Supermarktketten Discounter erobern Geschäft mit Bio-Lebensmitteln
In den Regalen von Supermärkten finden sich immer mehr günstige Bio-Lebensmittel - auch die Discounter überbieten sich mit Angeboten. Sind Bio-Pioniere die Verlierer dieses Booms?
Gerade erst ist Aldi Süd wieder in die Offensive gegangen: "Nur Nur Natur, das ist Bio, das weiter geht, für eine bewusste Ernährung", heißt es im Werbespot für die neue Marke der Discount-Supermarktkette. Was "weiter geht" konkret bedeutet, erklärt eine Pressesprecherin: "Das Alleinstellungsmerkmal der Marke beruht auf möglichst ursprünglichen Zutaten wie beispielsweise Dinkel, Meer- und Steinsalz anstatt von Speise- oder Industriesalz und schonenden Verarbeitungen." Sätze, die man früher nur im Reformhaus gehört hat, nicht aber von den Branchengiganten.
"Die Qualität wird leiden"
Seit 1987 gibt es den Bio-Laden "Quer Beet" in Kassel. Inhaberin Mira Sulzbacher spürt täglich, was es bedeutet, wenn es immer mehr billiges Bio beim Discounter gibt. "Unser Bioladen ist natürlich etwas teurer als das Bio bei Lidl oder Aldi, da wandern dann schon Kunden ab. Wir haben es besonders gemerkt, dass weniger Obst und Gemüse gekauft wird, das war eigentlich immer unsere stärkste Säule. Es ist aber auch insgesamt weniger geworden."
Die 33-Jährige ist in dem Laden, den ihr Vater gegründet hat, aufgewachsen. Vor 36 Jahren war Martin Sulzbacher einer der ersten in Nordhessen, der auf Bio gesetzt hat. Oft wurde er für seinen Idealismus ausgelacht. Die Entwicklung hin zu immer mehr Bio vom Discounter sieht er skeptisch: "Wenn alle Bio machen, dann wird es nicht mehr dasselbe sein. Bioland wird Abstriche machen, Demeter wahrscheinlich auch. Also ich fürchte, die Qualität wird darunter leiden."
Bei den Kunden kommt es an
Ähnliche Befürchtungen gab es auch, als Lidl und Bioland 2018 ihre Kooperation bekanntgegeben haben. Passiert ist nichts - außer, dass die Kunden Bio jetzt billiger kaufen können. Und die Zahlen zeigen: Das kommt an. Der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln hat sich in Deutschland von sieben Milliarden Euro im Jahr 2012 auf 15 Milliarden im Jahr 2022 mehr als verdoppelt.
Nach den Angaben des Marktforschers GfK sind die Umsätze der Bio-Supermärkte dagegen im vergangenen Jahr um 10,8 Prozent eingebrochen. Die Reformhäuser verzeichneten sogar ein Minus von 37,5 Prozent. Ganz anders sieht es bei den Eigenmarken der Handelsketten aus: Sie haben neun Prozent zulegt.
Bio als "neues Normal"?
Auf diesen Effekt setzt Aldi Süd mit der neuen Marke. Unterstützung bekommen sie dabei vom Bio-Verband Naturland, dessen Logo auf einigen der Produkte zu finden ist. "Wir haben die Klimakatastrophe, wir haben den dramatischen Verlust von Artenvielfalt, wir haben eine Tierhaltung, die in Teilen vollständig inakzeptabel ist, und Bio ist einfach ein Teil der Lösung für diese Probleme. Deshalb ist Bio als 'neues Normal' zwingend", sagt Naturland-Geschäftsführer Steffen Reese.
Für ihn ist die Zusammenarbeit mit den Discountern alternativlos, um Massenkundschaft zu erreichen. Sind Naturland und Co. also mitverantwortlich für den Niedergang der kleinen Läden? "Ich glaube an dieser Stelle nicht, dass der Erfolg die Pioniere frisst", sagt Reese. "Im Discount und im Naturkosthandel haben wir unterschiedliche Zielgruppen, und ich glaube, wenn es uns gut gelingt, über den Discount mehr Biokunden zu erschließen, dann gehen die auf der Suche nach weiteren Produkten auch in die Bio-Läden."
Wo soll das ganze Bio herkommen?
Norbert Klapp ist seit 30 Jahren Schweinebauer. Seine Zuchtställe haben Haltungsform 2, das bedeutet "Stallhaltung Plus". Die liegt geringfügig über den gesetzlichen Mindeststandards: Jede Zuchtsau hat 0,8 Quadratmeter Platz. Rund 95 Prozent der Zuchtställe in Deutschland haben diese Haltungsform.
Ein Umbau auf Biohaltung wäre teuer: "Da bin ich bei einer knappen Million Euro, die ich investieren müsste", sagt Klapp. "Natürlich mache ich mir auch Gedanken darüber. Das Problem ist im Moment noch die Sicherheit, langfristige Verträge zum Beispiel, damit ich nicht auf meinen Investitionen sitzenbleibe." Der Landwirt rät dazu, nicht immer nur auf die Bio-Siegel zu schauen, sondern regional hergestellte Produkte zu kaufen.
Bio ist nicht gleich Bio
Auch Mira Sulzbacher aus dem Bio-Laden "Quer Beet" sagt, ihr Bio aus der Region sei ganz anders als das Discounter-Bio: "Der Hauptaspekt bei mir ist tatsächlich Regionalität und Saisonalität. Wir haben hier viele Lieferanten direkt aus Kassel oder Umgebung. Das sind dann ganz kleine Betriebe, das heißt, es ist bei uns einfach eine viel größere Bandbreite an direkten Lieferanten."
Auch sie findet, es sei erstmal gut für alle, dass immer mehr Lebensmittel nach den hohen Biostandards produziert werden. Sie will durchhalten und hofft darauf, dass Bio wirklich das "neue Normal" wird - und auch ihr Bio-Laden davon profitiert.