Umsiedlung der Palästinenser Was bedeutet Trumps Vorschlag für den Gazastreifen?
Ein Gazastreifen ohne Palästinenser und im Besitz der USA: Eine Äußerung von US-Präsident Trump versetzt die Region in Aufregung. Was hat Trump gesagt - und warum ist die Kritik daran so breit?
Was hat Trump vorgeschlagen?
Die Pressekonferenz von Präsident Donald Trump mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu lief schon ungefähr sechs Minuten, als Trump am Dienstag einen überraschenden Vorschlag machte. Trump regte an, die im Gazastreifen lebenden Menschen in einen oder mehrere arabische Staaten umzusiedeln und das Gebiet - ohne Palästinenser - wiederaufzubauen. Der Gazastreifen werde von den USA in Besitz genommen und sehe damit einer blühenden Zukunft entgegen, so Trump auf die ihm eigene Art - nämlich als "Riviera des Nahen Ostens".
1,8 Millionen Palästinenser müssten dazu ihre Heimatregion verlassen, kalkuliert Trump - damit liegt er aber unter der tatsächlichen Zahl der Bewohner des Gazastreifens, die mit rund zwei Milllionen beziffert wird. Ob sie in seinem Plan nach einem Wiederaufbau wieder zurückkommen dürfen, ließ Trump offen. Er rechne nicht damit, dass die Palästinenser nach der Umsiedlung zurückkehren, sagte er - für sie sei Gaza "die Hölle". Das allerdings dürfte eher die Gegenwart in dem völlig zerstörten Küstenstreifen beschreiben als die Zukunft. Ebenso vage blieb seine Äußerung, später einmal würden in der Region "viele Menschen" leben - "Palästinenser auch".
Unklar ist auch, welchen Status das Gebiet nach Trumps Plänen künftig haben soll - ob es Israel zugeschlagen oder anders verwaltet werden soll oder womöglich gar den USA zugeschlagen werden soll.
Wem gehört der Gazastreifen?
Die Grenzen eines palästinensischen Staates werden in der Resolution 181 der UN-Generalversammlung vom 29. November 1947 genannt. Der heutige Gazastreifen ist demnach Teil eines Staates Palästina, der laut Resolution weitere Gebiete umfassen sollte. Dazu kam es allerdings nie - mehrere Kriege veränderten seit der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 die Grenzen und Zuständigkeiten.
Nach dem ersten Nahostkrieg 1948 hatte Ägypten den Küstenstreifen militärisch verwaltet. Im Sechstagekrieg 1967 eroberte Israel den Gazastreifen. 1994 schlossen Israel und die Palästinenser mehrere Friedensabkommen, unter anderem auch das Gaza-Jericho-Abkommen. Es sah vor, dass die Palästinenser in einem Großteil des Gazastreifens erstmals Verwaltungsautonomie erhalten.
Im Jahre 2005 zog Israel sich einseitig aus dem Gazastreifen zurück und räumte alle 21 israelischen Siedlungen. Israel steht auf dem Standpunkt, dass die Besatzung des Küstenstreifens damit endete. Die Vereinten Nationen betrachteten es jedoch weiter als besetztes Gebiet, unter anderem, weil Israel alle Zugänge kontrolliert.
Die Palästinenser beanspruchen den Gazastreifen zusammen mit dem Westjordanland und Ost-Jerusalem als Gebiet eines künftigen eigenen Staates. Faktisch sind die Palästinensergebiete aber spätestens seit 2007 gespalten. 2006 verlor die Fatah-Organisation des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas die Parlamentswahl gegen die rivalisierende Hamas, woraufhin der Machtkampf zwischen beiden Gruppen weiter eskalierte. Im Westjordanland behielt die Fatah die Oberhand. Die radikalislamische Hamas riss dagegen 2007 die Macht im Gazastreifen vollends an sich. Israel verschärfte daraufhin eine Blockade des Gebiets, die von Ägypten mitgetragen wurde.
Ist eine Umsiedlung rechtlich überhaupt vorstellbar?
Die Rechtslage ist in dieser Frage klar: Eine zwangsweise Umsiedlung der Bewohner des Gazastreifens ist mit internationalem Recht nicht vereinbar. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, formuliert es eindeutig: "Jede erzwungene Umsiedlung oder Vertreibung von Menschen aus besetzten Gebieten ist strikt verboten."
Relevant ist Regel 129 des internationalen Völkergewohnheitsrechts. In der Rechtsdatenbank des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) sind zwei Texte hinterlegt, in denen es heißt:
Die an einem internationalen bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien dürfen die Zivilbevölkerung eines besetzten Gebiets, in ihrer Gesamtheit oder teilweise, nicht verschleppen oder zwangsweise überführen, sofern dies nicht im Hinblick auf die Sicherheit der betroffenen Zivilpersonen oder aus zwingenden militärischen Gründen geboten ist.
Wie stark ist der Gazastreifen zerstört?
Nach Auswertung des UN-Satellitenzentrums UNOSAT von Dezember sind rund 69 Prozent der Gebäude im Gazastreifen zerstört oder beschädigt. Es listet allein gut 60.000 zerstörte und gut 20.000 schwer beschädigte Gebäude auf. Nach einem UN-Report von Januar gibt es allein 50 Millionen Tonnen Trümmer.
Das UN-Nothilfebüro Ocha berichtet, 90 Prozent der Bewohner des Gazastreifens seien während des Krieges aus ihren Häusern und Siedlungen vertrieben worden, die meisten - mehrfach - innerhalb des Landes. Trumps Nahostgesandter Steve Witkoff hat sich Ende Januar ein Bild von der Lage in der Region gemacht. Danach sagte er der Nachrichtenseite Axios, ein Wiederaufbau des Küstenstreifens könne zehn bis 15 Jahre dauern.
Gab es schon einmal solche Ideen?
Trump ist nicht der erste, der solche Vorschläge verbreitet, aber zweifellos der hochrangigste Politiker. Die israelische Geheimdienstministerin Gila Gamliel schlug 2023 nach dem Überfall der Hamas in der Jerusalem Post vor, die "freiwillige Umsiedlung" der Palästinenser aus dem Küstengebiet in andere Länder zu fördern. Das Vorhaben sollte von der internationalen Staatengemeinschaft unterstützt werden, um den Bewohnern des Gazastreifens zu helfen, "sich ein neues Leben in ihren neuen Gastländern aufzubauen".
Trump selbst hatte schon vor dem Treffen ähnliche Ideen geäußert. Ende Januar sagte er nach Berichten mitreisender Journalisten an Bord der Präsidentenmaschine Air Force One, der Gazastreifen sei eine Abrissbrache und er wolle, dass Ägypten und Jordanien Menschen aufnehmen - vorübergehend oder dauerhaft. Der Vorschlag wurd von den betroffenen Staaten damals umgehend abgelehnt - was Trump nicht daran hinderte, ihm jetzt neue Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Schon in den 1990er-Jahren gab es nach dem Beginn des Friedensprozesses zwischen Israel und den Palästinensern Bemühungen, den Gazastreifen in ein auch touristisch attraktives Gebiet zu verwandeln. Es entstanden verschiedene Projekte, unter anderem ein Wasser-Vergnügungspark. Die gewaltsame Übernahme der Kontrolle des Küstenstreifens durch die islamistische Hamas im Jahre 2007 und die Verschärfung einer israelischen Blockade des Gebiets, die von Ägypten mitgetragen wurde, setzte solchen Versuchen allerdings ein Ende.
Wie reagieren die Palästinenser?
Die Ablehnung von Hamas und Fatah ist einhellig. Die islamistische Hamas, deren Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 den verheerenden Krieg ausgelöst hatte, warf Trump "Rassismus" vor. Seine Äußerungen seien der unverhohlene Versuch, den Palästinensern ihre unveräußerlichen nationalen Rechte zu verweigern, sagte Issat al-Rischk, Mitglied des Hamas-Politbüros.
Der palästinensische Präsident Abbas warf Trump laut Bericht der Zeitung Haaretz eine schwerwiegende Verletzung des Völkerrechts vor. Es werde keinen Frieden und keine Stabilität in der Region geben, wenn nicht ein palästinensischer Staat mit Jerusalem als Hauptstadt innerhalb der Grenzen vom 4. Juni 1967 auf der Grundlage der Zwei-Staaten-Lösung gegründet wird, sagte Abbas.
Was würde eine Umsiedlung für die arabischen Nachbarstaaten bedeuten?
Eine Umsiedlung würde vermutlich vor allem Jordanien und Ägypten betreffen. Jordanien zählt schon heute weltweit zu den Ländern mit der höchsten Flüchtlingszahl pro Einwohner. Dort lebt seit Jahrzehnten eine große palästinensische Gemeinschaft. Eine erzwungene Vertreibung aus dem Gazastreifen könnte die innenpolitische Balance destabilisieren und den Einfluss der Palästinenser im Land weiter stärken - ein Szenario, das Spannungen mit der einheimischen Bevölkerung und der Monarchie verstärken könnte.
Ägypten ist als Staat stabiler als Jordanien und verfügt mit der Sinai-Halbinsel über eine dünnbesiedelte Region, die immer mal wieder als mögliche Aufnahmeregion für Palästinenser genannt wird. Doch auf dem Sinai sind auch islamistsiche Gruppen aktiv, die die ägyptischen Sicherheitsorgane immer wieder vor Probleme stellen. Zudem fürchtet die Regierung, dass eine große Zahl Geflüchteter die angespannte wirtschaftliche und soziale Lage weiter verschärfen könnte.
Experten warnen, dass Trumps Pläne zwei der stabilsten Länder im Nahen Osten destabilisieren könnten. Die USA könnten die Regierungen mit einem Stopp finanzieller Unterstützung jedoch erheblich unter Druck setzen. Ägypten etwa erhält jährlich rund 1,3 Milliarden US-Dollar Militärhilfe. Jordanien soll bis 2026 auch jährlich Hunderte Millionen US-Dollar bekommen, was einen bedeutenden Teil des Staatshaushaltes ausmacht. Was daraus aber wird, ist nach dem Stopp des US-Auslandshilfe ohnehin unklar.
Jordaniens König Abdullah lehnte den Trump-Vorstoß postwendend ab. Es müsse vielmehr der Ausbau von israelischen Siedlungen gestoppt werden, sagt er mit Blick auf das Westjordanland.
Wie reagieren andere arabische Staaten?
Die arabischen Staaten lehnen eine Umsiedlung der Palästinenser aus dem Gazastreifen grundsätzlich ab. Wichtig ist vor allem die Reaktion der Regionalmacht Saudi-Arabien. Das Außenministerium erklärte, man weise alle Versuche zurück, die Palästinenser von ihrem Land zu vertreiben. Darüber hinaus schließe das Land die Normalisierung von Beziehungen zu Israel aus, solange es keinen Palästinenserstaat gibt. Kronprinz Mohammed bin Salman habe die Haltung des Königreichs in dieser Frage "klar und ausdrücklich" bestätigt. Es gebe keinen Raum für Interpretationen. Auch weise man alle Versuche zurück, die Palästinenser von ihrem Land zu vertreiben.
Die USA vermittelten bis zum Beginn des Gazakriegs im Oktober 2023 zwischen Israel und Saudi-Arabien mit dem Ziel, die Beziehungen zu normalisieren. Die Regierung in Riad brach dann die Gespräche mit Verweis auf das israelische Vorgehen im Gazastreifen ab. Präsident Trump misst den Beziehungen zu dem ölreichen Land aber große Bedeutung zu und unternahm schon 2017 seine erste Auslandsreise nach Saudi-Arabien. Auch in diesem Jahr soll das Land Teil seiner ersten Auslandsreise sein.
Offiziell haben die arabischen Staaten immer die Gründung eines eigenen palästinensischen Staates gefordert. Saudi-Arabien, aber auch andere Staaten der Region, dürften deshalb den Eindruck vermeiden wollten, sie unterstützten eine Politik, die als Vertreibung der Palästinenser interpretiert werden könnte. Auch befürchten die Länder der Region, dass eine solche Umsiedlung die israelische Kontrolle über den Gazastreifen zementieren und eine dauerhafte Vertreibung legitimieren würde. Vor allem die Golfstaaten, die trotz aller Solidaritätsbekundungen bislang nur begrenzte Verantwortung in Form von finanzieller Unterstützung für die palästinensische Bevölkerung übernommen haben, könnten unter verstärkten Erklärungsdruck geraten.
Was sagt Israel zu den Plänen?
Premier Benjamin Netanjahu hielt sich beim Treffen mit Trump im Weißen Haus noch zurück und äußerte sich vieldeutig. Trump habe "mal eine ganz andere Idee und ich denke wir sollten dem unsere Aufmerksamkeit schenken" sagte er. "Ich denke, das ist etwas, dass die Geschichte verändern könnte. Ich denke es lohnt sich diesen Weg zu gehen."
Bei rechtsorientierten Israelis lösen Trumps Pläne aber offene Begeisterung aus. Der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich dankte Trump in einem Post auf der Plattform X und kommentierte, es werde "noch besser und noch besser". Der jüngst aus Protest gegen das Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und der Hamas zurückgetretene rechtsradikale Politiker Itamar Ben-Gvir jubelte auf X: "Donald, das sieht nach dem Beginn einer wunderbaren Freundschaft aus."
Wie andere rechtsextreme Israelis strebt Smotrich eine Wiederbesiedlung des Gazastreifens an, den Israel 2005 geräumt hatte.
Welche Reaktionen gibt es aus den USA?
Trumps Außenminister Marco Rubio unterstützte die Vorschläge des Präsidenten. Die USA seien bereit, "Gaza wieder schönzumachen", schrieb Rubio auf X. Aber aus dem Lager der Republikaner wurde auch Skepsis laut. Der republikanische Senator Lindsey Graham nannte den Vorschlag "problematisch" berichten US-Medien übereinstimmend. Er habe Zweifel daran, dass seine Wähler sich über eine Entsendung von US-Soldaten in den Gazastreifen freuen würden, sagte der derzeitige Vorsitzende des Haushaltsausschusses im US-Senat.
Heftige Kritik hagelte es aus dem Lager der Demokraten. Der Vorschlag sei gestört und verrückt, sagte der demokratische Senator Tim Kaine laut NBC. Der Demokrat Chris Murphy warf Trump vor, von den Kürzungen und Entlassungen im Staatsapparat ablenken zu wollen.
Und der Rest der Welt?
Reagiert überwiegend verwundert und ablehnend. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock unterstrich, eine Vertreibung der Palästinenser aus der Region sei völkerrechtswidrig und führe nur zu neuem Hass. Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende, Johann Wadephul, bezeichnete die Trump-Äußerungen als "erwartbar disruptive Elemente in der Nahostpolitik" - der bisherige Status quo sei aber langfristig nicht haltbar. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft hält Trumps Pläne für ungeeignet, um für Frieden in der Region zu sorgen.
Das französische Außenministerium warnte eindringlich vor einer Vertreibung von Palästinensern aus dem Gazastreifen. Der britische Premier Keir Starmer sagte im Parlament, die Palästinenser im Gazastreifen müssten nach Hause zurückkehren und ihre Häuser wieder aufbauen dürfen. Der türkische Außenminister Hakan Fidan nannte die Äußerungen von Trump "inakzeptabel". Kremlsprecher Dmitri Peskow bezeichnete die Zweistaatenlösung als "einzige Option". Auch aus dem chinesischen Außenministerium hieß es, eine politische Übereinkunft müsse auf der Zweistaatenlösung beruhen.