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Trumps Regierungsumbau "So regieren Diktatoren"
Der Historiker Manfred Berg sieht in den USA Anzeichen für einen "administrativen Putsch". Im Interview erläutert er, wie Trump eine beispiellose Verfassungskrise auslöst und eine kleine Gruppe den Staat zu ihrem Instrument macht.
tagesschau.de: Mitarbeiter der neuen Einrichtung für Regierungseffizienz DOGE verschaffen sich Zugang zu US-Ministerien und -Behörden, erhalten Zugriff auf sensible Datensätze und schließen Einrichtungen von heute auf morgen. Was beobachten wir gerade in den USA?
Manfred Berg: Es sieht so aus, als handele es sich um eine Art administrativer Putsch. Ob eine neue Regierung so etwas überhaupt darf - ob das nun die Entlassung eines Großteils von Beamten ist oder die Schließung von ganzen Behörden -, ist völlig umstritten und wird vor Gericht landen. Aber die Frage ist, ob Trumps Administration überhaupt bereit ist, Gerichtsurteile zu akzeptieren.
tagesschau.de: Das Vorgehen zum Beispiel von DOGE ist nicht rechtlich gedeckt?
Berg: DOGE gibt es in dem Sinne als Behörde gar nicht. Normalerweise muss es für die Gründung einer Behörde oder eines Ministeriums einen Gesetzesakt des Kongresses geben, was nicht der Fall ist.
DOGE ist ein ad hoc geschaffenes Gebilde, das unter Elon Musks Aufsicht mit sehr brachialen Methoden die Umgestaltung des Regierungsapparats im Sinne der Trump-Administration vorantreiben soll. Die rechtlichen Einzelheiten werden jetzt Gerichte klären müssen.
![Manfred Berg Manfred Berg](https://images.tagesschau.de/image/4bd8499c-4783-49b8-9ce3-b694a113f965/AAABlPS_6tA/AAABkZLngyM/1x1-256/berg-112.jpg)
"So etwas nennt man dann Verfassungskrise"
tagesschau.de: Es gibt schon jetzt mehr als 40 Klagen gegen das Vorgehen der Musk-Truppe. Was geschieht, wenn die US-Regierung Richtersprüche einfach ignoriert?
Berg: Es gibt einen berühmten, immer wieder zitierten Präzedenzfall aus dem frühen 19. Jahrhundert, als Präsident Andrew Jackson sich geweigert hat, ein Urteil zu respektieren und sagte: "Der Supreme Court hat ein Urteil gefällt. Nun soll er es auch durchsetzen."
Das Prinzip der Gewaltenteilung beruht aber darauf, dass die Gewalten gegenseitig ihre Autorität anerkennen, die Exekutive die Urteile von Gerichten durchsetzt und sich daran hält. Wenn das nicht mehr gewährleistet ist, gibt es keine Gewaltenteilung mehr. So etwas nennt man dann Verfassungskrise.
Trumps Leute behaupten, der Präsident sei nicht an Gerichtsentscheidungen gebunden. Man muss deutlich sagen: So regieren Diktatoren. Ob Trump tatsächlich Gerichtsentscheidungen ignorieren wird, insbesondere des Supreme Courts, ist noch nicht wirklich entschieden. Aber klar ist: Die Trump-Administration spielt mit dem Feuer.
"Das System wird überwältigt"
tagesschau.de: Von Vizepräsident J.D. Vance stammt der Satz, die Justiz habe nicht das Recht, die legitime Macht der US-Exekutive zu kontrollieren. Überschreiten die Richter ihre Befugnisse?
Berg: Genau das tun sie nicht. Das ist eine frivole Behauptung. Die Exekutive unterliegt dem Recht und der Verfassung, und sie ist an die Entscheidungen der Gerichtsbarkeit gebunden. Die USA waren der Pionier der Normenkontrolle seit dem frühen 19. Jahrhundert. Der Supreme Court hat die letzte Entscheidung darüber, ob ein Gesetz oder eine Exekutiv-Maßnahme der Verfassung widerspricht. Und wenn der Supreme Court das feststellt, ist sie ungültig.
Diese Verfassungskrise provoziert die Trump-Administration im Augenblick. Sie vertraut dabei auf zwei Dinge. Zum einen auf die plebiszitär-populistische Parole, dass Trump nur den Willen des Volkes umsetze. Das ist für die Öffentlichkeit bestimmt.
Zum anderen vertraut sie institutionell darauf, dass das System überwältigt wird und paralysiert ist. Die Gerichte entscheiden nicht so schnell, wie Trump Dekrete unterschreibt und wie Musk seine Leute in die Ministerien schickt. Am Ende kann es einfach dazu führen, dass die Administration vollendete Tatsachen schafft. Das gesamte normative System von checks and balances steht damit zur Disposition.
"Präsidentenamt hat eine Machtfülle, die nie vorgesehen war"
tagesschau.de: Kann die Justiz am Ende möglicherweise gar nichts mehr ausrichten?
Berg: Eine solche Entwicklung ist in Verfassungsstaaten nicht vorgesehen. Denn wenn Gerichtsurteile von der Exekutive nicht mehr befolgt werden, wer soll sie dann durchsetzen? In der amerikanischen Verfassung steht, dass der Präsident die Pflicht hat, die Gesetze getreulich auszuführen.
Als Folge einer jahrhundertelangen Entwicklung hat das Amt inzwischen eine Machtfülle, die nie vorgesehen war. Sie läuft darauf hinaus, dass ein skrupelloser Präsident - und den haben wir gerade im Amt - eine Art Diktaturgewalt für sich reklamiert: Regieren durch Exekutiverlass.
Aber diese Exekutiverlasse müssen selbstverständlich eine verfassungsrechtliche und eine gesetzliche Grundlage haben. Sie können Gesetze und vor allem die Verfassung nicht außer Kraft setzen. Aber das tut Trump. Was Gerichte dagegen machen, wissen wir jetzt noch nicht.
Was macht der Supreme Court?
tagesschau.de: Bleibt das Verfassungsgericht, das eine konservative Mehrheit hat, und einige Richter sind wohl sehr auf die wörtliche Auslegung der Verfassung ausgerichtet. Wird der Supreme Court Trump stoppen?
Berg: Das ist im Moment noch schwer zu sagen. Im vergangenen Jahr hat die konservative Mehrheit des Gerichts dem Präsidenten eine weitreichende Amtsimmunität eingeräumt. Man muss deshalb vermuten, dass diese konservative Mehrheit auch bereit ist, ihm in Bezug auf seine allgemeinen Kompetenzen großen Handlungsspielraum einzuräumen. Andererseits gibt es immer ein institutionelles Eigeninteresse von Gerichten, ihre Unabhängigkeit zu demonstrieren.
Trump hat einen Exekutiverlass zur Staatsbürgerschaft unterschrieben, der eindeutig verfassungswidrig ist. Er wird mit Sicherheit vor dem Gericht landen. In der Verfassung steht unmissverständlich, alle in den USA geborenen Personen sind amerikanische Staatsbürger.
Diese seit mehr als 100 Jahren gängige Praxis ist mehrfach vom Supreme Court bestätigt worden. Wenn der Supreme Court nun einer Entscheidung in dieser Frage auswiche, dann wäre das ein Zeichen der Kapitulationsbereitschaft gegenüber der Trump-Administration.
"Das läuft auf eine Aushöhlung der Gewaltenteilung hinaus"
tagesschau.de: Wo bleibt in dieser Situation eigentlich der Kongress?
Berg: Die Republikaner haben eine knappe Mehrheit in beiden Kammern. Aber im Augenblick überbieten sich die republikanischen Kongressmitglieder mit Loyalitätsgesten gegenüber Trump. Es gibt keinen Widerstand. Deshalb will er diese Frühzeit seiner Administration dazu nutzen, möglichst viel durchzubringen. Die Demokraten können natürlich versuchen, ihre Vetomacht, wo sie sie noch haben, einzusetzen.
Aber wenn es gar nicht um Gesetze geht, die den Kongress passieren müssen, sondern wenn der Präsident einfach nur ein Dekret nach dem anderen unterschreibt, dann ist der Kongress ausgehebelt, und zwar, wenn er sich nicht dagegen wehrt, mit seiner Zustimmung. Das ist eine Entwicklung, die auf eine Aushöhlung der Gewaltenteilung hinausläuft. Und das ist beabsichtigt und geplant.
"Es sind kleptokratische Tendenzen erkennbar"
tagesschau.de: Der Historiker Timothy Snyder hat gesagt, die Oligarchen würden versuchen, den amerikanischen Rechtsstaat von innen zu vernichten. Teilen Sie diese Einschätzung? Sehen wir den Versuch, eine Art von Oligarchie in den USA zu etablieren?
Berg: Wir sehen den Versuch einer Gruppe sehr reicher, mächtiger Männer, den Staat so umzugestalten, dass er ihren Interessen entspricht. Und das nennt man gemeinhin Oligarchie. Die Ironie dieser Entwicklung ist, dass der amerikanische Konservatismus in den vergangenen Jahrzehnten systematisch das Vertrauen in die Regierung untergraben hat. Big Government ist dämonisiert worden.
Jetzt soll mit mehr oder weniger diktatorischen Mitteln die Regierung nicht abgeschafft, sondern umgestaltet werden, sodass sie den Interessen einer kleinen Gruppe dient.
Ich würde deshalb sogar noch weiter gehen als Snyder. Es sind kleptokratische Tendenzen erkennbar und es zeigen sich Elemente einer illiberalen Demokratie. Wahrscheinlich werden Wahlen nicht abgeschafft werden, aber man kann Wahlsysteme so gestalten, und dafür gibt es in der amerikanischen Geschichte sehr viele Vorbilder, dass die Opposition kaum noch eine Chance hat. Und ansonsten kontrolliert man den Staatsapparat, möglichst auch noch die Medien.
"Wir müssen aufhören, uns Trump schönzureden"
tagesschau.de: Und zugleich gilt: Das alles ist vorher angekündigt worden und kommt nicht überraschend.
Berg: Wir müssen aufhören, uns Trump schönzureden oder seine Regierung normalisieren zu wollen. Trump hat immer gesagt, was er denkt, und er tut, was er sagt, wenn man ihn lässt.
Im Moment ist er in einer Machtposition, die er zwischen 2017 und 2021 niemals hatte. Er will wie ein gewählter Diktator regieren und beruft sich dabei auf den Willen des Volkes - dabei hat er nur mit einer knappen Mehrheit gewonnen.
Das hat eine systemsprengende Dimension und hat es so in der amerikanischen Geschichte noch nicht gegeben. Deshalb sind die USA heute in der schwersten Verfassungskrise seit dem Bürgerkrieg.
Das Gespräch führte Eckart Aretz, tagesschau.de