hebel für Klagen, etwa durch Anwohner oder Umweltverbände. Was grundsätzlich positiv ist - das Mitspracherecht vieler -, führt hier bisweilen zu endlosen Aufschüben.

Jahrzehntelange Planungen in Hamburg und Halle

Ein weiteres Beispiel ist die Saalebrücke Salzmünde bei Halle. Sie soll erst 2027 fertig werden - 24 Jahre nach Planungsbeginn. Noch dramatischer ist die Lage an der Hamburger Köhlbrandbrücke, der wichtigsten Verbindung zum Hafen. Bereits seit 2012 ist bekannt, dass sie ersetzt werden muss.

Zunächst plante die Stadt einen Tunnel, doch die Finanzierung war unklar. Zwölf Jahre später wurde das Projekt verworfen und die Planung einer neuen Brücke begonnen. Sollte die 2042 fertiggestellt werden, wären Planung und Bau 30 Jahre lang verzögert worden - fünfmal so lange wie bei der jetzigen Brücke in den 1970er-Jahren.

Das Problem: Die alte Brücke ist nur noch bis 2030 nutzbar. Eine Sperrung wäre eine Katastrophe für den Hamburger Hafen und die Wirtschaft.

Im internationalen Vergleich viel zu langsam

Andere Länder zeigen, dass es schneller geht. In China werden Brücken in wenigen Tagen abgerissen und neu gebaut. In Kroatien wurde die Peljesac-Brücke - eines der größten EU-Infrastrukturprojekte - in nur vier Jahren fertiggestellt. In Genua wurde nach dem Einsturz der Morandi-Brücke der Neubau in weniger als zwei Jahren geplant, gebaut und eröffnet.

Deutschland hingegen verzettelt sich in Vorschriften. "Wir haben so viele und so detaillierte Regeln erlassen, dass wir aus diesen Verstrickungen nur mit immensem Zeit- und Planungsaufwand herauskommen", sagt der Ingenieur Steffen Marx.

Reformen dringend nötig

Die CDU will Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen. Ersatzneubauten könnten durch ein Anzeigeverfahren statt langwieriger Genehmigungsprozesse zugelassen werden.

Experten warnen angesichts des Bau-Staus bereits vor weiteren Brückeneinstürzen. "Man muss befürchten, dass uns noch weitere Brücken aus den Fingern rutschen", sagt Heinrich Bökamp. Die Bundesregierung ist gefordert, hier dringend gegenzusteuern.