Altkleidercontainer

Textil-Recycling Droht den Altkleider-Containern das Aus?

Stand: 06.02.2025 05:19 Uhr

Noch ist Deutschland Vorreiter beim Textil-Recycling. Doch der Markt ist im Abschwung. Soziale Organisationen und professionelle Verwerter ziehen sich aus dem Altkleider-Geschäft zurück.

Von Jörn Kersten, SR

Für die Mitarbeiter der Stadtreinigung in Jena ist es jedes Mal eine Überraschung, was ihnen beim Öffnen der Altkleider-Container entgegenkommt: Kleidung in feuchten Pappkartons, einzelne Schuhe, lose Klamotten. Schon hier sortieren sie erst mal den Inhalt vor, der ihnen entgegenfällt. Die rund 150 kommunalen Sammelcontainer sind fast immer rappelvoll und müssen mehrmals in der Woche geleert werden.

In Zukunft, so die Befürchtung, könnte noch mehr Müll drin landen. Denn seit dem 1. Januar gilt EU-weit die so genannte "Getrenntsammelpflicht von Textilien". Viele Medien haben in dem Zusammenhang gewarnt, dass kein Stoff mehr in den Haushaltsmüll geworfen werden dürfen. Das sind Falschmeldungen, die auf vielen Kanälen verbreitet worden sind und für Unsicherheit bei Verbrauchern sorgen.

"Verschmutzte, zerrissene Kleidung, ölige Lappen oder sonstige verdreckte Textilien gehören nach wie vor in die graue Tonne und nicht in einen Altkleidercontainer", stellt Uwe Feige klar. Der Werksleiter des Kommunalservice Jena beobachtet den Altkleider-Markt seit Jahrzehnten. 2012 entschied die Kommune, die Container in Eigenregie zu betreiben. Die hohen Preise für alte Kleidung führten damals zu einem Wildwuchs von illegal aufgestellten Containern. Inzwischen hat sich Situation grundlegend verändert. "Bei der letzten Ausschreibung wurde uns eine Null angeboten. Und in der Branche hört man teilweise jetzt von Zuzahlungen von bis zu 150 Euro pro Tonne", so Feige.

Kommt ein Kollaps des Sammelsystems?

Das Sammeln alter Kleidung ist zum Zuschussgeschäft geworden. Deshalb bauen immer mehr karitative Organisationen wie Rotes Kreuz oder Caritas, aber auch gewerbliche Sammler ihre Container ab. Thomas Ahlmann von Fairwertung, dem Dachverband der karitativen Sammler, befürchtet einen Kollaps des Systems: "Die Mengen sind in den letzten Jahren immer weiter angestiegen, leider aber auch der Anteil der minderwertigen Textilien. Wenn sich das so weiterentwickelt, dann ist zu befürchten, dass wir in ein, zwei Jahren diese Infrastruktur in Deutschland nicht mehr haben."

Denn nicht nur werden vielfach Container abgebaut; auch die weitere Verwertung der Altkleider lohnt sich nicht mehr. Erst im Oktober hat der größte deutsche Altkleider-Sortierbetreib Soex aus Bitterfeld Insolvenz angemeldet. Und auch für andere Branchegrößen wie Texaid im thüringischen Apolda ist es schwierig, überhaupt noch wirtschaftlich zu arbeiten. "Derzeit zahlen wir für jede Tonne, die hier angeliefert und sortiert wird, drauf", rechnet Thomas Böschen, Geschäftsführer von Texaid Deutschland vor.

Und er befürchtet negative Auswirkungen, sollten nun vermehrt verschlissene, verschmutzte oder abgetragene Textilien dazu kommen. "Die werden hierher transportiert, hier nochmal in die Hand genommen, um dann am Ende im Restmüll zu landen und in der Verbrennung." Die EU-weite Getrenntsammelpflicht hält er für verfrüht: "Man kann sagen, da wurde der zweite Schritt vor dem ersten gemacht. Das macht Sinn, wenn man Recyclingmethoden hat, die aus den nicht mehr brauchbaren Textilien, neue Textilien, neue Fasern herstellen. Aber die gibt es technisch nicht. Und auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten leider noch nicht."

Textilrecycling ist noch Zukunftsmusik

Gut 60 Prozent der in Deutschland gesammelten Altkleider wird wieder verwendet: als Second-Hand-Kleidung. Ein Spitzenwert in der EU. Der Rest wird größtenteils zu Putzlappen oder Malervlies verarbeitet - Downcycling nennt sich das. Nur ein Zehntel geht bisher in die thermische Verwertung - also die Müllverbrennung. Ein wirkliches Recycling, also eine Kreislaufwirtschaft, in der aus einem alten Pulli ein Neuer wird, liegt noch in weiter Ferne. Und wird erst in verschiedenen Pilotprojekten erprobt.

Zum Beispiel an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach. Faser-zu Faser-Recycling heißt die Methode, um aus alten Textilien neues Garn und neue Kleidung zu erschaffen. Aber dieser Prozess ist aufwändig. Allein das notwendige Zerkleinern der Stoffe und Heraustrennen von Plastik- oder Metallverschlüssen ist zeit- und kostenintensiv. Und danach sind noch vier bis fünf weitere Arbeitsschritte notwendig, um aus alten Klamotten neues Garn zu spinnen.

"Es gibt es erste Ansätze", erklärt Markus Muschkiet, vom Center Textillogistik. "Aber die sind noch nicht so weit, dass es in industriellem Maßstab möglich ist." Zudem werden bei vielen Textilien Mischfasern verwendet, die gar nicht oder nur sehr aufwändig voneinander getrennt werden können. An eine Kreislaufwirtschaft wie bei Glas oder Papier ist bei Textilien noch lange nicht zu denken.

Handel und Hersteller in der Pflicht

Abhilfe für die drängenden Fragen rund um den Markt mit alten Textilien ist aber schnell vonnöten. "Ohne eine Zahlung durch den Konsumenten oder durch die Inverkehrbringer wird es nicht mehr funktionieren", meint Thomas Böschen von Texaid.

Beim Handelsverband Textil Schuhe Lederwaren hat sich diese Erkenntnis auch durchgesetzt: "Wir sehen schon die Notwendigkeit, tatsächlich Geld ins System zu bringen. Wir haben ja künftig die sogenannte erweiterte Herstellerverantwortung", erklärt Geschäftsführer Axel Augustin. Aber das werde schon noch ein oder zwei Jahre dauern. Der Abbau von Altkleidercontainern dürfte sich bis dahin weiter beschleunigen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 16. Januar 2025 um 13:10 Uhr.