Trockenheit und Klimawandel Wie lässt sich das Wasser im Wald halten?
Viele Wälder leiden unter Trockenheit. Wenn Regen fällt, kommt er oft als Starkregen. Doch dann fließt das Wasser zu schnell ab und überflutet Straßen und Felder. Welche Konzepte gibt es, um den Wasserrückhalt im Wald zu verbessern?
Auf den ersten Blick sieht es brutal aus, wie sich die Baggerschaufel tief in den Waldboden gräbt. Auf den zweiten Blick sieht man, mit welcher Präzision der Fahrer die Mulde am Fuße eines Hanges gräbt. Försterin Ellen Koller steht daneben: 40 Tümpel hat die Revierleiterin im Forstbetrieb Ebrach der Bayerischen Staatsforsten in den letzten zwei Jahren baggern lassen, vor allem in Hanglagen.
Sie sollen überschüssiges Wasser bei Starkregen auffangen, sammeln und langsam an den Boden abgeben. "So habe ich Sickerwasser für den Boden und durch die Verdunstung ist es auch feuchter im Wald", sagt Koller.
Niederschläge kommen meist als Starkregen
Koller versucht mit allen Mitteln, das Wasser im Wald zu halten. Seit 2018 sind im Steigerwald in Franken Hunderte Buchen abgestorben, auch alte Bäume mit mächtigen Wurzeln sind buchstäblich verdurstet. Das könnte sich dieses Jahr wiederholen, in den letzten Wochen hat es in Nordbayern kaum geregnet. Die Wasserreserve im Boden ist laut Messungen der Waldklimastation Ebrach bereits im kritischen Bereich, weitere zwei Wochen ohne Regen und die Bäume geraten in extremen Trockenstress.
Dabei sind die Jahresniederschläge im Steigerwald gar nicht signifikant gesunken, aber der Regen kommt immer öfter in großen Mengen, als Starkregen. Im Februar 2022 fielen in der Region in kurzer Zeit 40 Liter Regen pro Quadratmeter, das Wasser floss aus dem Wald und überflutete die umliegenden Dörfer.
Forststraßen unterbrechen Wasserfluss
Ein Problem sind die Forststraßen mit ihren seitlichen Gräben. Forststraßen sind wichtig für Holztransport, Brandschutz und Unfallhilfe, aber negativ für den Wasserrückhalt - besonders in hängigen Regionen wie dem Steigerwald. Normalerweise würde das bodennahe Wasser an einem Hang langsam durch den Wurzelraum der Bäume ins Tal diffundieren. "Die in den Hang gebaute Straße durchbricht diesen Wasserfluss und entwässert so den Hang", kritisiert Karl Auerswald von der TU München.
Daran könnten auch Durchlassrohre nichts ändern, die alle 100 bis 300 Meter das Wasser aus dem Straßengraben ableiten. Auch Ulrich Mergner, langjähriger Leiter des staatlichen Forstbetriebs Ebrach, fordert ein Umdenken bei der Bewirtschaftung: "Schräge Hangrückewege, Gräben entlang von Forststraßen und Rückegassenabstände unter 40 Meter - die Trockenschäden in den Wäldern sind auch hausgemacht."
Fehlendes Gesamtkonzept
Bei den bayerischen Behörden ist die Dringlichkeit der Lage anscheinend noch nicht angekommen: Auf Anfrage des BR räumen die Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF), das Bayerische Forstministerium und die Bayerischen Staatsforsten ein, dass es bisher weder Forschungsprojekte zum Wasserrückhalt im Wald, noch strategische Planungen, spezielle Förderprogramme oder Handreichungen für die systematische Speicherung von Wasser im Wald gebe.
Der Fokus der Bayerischen Forstverwaltung liegt bisher vor allem im Waldumbau: Ein gemischter Wald mit unterschiedlich tief wurzelnden Baumarten kann mehr Wasser speichern und nutzen als Bestände mit nur einer Baumart.
Querrinnen leiten Wasser ab
Försterin Ellen Koller schafft indes Fakten in ihrem Revier - mit vielen kleinen Maßnahmen. Beispiel Rückegasse: Sie ziehen sich netzartig im Abstand von 30 bis 60 Metern durch die Wirtschaftswälder, um das Holz abzutransportieren.
Koller lässt nach der Holzernte Querrinnen in die Rückegassen baggern, sie verlaufen in spitzem Winkel von der Gasse weg und leiten das Wasser bei Starkregen in den Wald. "Dafür muss man dann auch mal Geld in die Hand nehmen", sagt die Försterin. Sie zwackt das Geld von ihrem Wegebau-Budget ab, wünschenswert wäre aber eine zielgerichtete Förderung, so Koller.
Totholz als Wasserspeicher
Ein kostenloser Wasserspeicher ist Totholz: Nach der Holzernte verbleibt im bayerischen Staatsforst ein Drittel eines Baumes im Wald, also Äste, Wurzelteller, Kronenmaterial. Das ist gut für die Artenvielfalt, aber auch für den Boden- und Wasserhaushalt: "Totholz wirkt wie ein Schwamm", sagt Koller.
"Wenn das Holz langsam vermodert, wird auch der Boden humoser und ein humoser Boden kann mehr Wasser speichern." Laut aktuellen Studien der ETH Zürich werden 18 Prozent des Jahresniederschlags im Wald in Totholz und der Streu am Boden gespeichert.
Tümpel für den Naturschutz
Der neu gebaggerte Tümpel wird in wenigen Jahren dicht bewachsen und von Libellen, Fröschen und Lurchen bewohnt sein. Das zeigen die Erfahrungen aus dem Forstbetrieb Ebrach, wo es bereits Hunderte kleiner und großer Tümpel gibt. Sie sind wertvolle Biotope und Lebensräume für Amphibien im Wald.
Die Anlage solcher Tümpel ist auch deshalb möglich und für Försterin Koller bezahlbar, weil sie zu 90 Prozent vom Freistaat Bayern gefördert werden. Aber auch das gehört zur Wahrheit: Das Geld gibt's für den Arten- und Naturschutz im Wald - der Wasserrückhalt ist nur ein willkommener Nebeneffekt.